Meine beste Freundin Sandra ist Jägerin. Ich kenne niemanden, der engagierter kirrt, Bilder von Wildkameras auswertet, Sitze freischneidet, sich um das Auf- und Umstellen von Sitzen kümmert, inbrünstig Pirschwege laubbläst, Wild bestätigt, also alles das tut, was ein Jäger macht. Alles, bis auf das Erlegen von Wild, denn Sandra hat keinen Jagdschein. Dennoch sitzt sie mit Hingabe ab Anfang April im Revier und bestätigt Böcke. Sie kennt das Revier wie kein anderer. Ihre erklärte Passion war lange Zeit Rehwild, ebenso das Führen Ihrer DJT-Hündin als Treiber auf Drückjagden.

Nach unserem Kennenlernen und der Feststellung, dass wir beide irgendwie gut zusammen passen, stellten wir den Antrag, gemeinsam im Revier des Bürgermeisters jagen zu dürfen. Nachdem dem Antrag stattgegeben wurde, lautete unsere Freigabe des Bürgermeisters Rehwild nach Absprache, Raubwild und Sauen frei, was der Jagdschein erlaubt (Kurz zur Erläuterung: der „Bürgermeister“ ist Sandras Freund, seines Zeichens Berufsjäger mit etwa 300 Jahren Erfahrung, der das heimische Revier bereits seit gefühlten 50 Jahren gepachtet hat und entsprechend das Wild (wir sind sicher) auch persönlich mit Namen kennt, ebenso wie vier Generationen zurück). Der Bürgermeister hält viel von seiner Freundin, er ist sehr stolz auf sie und ihre Tätigkeiten im Revier, aber er hat eine ganz eigene, sagen wir mal spezielle Art, dies zu zeigen bzw. es zu äußern. Der Bürgermeister hat ebenfalls ganz spezielle Ansichten, was die Jagerei betrifft und wünscht sich, dass auch die Begeher seines Reviers diese teilen, gut finden und auf keinen Fall anzweifeln. Soweit die Theorie.

In der Praxis war es so, dass Sandra und ich irgendwie ganz andere Ansichten hatten und OBACHT, die Anweisungen des Bürgermeisters sogar manchmal missachteten! Verrückt, war aber so. Wir empfanden, dass das Pirschen eine durchaus adäquate Möglichkeit des Jagens sei und dass man seinen Plan, Wild zu erlegen, manchmal den Gegebenheiten anpassen, unter Umständen sogar komplett ändern muss, um Erfolg zu haben. So kam es, dass wir durchaus einige Erfolge beim Erlegen von Wild vorweisen konnten. An Stellen, von denen der Bürgermeister sagte, es habe keinen Zweck, wir bekämen dort sowieso nichts, wir säßen im Wind, es habe dort noch niemals jemals einer ein Stück erlegt usw. usw. Aber ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich völlig ungeniert und so jagten wir einfach so weiter und ließen den Bürgermeister Bürgermeister sein.


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