Mit äußerster Vorsicht stelle ich das Dreibein vor mir auf. Marius reicht mir von hinten die Büchse und ich positioniere sie. Auf diese kurze Distanz ist kein Zweifel mehr offen, dieses Stück kann erlegt werden. Durch das Zielfernrohr versuche ich die Sau zu finden, um im passenden Moment einen Schuss antragen zu können. „Noch nicht“, wird mir über die Schulter ins Ohr geflüstert: „Wir gehen noch näher ran!“ Mit der Waffe auf dem Dreibein positioniert, pirschen wir, womöglich in Zeitlupe, noch weiter. Ich kann die Sau mit meinem bloßen Auge erkennen und glaube fast, sie gleich berühren zu können.

Ich muss stehen bleiben. Fürs erste Mal reicht mir diese Distanz. Es sind vielleicht noch 15 oder 20 Schritt bevor wir direkt neben der Sau stehen würden. Ich kann sie riechen, sie hören, doch uns hat sie noch nicht bemerkt. Genüsslich drückt sie den milchigen Saft aus und schmeißt den anschließenden Spelz zu Boden. Erneut gehe ich in den Anschlag. Marius flüstert mir ein letztes wichtiges Detail ins Ohr. Nicht auf das Schießen, was ich oberhalb des Weizens von der Sau sehen kann. Damit kein Krellschuss angetragen wird, muss ich etwas in den Weizen reinschießen. Ich hole noch einmal tief Luft und warte konzentriert bis die Sau ihr Haupt hebt, um ein ganzes Bild vom Wildkörper zu bekommen. Den Rotpunkt lasse ich tiefer sinken und platziere den Schuss.

Ein Knall zerreißt die Nacht. Im Raps hört man die andere Sau flüchten. Vor uns ist nichts mehr zu sehen. Wir rennen zu der Stelle an der mein Stück bis eben noch stand, um im Notfall einen Fangschuss anzutragen. Als wir dort ankommen ist die Sau jedoch bereits verendet und ich werde von einer gehörigen Portion Jagdfieber geschüttelt. Eine feste Umarmung und ein dickes Waidmannsheil lassen mich das gerade Erlebte realisieren. Ich bücke mich zu der Sau hinunter und lasse die Hand über die borstige Sommerschwarte fahren. Der Einschuss liegt direkt auf dem Blatt. Mehr als glücklich strahle ich zu Marius hoch. Ein wenig später stehen wir neben der aufgebrochenen Sau, schauen in den klaren Sommernachtshimmel und warten auf den Revierpächter. Als er ankommt habe ich das Gefühl, dass er sich fast noch ein wenig mehr freut als ich mich selber. Ein kräftiger Händedruck überreicht mir meinen Erlegerbruch, gefolgt von einer weiteren Umarmung.

Schöner könnte diese Nacht nicht enden!


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