Das kleine Einmaleins der Blattjagd
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Das kleine Einmaleins der Blattjagd

Text: Johannes Maidhof & Florian Fesl
Bilder: Johannes Maidhof, Florian Fesl, Lina Held, Tobias Heil

Die Blattjagd ist für den passionierten Rehwildjäger ein ersehnter Zeitpunkt im Jagdjahr. Der besondere Reiz liegt darin begründet, dass wir mit Lockinstrumenten die Böcke akustisch anlocken können und somit aktiv mit dem Wild in Verbindung treten. Unser Rehwild verständigt sich eigentlich das ganze Jahr über durch Fieplaute zur Kommunikation untereinander. Jeder Jäger, der mit einem Ricken-Fiep schon einmal verwaiste Rehkitze gesucht hat, weiß das. Doch insbesondere in der Zeit vom 20. Juli bis etwa 10. August ist der Blatter das wichtigste Utensil für den Jäger, ein zuverlässiges Hilfsmittel für den Jagderfolg.

Die Blattjagd stellt dabei weit mehr dar, als einfach nur Abschussplanerfüllung mit gelegentlicher lautmalerischer Unterlegung. Blattjagd ist aktives Jagen und wird seit jeher als eine Art „Meisterdisziplin“ für den Rehwildjäger angesehen. Stellen sich keine Blattjagderfolge ein, hört man oft Aussagen wie „...das funktioniert doch nicht!“, „...ich glaube ich verblatte mehr, als ich anlocke!“, Unsicherheit macht sich breit. Schnell lassen viele Jäger dann wieder die Finger vom Blatter, oder verwenden ihn zu zaghaft. Anhand der berühmten „W-Fragen“ (Wann? Wo? Wie?) wird aber recht schnell deutlich, dass die Blattjagd zwar einerseits zu Recht als anspruchsvoll bezeichnet werden kann, ihr andererseits aber auch kein Hexenwerk innewohnt.

Einige Verhaltensweisen, die seit Generationen an den Jägernachwuchs weitergegeben werden, haben immer noch ihre Berechtigung und stellen sich in der Praxis oft als richtig dar. Andere wiederum müssen aus heutiger Sicht kritisch betrachtet und ersetzt werden. Der Blattjagderfolg kann an vielen kleinen Fehlern, die relativ leicht zu beseitigen sind, scheitern. Damit dies nicht passiert und Sie sich bestmöglich auf die Blattzeit vorbereiten können, haben wir das „Kleine 1x1 der Blattjagd“ zusammengestellt:

WANN wird geblattet?

Sobald im Revier treibende Böcke an den Ricken zu sehen sind, heißt das für den Jäger noch nicht, dass er beim nächsten Ansitz unbedingt schon mit dem Blatter „Musik machen“ sollte. Oftmals ist dies schon Ende Juni bis Mitte Juli zu beobachten und hat mit der eigentlichen Paarungszeit des Rehwildes noch nichts zu tun. Es handelt sich dabei eher um hitzköpfiges Verhalten. Der Hormonspiegel der Böcke steigt zu dieser Zeit immer noch an und ist noch nicht am Höhepunkt. Die wirkliche Brunft, in der der Beschlag dann auch vollzogen wird, beginnt aber erst Ende Juli. Man kann davon ausgehen, dass bis etwa 20./25. Juli vor allem die Platzböcke bei ihrer „ersten Geliebten“ stehen und auf deren Paarungsbereitschaft warten. Zu dieser Zeit ist die Chance gering mit Locklauten und Eifersuchtsprovokationen zu Erfolg zu kommen, da die Platzböcke nur schwer von ihren Ricken weg zu blatten sind.

Aus diesem Grund kann es durchaus sinnvoll sein, der altbewährten Regel zu folgen, dass vor dem 1. August gar nicht geblattet wird. Besonders Ungeduldige können die Vorbrunft jedoch nutzen, um mit dem Kitzfiep die Rehgeiß zu alarmieren, die dann, auf der Suche nach ihrem vermeintlich rufenden Kitz, den Bock zumeist im Schlepptau führt. Außerdem sind schwache Abschussböcke und Jährlinge oftmals mit einfachen Fieplauten gezielt vor die Büchse zu bringen. Dies gelingt besonders gut in der Phase der erst beginnenden Brunft, wenn diese Stücke auf ihr schnelles Glück hoffen. Natürlich ist es zu dieser Zeit auch möglich, mit einfachen Fieplauten einen älteren Bock anzulocken, aber unterm Strich doch eher unwahrscheinlich. Auch wenn oftmals falsch behauptet, die Blattzeit kann bis zum Ende der zweiten Augustwoche voll genutzt werden. Durch die nun nicht mehr ganz so aktive Brunft, also weniger vorhandene, paarungswillige Ricken, suchen die Böcke aktiv und verlassen dabei auch ihre angestammten Territorien.

Diese Suche beginnt Anfang August ungefähr um den 3. (in Hochgebirgslagen etwas später). Nun ist die Zeit gekommen, um an den vermuteten und bestätigten Einständen die Locklaut-Sinfonien erklingen zu lassen. Erwischen wir jetzt den Platzbock zur passenden Stunde, in seiner hormonellen Hochphase, so wird er sich vor allem am Ricken-Fiep (Piiiiia) interessiert zeigen und suchen. Steht er bereits wieder bei einer Ricke, kann der Sprengfiep (oder Variationen davon) helfen, ihn so eifersüchtig auf einen Konkurrenten zu machen, dass er oftmals sehr impulsiv zusteht.

Gerade an einem schönen sonnigen Vormittag, an dem die Temperaturen auch für das Rehwild angenehm erscheinen, lässt sich oftmals erfolgreich ein Bock blatten. Prinzipiell können Sie aber den ganzen Tag über erfolgreich sein, besonders bei bedecktem Himmel, milden Temperaturen oder nach Regenschauern Bei sengender Hitze kommen die Böcke tagsüber nicht recht in Stimmung, hier sollten die frühen Morgenstunden und die Abenddämmerung genutzt werden.

WO wird geblattet?

Geblattet werden kann prinzipiell von jeder Reviereinrichtung aus, auch von hohen Kanzeln. Je höher man sitzt, desto weiter wird der Schall getragen, was gerade im Feldrevier sogar hilfreich sein kann. Doch sei zur Vorsicht geraten, steht der Bock zu, sollte nur noch verhalten und gedämpft geblattet werden. Rehböcke sind zwar im Liebeseifer mitunter etwas arglos, doch wissen sie wohl, dass eine Ricke nicht in der Baumkrone sitzt und Fieplaute von sich gibt. Da es bei der Blattjagd vor allem den reifen, erfahrenen Recken gilt, ist außerdem damit zu rechnen, dass diese die Reviereinrichtungen kennen und misstrauisch sind. Selbst bei Hormonüberschuss wird man solch einen Heimlichtuer nicht erfolgreich von dieser Ansitzeinrichtung blatten und erlegen können. In solchen Fällen ist es sinnvoller, etwas abseits der Kanzel am Wechsel, mit Blickrichtung auf den vermuteten Einstand, einen mobilen Sitz oder Blattjagdstand aufzustellen. Dies muss aber am besten schon bis Anfang Juli erfolgen, um in der Brunft diese Bereiche nicht zu stören. Optimalerweise werden diese Stände vor der Blattjagd gänzlich gemieden und erst wieder in der heißen Phase genutzt. Eine hervorragende Möglichkeit zur Blattjagd ist auch die Pirsch, sofern die Gegebenheiten des Revieres es zulassen.

Steht Rehwild im offenen Feld (z.B. in Grünflächen, Äckern), kann man natürlich probieren, vom Waldrand aus die Böcke heranzublatten. Rehböcke die in der Frucht ihren Einstand habenversuchen meist, so zügig wie möglich die ihnen nächstgelegene Stelle am Waldrand zu erreichen, oder sie nutzen natürliche Deckung aus, um näher zu kommen. Dies muss bei der Platzwahl des Jägers bedacht werden. Ist ein Bock in Schussentfernung als passend angesprochen, sollte nicht mehr weiter geblattet werden, es sei denn, er sucht wieder das Weite. Ziehende Böcke kann man mit einem Pfiff oder durch Anschrecken zum Verhoffen bringen. Hierbei sollte man dann schon im Anschlag und schussbereit sein, der Bock wird in Richtung der Geräuschquelle sichern und sehr genau äugen.

WIE wird geblattet?

Wie schon beschrieben, ist Ende Juli eher verhaltenes Blatten angesagt, mit einzelnen Fieplauten. Regelmäßige Serien, mit eher weniger Tönen und moderater Lautstärke. In der Hochphase der Blattzeit, also nach dem 1. August, wenn es dann dem braven, reifen Bock gilt, sind Hemmungen fehl am Platz. Verhaltenes Blatten kann durchaus der Grund sein, wieso man ihn nicht dazu überzeugen kann zu springen. Wird beispielsweise ein Rickenfiep gespielt, so darf dieser ruhig einige Minuten anhalten und auch hörbar sein. Wir imitieren die rufende Ricke, sie wird ihn nicht schon nach einer Minute gefunden haben. Hier ist Überzeugungsarbeit zu leisten. Man braucht keine Angst zu haben, wenn ein Laut einmal nicht lehrbuchmäßig klingt. Den Böcken sind die Sinne durch den Liebesrausch ziemlich vernebelt, im seltensten Fall wird da ein schiefer Ton übelgenommen. Es ist nicht allein dem Jägerlatein zuzuordnen, dass Böcke auch auf ungeölte Fahrradketten, ächzende Kanzeltüren oder quietschende Bremsen zustehen, wenn sie gerade in der richtigen Stimmung sind. Es gehört auch einfach eine Portion Glück dazu, genau diesen Moment zu erwischen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Das bedeutet aber nicht, dass diese Böcke an anderen Tagen kein Interesse an unserem Konzert haben. Sie springen eben nicht einfach drauf los, sondern wechseln vielleicht auch eher vorsichtig an. Gerade ältere Böcke lassen sich mitunter dabei viel Zeit. Das liegt auch daran, dass die Priorität in der Paarungszeit eben rein auf Fortpflanzung liegt. Dieser immense Kraftakt, aus Suchen, Treiben, Beschlagen und Konkurrenzkämpfen, zehrt an den Reserven; Nahrungsaufnahme ist in dieser Zeit zweitrangig. Besonders gegen Ende der Blattzeit sind die Böcke richtiggehend abgebrunftet und weniger agil. Ist der letzte Ton aus dem Blatter verklungen, empfiehlt es sich deshalb noch eine halbe Stunde bis Stunde still am Ansitz zu bleiben und genau zu beobachten. Zu oft führte frühes Abbaumen zum wütenden Schrecken und Abspringen, weil dem unbemerkt nahenden Bock in die Arme lief.

In manchen Revieren ist es relativ leicht, Blattjagderfolge zu feiern, in anderen fällt es schwerer. Der Grund hierfür ist meist im Geschlechterverhältnis zu finden. Stehen etwa gleich viele Ricken wie Böcke im Revier, ist die Rivalität unter dem männlichen Wild sehr groß. In solchen Revieren funktionieren die Lockrufe der Blattjagd ab dem ersten Fiepen meist sehr gut. Sind hingegen in anderen Revieren bis zum Beginn der Blattjagd bereits viele Böcke (vor allem adulte Böcke ab dem zweiten Lebensjahr) zur Strecke gekommen, so haben diese eine reiche Auswahl und stehen quasi pausenlos bei einer Ricke. Solche Böcke zu blatten, ist äußerst schwierig und manchmal sogar unmöglich. Da viele Pächter sich zusätzlich auch dazu entscheiden, Schmalrehe im Frühjahr nicht zu bejagen und im Herbst- und Winterabschuss nicht genügend weibliche Kitze entnehmen, wird das Geschlechterverhältnis in Bezug auf die Blattjagd noch schlechter und diese schöne Jagdart immer schwieriger. Der Grundstein für eine erfolgreiche Blattjagd wird darum schon im Herbst und Winter des Vorjahres gelegt. Es zahlt sich durch spannende Stunden und schöne Jagderlebnisse im Sommerrevier aus.


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