Hottehü & Horrido
Jagdgeschichten

Hottehü & Horrido

Text & Bilder Alena Steinbach

Als ich vor 4 Jahren zusammen mit drei weiteren Mädels eine dreitägige Eselwanderung durch die Schorfheide gemacht habe und die störrischen, aber liebevollen Langohren uns –und damit meine ich vor allem Katja und mich – regelmäßig an den Rand des Wahnsinns gebracht haben, war uns klar, dass das nächste Mal definitiv aufgerüstet werden musste. Zu Pferd sollte es sein und nicht ziehend neben her.

2 Jahre später war die Reise mit einer ähnlichen Besetzung bei meiner lieben Freundin Sabine geplant. Sabine ist Wanderrittmeisterin im Havelland und hat ihren eigenen, schönen Hof mit vielen Pferden und reitet oder jagt mehr oder weniger das ganze Jahr hindurch. Kennen tue ich sie von den dortigen Drückjagden. Wieder zu fünft, plus Sabine ging es über einen mehrtätigen Ritt durch Wald und Flur. Es war wunderschön, auch wenn es sehr weh tat, zumindest in den Beinen und am werten Hintern.

Nun waren aber auch fast alle Beteiligten Jäger. Das musste man also auch verbinden können. Jagen und reiten. Sabine und ich überlegten und tüftelten verschiedene Möglichkeiten aus. Irgendwann kam mir dann doch unser lieber Freund Michi in den Sinn, selbst Jäger und glücklicher Pächter sowie Mitpächter von einem Revier auf Usedom und auf dem Festland. Mein Freund Max und ich sowie ein paar glückliche Freunde, durften dort schon mit uns Urlaub machen und jagen. Ein unglaubliches Privileg. Wie es der Zufall will, betreiben Michi und sein Papa dort einige Ferienwohnungen und -häuser und als ob der Zufall über uns gestolpert wäre, gibt es auch die Möglichkeit Pferde sowohl in Boxen, als auch auf der Koppel unterzubringen. Jackpot. Alles war geklärt und mit Sabine unter Dach und Fach gebracht. Ich fragte noch sechs liebe Freundinnen, ob sie mitkommen möchten und schon war die Gruppe voll. Katja war natürlich auch wieder dabei, jetzt im Nachhinein, wissen wir gar nicht, was wir als Nächstes machen sollen. Erst Esel, dann Pferd und jetzt Pferd und Jagd. Wie sieht denn nun die Steigerung aus?!

Ansonsten ist Ihnen vielleicht auch die ein oder andere bekannt. Carola Rathjens, ebenfalls regelmäßige Schreiberin für WIR JAGEN und andere Jagdzeitschriften. Steffi Götz von Fuxdeifelswild, Christine Grimm von Grimm-Waldhunde, unsere ehemalige Kurzzeitmitbewohnerin Frau Nicole (Max gab ihr mal den Kosenamen „Frau“ Nicole) und Nicola, Jungjägerin und mein Schatten, seitdem uns die Jagd zusammengeführt hat und vor allem, alles gute Freundinnen. Da mag jetzt ein wenig unbezahlte Werbung in dem Absatz sein, aber das macht gar nichts, denn wer die beiden Damen und ihre Werke kennt, weiß, wovon ich rede und die anderen können froh sein, dass sie jetzt gute Adressen für Weihnachtsgeschenke haben.

Die Zeit der Vorfreude verging wie immer nur langsam, aber irgendwann waren es nur noch ein paar Tage und 8 leicht aufgeregte, teilweise überforderte und gestresste sowie verplante Weiber waren in Vorbereitungsstimmung. „Wann kommen wir eigentlich samstags zurück?“, fragt Christine, weil sie den Abholdienst mit ihrem Mann besprechen möchte. „Gar nicht, Liebes, wir kommen bereits Freitag Retour.“ Das wäre schon mal geklärt. „Wie viele Jacken werden mitgenommen und Schuhe? Hat wer Chaps und was ist mit Helm und Hose?! Können wir die leihen? Wird bleifrei geschossen? Können wir Wild mitnehmen und was ist überhaupt mit Essen?!“ Das Thema Essen sollte sich immerzu über den Urlaub hinwegziehen. Aus Angst vorm Verhungern und akuter Unterzuckerung sowie Fressneid, war in beiden Wohnungen, die wir nebeneinander bezogen, Essensvorräte für eine Kompanie, die nach 5-tägiger Bergwanderung zurückerwartet wurde, vorhanden. Zudem gab es vor Ort einen Pilzsegen, also musste auch nach dem Abendansitz gegen 22.00 Uhr immer noch eine klitzekleine Brotzeit zubereitet werden.

Am Tag der Anreise lief alles wie am Schnürchen. Nicola, Christine und ich sowie der schwarze Blitz „Fibi“ packten um 7.00 Uhr in der Früh mein Auto. Dass bisschen Gepäck, lächerlich und dann bei Leipzig noch Steffi einladen, ein Kinderspiel... Wer hat eigentlich ernsthaft gedacht, dass vier Frauen, ein Hund, Essen für 25-30 Mann und Gepäck für 4-6 Wochen fürs Jagen und Reiten, jemals in dieses Auto passen würden? Wir waren anfangs guter Dinge, als die Pick-Up-Klappe allerdings nur noch mit Mühe zu ging, mussten wir umdisponieren, Steffi musste auch fahren. Denn die wichtigsten Mitfahrer waren auf dem Hinweg noch gar nicht mit dabei. Die Damis, die in Scharen mit in die heimischen Kühlgeräte sollten.

Am Nachmittag kamen wir vier bei schönstem Wetter auf der Sonneninsel an, nahmen die Schlüssel der Wohnungen in Empfang und freuten uns bei Kuchen und Kaffee einen Keks über unser Glück und die bevorstehende Woche, wir waren uns schon hier sicher, dass wir auf unbestimmte Zeit verlängern würden. Alltag? Wer ist das?!

2 Stunden später kamen Frau Nicole und Katja aus dem Norden dazu. Großes Hallo und Wiedersehensfreude. Die Gruppe war nun fast komplett, Sabine kam am Abend mit den letzten beiden Pferden, die anderen 6 wurden schon am Nachmittag geliefert und haben sich mit ihrer riesigen Koppel direkt vertraut gemacht. Carola stieß am nächsten Tag nachmittags zu uns.

Den ersten Abend haben wir noch ohne Jagd verbracht und haben eine Gummipirsch durchs Revier gemacht und den wunderschönen Sonnenuntergang an der Peene genossen. Ich glaube, hätten wir nicht Ohren gehabt, hätten wir alle im 360° Winkel gelacht. Wenn Sie auch schon einmal eine Jagdreise gemacht haben, mit guten Freunden und tollem Wetter, großzügigen Gastgebern und einer perfekten Unterkunft, dann wissen Sie was ich meine.

Über kurz oder lang meldete sich aber wieder unser Hauptproblem: das Essen. Es musste dringend gekocht werden, schließlich sind seit den 3 Kuchen sicher schon vier Stunden vergangen. Am Abend lernten sich alle bisher Unbekannten besser kennen und die Pläne für die nächsten Tage wurden geschmiedet. Morgens und abends jagen, tagsüber reiten. Ganz locker flockig, zwischendurch reichlich essen und schlafen. So der Plan in der Theorie.

Am ersten Morgen standen auch alle auf. Der Morgen hätte nicht schöner sein können. Mein Schatten Nicola und ich liefen keine 10 m und trafen schon auf ein Stück Rehwild. Ich flüsterte ihr zu, dass sie sich fertig machen soll. Die Arme war völlig überfordert, dabei habe ich mir felsenfest vorgenommen, dass wir hier ihr erstes Stück zusammen erlegen werden. Nun ja, das Reh zeigte sich mal rechts der Hecke und dann wieder links auf dem Stoppelacker. Hin und her ging es 2-3-mal, bis wir dann doch zu komisch aussahen und der Rückzug angetreten wurde. Ein junger Bock kam dafür sehr neugierig bis auf 50 m an uns ran. Jünglinge...

Wir pirschten weiter. Endlose Wiesen, viele kleine Hecken, Kanäle, Schilf, das Meer in Sichtweite, 300 Gänse auf dem Stoppelacker, 200 Enten in der Luft, der nasse Morgentau an unseren Beinen und mein Hund pirschend neben mir, ich kann Ihnen sagen, es war unfassbar schön. Zum Glück war Nicola dabei und war mein Zeuge, solch ein Morgen erlebt man nicht oft und wir stellten uns an den riesigen, ehemaligen Maisschlag, sahen den Gänsen zu, lauschten den kreisenden Enten über uns und begrüßten die Sonne, die langsam über den Wall kam. Zum ersten Mal seit langem stand ich nur da und habe diese Schönheit aufgesogen, wie ein kleines Kind beim Blick unter den Weihnachtsbaum. Dankbarkeit für solche Momente und Fassungslosigkeit über so viel schöne Natur beschreiben meine Gefühle wohl am besten. Und glauben Sie mir, normalerweise bin ich nicht so theatralisch.

Wir sahen überall noch ein paar Rehe, aber entweder waren sie zu weit, zu männlich oder zu schnell. Am Ende beobachteten wir noch die Mutterkuhherde, die uns wohl mit ihrem heißgeliebten Futterlieferanten verwechselte. Es war alles dabei, ein Bulle, wie er im Buche steht, stundenalte Kälber, hochträchtige Muddis. Seelig und vollkommen zufrieden marschierten wir Richtung Frühstück. Siedend heiß wurde mir beim erneuten Passieren des Stoppelackers klar, dass keiner von uns eine Flinte dabeihatte und es wimmelte von Gänsen und Enten. Unfassbar so ein dilettantischer Anfängerfehler.

Auch die anderen waren so begeistert wie wir. Sabine konnte ein Kitz erlegen und nach sachgemäßer Versorgung, fanden wir uns alle am Frühstückstisch ein. Ausgiebig und lang wurde gegessen, wer weiß, wann es das nächste Mal was geben würde. Im Anschluss ging es zu den Pferden, schnell fand jeder seinen Partner in Crime und in Nullkommanix saßen wir im Sattel. Für den ersten Tag haben wir eine Revierrunde zu Pferd geplant. Mal eine ganz andere und entschleunigende Art „sein“ Revier zu begutachten. So fanden wir zahlreiche Wechsel der Sauen raus aus dem Schilf auf die Wiesen, Betten von Rehen und die heißesten Enten- und Gänseplätze. Wir galoppierten entlang des Wassers auf dem Damm und konnten nach wie vor unser Glück kaum fassen. Auch wenn uns die kleine Runde für den ersten Tag definitiv gelangt hat, standen schon die ersten mit breiten Beinen, schmerzenden Knien und haltendem Rücken da. Ich als Küken der Runde habe da natürlich leicht reden...

Nach versorgen der Pferde wurde sich umgehend um Essen gekümmert, auch hier lag das Frühstück schon mehr als eine volle Stunde zurück und die ersten Mägen knurrten. Die ganze Woche über wurde natürlich nur Wild oder Fleisch vom Bauern von nebenan oder auf gut Glück gesammelte Pilze gekocht und verzehrt. Frei nach dem Motto „jeden Pilz kann man einmal essen“, gingen wir optimistisch an die Sache ran. Die Sprünge in der Schüssel bei vereinzelten Gruppenmitgliedern waren definitiv schon vor Ankunft vorhanden und sind keinesfalls auf die Erdsprießer zurückzuführen.

Wir hatten nicht nur das Glück, dass wir morgens lediglich die Waffe über die Schulter geworfen haben und sternförmig ausgeschert sind und mit dem ersten Schritt pirschend im Revier unterwegs waren, wir durften auch noch ein Revier auf dem Festland mit bejagen. Wo sich meine Lieblingswildart in, sagen wir, angebrachter Anzahl, aufhält. Damwild! Nicht nur, dass sie schick aussehen, sich sehr unterhaltsam fortbewegen, sie schmecken einfach fantastisch und wir brauchten dringend Frischfleisch. Also war der Plan abends immer in das ca. 50 km entfernte Revier zu fahren. Es ist gar nicht so einfach 8 Frauen in vier Autos zu bekommen. Die Platzsache ist das eine, das Fertigsein das andere. „Momentchen, ich brauche noch was zu trinken.“ - „Wo ist eigentlich mein Hund?“ - „Hat jemand meine Munition gesehen?!“ Hier ist übrigens festzuhalten, dass diese Dame an dem Abend OHNE Munition als einzige Damwild hätte mit Steinen schießen können. Naja, die Steine dort haben jetzt einen tiefen und deutlichen Abdruck ihres Ober- und Unterkiefers.

„Ich habe noch gar keine Schuhe an, hat die jemand gesehen?“ - „Ach, geht schon los, ja?! Moment, ich mach‘ mich schnell fertig.“ Somit kamen wir am ersten Abend natürlich viel zu spät an, hatten aber dennoch alle einen wunderschönen Abend. Es flogen und musizierten tausende Kraniche. Dies wurde nun ein tägliches, abendliches Schauspiel, welches wir alle fasziniert verfolgten. Es kehrte zu keiner Minute Ruhe in dem Revier ein und das Wild hat sich keineswegs daran gestört. Alle haben viel Dam- und Rehwild gesehen und gegen 19.30 Uhr brach der Schuss auf Frau Nicoles erstes Stück Damwild. Das Kalb lag sofort und die Freude in ihrem Gesicht, als wir sie später abgeholt haben, war unvergesslich. Natürlich hat sie es mitgenommen und lässt sich sogar die Decke gerben. Großartig, besser als jeder eigene Erfolg!

Für die anderen waren die Gepunkteten einfach schlichtweg zu weit weg oder nicht frei. Ein Schlag dort ist 1 km lang, da geht das ganz schnell, dass man zähneknirschend auf dem Hochsitz sitzt, weil sich das Rudel einfach nicht in den eigenen Wirkungskreis bewegen möchte. Mein Schatten und ich pirschten und kamen an einer Mutterviehhaltungswiese an unsere Grenze, dabei standen auf der anderen Seite 15 Damis. Erst holte sich der Labrador ein paar Stromschläge ab und dann wurde es so eng, dass wir umdrehen mussten, das ganze Gebiet weit umschlagen mussten, endlich um die Waldnase voller Hoffnung und durchgeschwitzt kamen, um dann enttäuschend festzustellen, dass wir auch hier mit großen, neugierigen Augen angemuht werden. Etwas niedergeschlagen machten wir uns auf dem Heimweg und sahen dann noch einmal ca. 5-10 Geweihte 10 m neben unserem Auto. Es war schwer all die Eindrücke von dem Tag zu verarbeiten und jedem ausreichend Aufmerksamkeit zu schenken, da viel zu viel, viel zu schön war.

Ich glaube der Abend war der einzige, wo wir vor Mitternacht im Bett waren. Obwohl wir auf dem fast einstündigen Rückweg fast immer eingeschlafen sind - bis auf die Fahrer - glücklicherweise. Zuhause waren auf einmal wieder alle hellwach. Schnatter, Schnatter, Tisch decken, Schnatter, Schnatter, ein kleines bisschen Essen zu sich nehmen, Schnatter, Schnatter, ein Glas Rotwein und weiter geschnattert. Wir haben eingeführt, dass keiner was von seinem Ansitz erzählt, sondern jeder am Tisch von seinem berichtet, das war ein schönes alltägliches Ritual.

Am nächsten Tag dünnte die morgendliche Ansitzrunde schon aus und lediglich Christine, Sabine und ich zogen unsere Kreise. Ein wieder wunderschöner Morgen, allerdings ohne Waidmannsheil, aber mit einem großartigen Frühstück. Im Anschluss steigerten wir unser Reitvolumen direkt um 300 % und ritten eine große und sehr abwechslungsreiche Runde. Durch Wälder, über Wiesen, an Eseln und anderen Pferden vorbei, mit einem kleinen Stopp am Meer, wo Pferde und Hunde trinken konnten. Es hat nicht viel gefehlt, dann wären auch einige samt wiehernden Vierbeinern baden gegangen. Der Ritt gipfelte im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Jungfernberg. Eine immerhin 18,4 m hohe Erhebung vom Erdboden, wo oben tatsächlich ein Gipfelkreuz und -buch vorhanden ist, in das wir uns selbstverständlich eingetragen haben!

Am Abend ging es jagdlich hoch her. Katja pirscht auf allen vieren durch Hecken und Dornen, um dann doch im letzten Moment den flüchtenden Rehen nur noch hinterher zu winken. Etwas später kann sie aber noch ein Kitz und anschließend einen Rotrock sauber erlegen. Nicole pirscht an einer Sandkuhle von rechts nach links, weil ich die Damis sehe, die sie noch nicht sehen kann und ihr per Telefon durchgebe, wo sie hinschleichen muss. Leider klappt es am Ende aber nicht. Sabine ist an dem Ort unterwegs, wo Nicola und ich am Abend zuvor waren und kann ebenfalls ein Kitz erlegen. Nicola und ich sehen viel, haben auch im fast Dunklem ein einzelnes weibliches Stück Damwild vor, was 20 m vor unserem Sitz einen Tanz aufführt und auf allen Vieren hüpfend, einer starken Kür nahekommend, und amüsiert. Ich war mir nicht sicher, ob nicht noch irgendwo ein Kalb steckt und habe daher nicht geschossen. Carola verfolgte alles spannend, denn Steffi setzte dem Abend dann noch die jagdliche Krone auf. Sie saß ca. 500 m neben uns an dem großen Acker, wir konnten uns aber nicht sehen. Allerdings hatte ich gerade das Damwild in ihrer Nähe im Fernglas entdeckt, als auch schon der erste Schuss fiel. Prima, aber wieso springen sie nicht ab, alles tänzelt etwas hin und her und schon fällt der zweite Schuss. Uff, dachte ich mir, hoffentlich ist da alles gut. Gerade beruhige auch ich meine Nerven, fällt der dritte Schuss. Jetzt war ich mir sicher, dass das eine Nachsuche gibt. Aber nein, blitzsauber hat sie Kalb, Schmaltier, Alttier geschossen und der Rest des Rudels stand noch immer da, allerdings mittlerweile auf sicher 250 m. Steffi hat wahrlich auch keine Nerven mehr, um noch irgendetwas zu machen. Wir haben uns sehr mit ihr gefreut und Sie können sich vorstellen, wie glücklich und dankbar sie war. Das schönste an dem Abend war aber wohl das Verblasen von Sabine am Landgraben. Wir standen alle im Halbkreis unter einem unvorstellbar schönen Sternenhimmel und lauschten den ewighallenden Tönen des Jagdhorns. Ein absoluter Gänsehautmoment, denn wir noch zwei weitere Male erleben durften und ebenfalls nicht vergessen werden.

Seelig geht es erst zur Kühlzelle und dann ohne Umwege in die Küche. Bis spät in die Nacht wurde geschnattert, gegessen – natürlich – und getrunken. Was ein erinnerungswürdiger Abend! Am nächsten Morgen stand nur die eiserne Sabine auf.

Es gab nun erste Ausfälle, Carola und Steffi mussten ihre müden und geschundenen Kniee schonen und wachten über die Heimatfront, während wir auch nur eine kleinere Runde mit den Pferden drehten. Mein Labrador, eine Bracke von Sabine und der Drahthaar von Katja liefen übrigens immer fleißig neben uns her, die haben sich auch umgeguckt bei diesen Touren.

Am Abend tauschten wir wieder die Plätze durch, Nicola und ich bezogen einen Schlaferdsitz. Nicola sollte hier ihr erstes Stück schießen, hier war die weiteste Entfernung 200 m, auch wenn sie da nicht hingeschossen hätte, war das doch eine deutliche Eingrenzung. Nachdem wir alle losgeschickt haben und wir uns gemütlich eingerichtet haben, das erste Damwild da und auch gleich wieder weg war. Rief Katja völlig verzweifelt an, weil sie ihren Sitz nicht findet. Standort, Verwechslungen und Missverständnisse machten sie völlig kirre. Der eindeutige Hinweis war: Es ist eine Kanzel ohne Kanzel, es steht nur noch das Gestell. Eigentlich eine deutliche Ansage. Gerade in dem Moment, wo sie freudig in ein Bild in die Gruppe schickt mit lachendem Smiley und der Aussage „gefunden!“, entdecken Nicola und ich sie 50 m neben uns. Bei uns stand nämlich auch so ein Sitz. Ich rief sie an und bin fast zusammengebrochen vor Lachen. Die Freude aus ihrem Gesicht verschwand und genervt stampfte sie zurück. Kurz bevor sie sich bockig, wie ein kleines Kind an einen Baum gestellt hätte und gar nichts mehr gemacht hätte, fand sie ihn zum Glück doch noch. Dann hörten wir sogar die Rothirsche von der anderen Seite des Landgrabens melden, die Kraniche natürlich auch immer wieder. Herrlich. Plötzlich unterbrach ein Schuss die Stille und kurze Zeit später konnten wir uns alle mit Carola freuen, die einen braven Bock erlegt hat. Dazu sei gesagt, dass sie nun das sechste Mal mit mir jagen war und sie nun endlich Glück hatte.

Als bei uns wieder Ruhe eingekehrt war, kam uns ein passender Bock. Nicola machte sich fertig und hatte das erste Mal das Erlebnis etwas schießen zu können und dürfen und das langte ihr dann auch für den Abend - verständlich, wenn man sich an sein erstes Stück erinnert, die Aufregung, Gefühle, Unsicherheit... Wir hatten aufgrund des Lichtes nicht mehr allzu viel Zeit und als sie sich entschloss nicht mehr zu schießen, sagte ich ihr, dass sie dann doch die 8 Hirsche angucken soll, die gerade auf der anderen Seite aus dem Wald zogen. Ein ehrfürchtiger Anblick, angeführt wurde die Truppe von einem starken, alten Damhirsch. Hinter ihm zog ein Stück Kahlwild. Nein, das ist nicht möglich in einem Hirschrudel und mit der Masse. Ich wartete, bis sie etwas näher dran waren und konnte sehen, dass es ein Doppelkopf sein muss. Also letztes Jahr seine Knöpfe nicht verloren hat und dieses Jahr neue Spieße durchgeschoben hat. Ein perfekter Abschusshirsch und kurze Zeit später konnten Nicola und ich uns über diese wahrscheinlich einmalige Trophäe freuen. Als wir gerade mit dem Aufbrechen anfangen wollten, raschelte es neben uns. Ein Anheben der Taschenlampe verriet eine Bache mit 8 starken Frischlingen 25 m neben uns. Sie schauten uns interessiert zu und zogen nur langsam wieder in den 80 m entfernten Wald zurück. Unsere Waffen waren natürlich auf dem Sitz. Ich überlegte kurz, ob ich meine schnell holen sollte, das wurde aber mit einem „du lässt mich hier nicht alleine“-Blick von Nicola unterbunden und überhaupt, wie groß war schon die Chance... Wir brachen also auf, plötzlich hörte Nicola wieder etwas rascheln, leuchtete hoch und siehe da, da stand die Mannschaft an gleicher Stelle wieder. Ich war so froh, dass ich eine Zeugin hatte, das hätte mir doch sonst keiner geglaubt. Die Blicke der Borstentiere schienen mir dieses Mal fordernder zu sein. Anscheinend hat man sehnsüchtig auf den Aufbruch gewartet. Kopfschüttelnd beendeten wir die rote Arbeit und warteten auf unser Taxi. Wieder hallte das Horn von Sabine durch die dunkle Nacht und wieder brauchte keiner etwas sagen...

An diesem Abend wurde nicht nur gegessen und getrunken, sondern auch gesungen. Carola verzaubert und rührte einige sogar mit ihrer Stimme zu Tränen. Im Anschluss noch ein paar lockere Massageeinheiten und die Runde konnte tiefentspannt und selig ins Bett wandern. Apropos Bett, wir haben alle so gut geschlafen, dass sich nach dem Urlaub 3 der 8 direkt neue Matratzen gekauft haben.

Nun war schon der vorletzte Tag angebrochen und es ging wieder in verkleinerter Runde hoch zu Ross. Dieses Mal ritten wir durch mir allzu gut bekannte Kiefernwälder. Einige Wege waren durch umgefallene Bäumchen ein kleiner Hindernisparcours, was es abwechslungsreich machte und die Pferde mal wieder zeigen konnten, wie tiefentspannt und sicher sie waren. Es war eine echte Freude sich die Tage einfach mal durchs Leben schaukeln zu lassen. Galoppierend flogen wir die Waldwege entlang, Parasol begleiteten uns eigentlich den ganzen Weg über, ein Fuchs grüßte auf einer Wiese und unsere Hunde freuten sich ihres Lebens. Nicht zu vergessen, hatten wir die ganzen Tage, bis auf ein paar Tropfen immer hervorragendes Wetter. Wir waren wirklich im Himmel auf Erden.

Am Abend ging es das letzte Mal in voller Besetzung aufs Festland, da Sabine am nächsten Nachmittag mit den Pferden bereits abreisen musste, Zuhause warteten schon die nächsten Gäste. Fröhlich mitsingend und über Walkie Talkies verbunden, machte sich die kleine Zweierkolonne auf den Weg. Zu unserer Enttäuschung pflügte ausgerechnet jetzt einer den großen Acker um. Der Weizen musste die nächsten Tage eingesät werden. Wir bezogen trotzdem die Sitze rund um den Acker, in der Hoffnung, dass er bald Feierabend machen würde und siehe da, 30 Minuten später kam Sebastian, so sein Name, bei Carola vorbei und teilte ihr mit, dass ja schon die Hirsche über den Acker laufen würden und er deswegen Heim fährt. Der Hirsch war eine Ricke. Carola bedankte sich recht herzlich und er wünschte uns ein kräftiges Peterheil! Jawohl, Dieterdank! Jetzt konnte es losgehen und wieder tauchte nach kurzer Zeit überall Reh- und Damwild auf, aber außerhalb der Wirkungskreise. Somit blieb es das erste Mal in diesem Revier bei „nur“ schönem Anblick. Zuhause musste sofort gegessen werden. Furchtbar, wie viele Stunden des Hungerns vergangen waren. Ein Glück haben wir am Nachmittag einen Riesenbovisten gefangen und schnell zu Schnitzeln geschnitten sowie paniert. Noch 4-5 Käse, 8 verschiedene Wurstsorten, 10 Marmeladen und es kehrte wieder Ruhe am Tisch ein.

Am letzten Tag schaffte sich Carola noch einmal mit aufs Pferd und Steffi bewachte die heimischen Hallen, bis Jörg, ein mittlerweile sehr liebgewonnener Jagdbekannter sie abholte und zu einem gemeinsamen Outdoor-Date entführte. Der Mais wurde gedroschen und die beiden sicherten jeder eine Flanke. Während wir unsere Hinterteile weiter wund ritten und etwas für die O-Beine taten, schossen die beiden jeder einen Marderhund, Steffi ihren ersten. Obwohl sie gar nicht dabei war, schallte aus von jedem Pferd ein fröhliches Waidmannsheil. Als alte Raubwildliebhaberin musste der natürlich auch noch rasch am Pferdezaun abgebalgt werden... Es gibt tatsächlich schönere Gerüche als so ein lauwarmer Stinkemarder.

Nachdem wir zurückgekommen sind – wobei Katja und ich eine kleine Extrarunde gedreht haben und uns wie Bibi und Tina gefühlt haben, weil wir ohne Aufsicht unterwegs waren – wurden die Pferde direkt verladen und die ersten sechs verabschiedeten sich schon in einem großen Transporter Richtung Heimat. Die anderen zwei schleppte Sabine hinter sich her und bevor es auch für sie zurück ins Havelland ging, wollten wir noch ein gemeinsames Streckenfoto machen. Zu acht waren die 10 Stück Wild schnell gewogen und den Umständen entsprechend drapiert. Als Fotograf und Begutachter des wilden, weiblichen Treibens ist selbstverständlich wieder Jörg vor Ort gewesen. So manches Mal habe ich mich gefragt, was wohl in seinem Kopf für Gedanken umher gegangen sein müssen, wenn er uns so zugeguckt hat. Auf jeden Fall hat er mit Sicherheit nicht häufig acht leicht verrückte jagende Frauen um sich herum.

Nun verabschiedeten wir Sabine und auch die letzten Pferde, das war schon ein einmaliges und wundervolles Erlebnis für uns, auch wenn nicht alle dabei schmerzfrei blieben. Im Allgemeinen hatten wir viel zu wenig Zeit, man könnte fast von Stress sprechen. Nicht einmal konnten wir in Ruhe in einem netten Örtchen einen Kaffee trinken gehen, so nahmen wir uns wenigstens am letzten Tag die Zeit noch schnell in einem leckeren Fischrestaurant einzukehren. Da ich nun seit ein paar Monaten unter die Fischesser gegangen war, fand auch ich einen Unterwassertier zum Verspeisen. Danach war aber schon wieder Hektik angesagt, der letzte Ansitz stand nicht nur vor der Tür, er klopfte schon an.

Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass Nicola auf dieser Reise ihr erstes Stück erlegt, wir saßen wieder auf dem Erdsitz, wo ich den Hirsch geschossen habe und auch der Knopfbock rumlief. Dieses Mal kam, wie jeden Abend, das Damwild pünktlich zur einsetzenden Dämmerung aus dem gegenüberliegenden Wald heraus. Als sie auf 100 m ran waren, habe ich Nicola zu verstehen gegeben, dass sie doch nun ein Kalb schießen könnte. Erneut war sie etwas überrumpelt mit dieser Möglichkeit, die ihr gerade aufgetan wurde und schaute durch ihr Zielfernrohr, um die Helligkeit bzw. den Dämmerungszustand zu beurteilen. Es war ihr zu dunkel. Gut, dann mussten schnell die Plätze getauscht werden, damit ich noch ein Kalb schießen konnte. Dank der Wärmebildkamera konnte sie mir auch sofort bestätigen, dass das Stück im Knall lag. Das Alttier sprang leider ab. Somit konnten wir auch den jagdlichen Teil erfolgreich abschließen.

Am nächsten Tag packten, räumten, fluchten und trauerten wir alle abwechselnd und gleichzeitig. Ein wirklich unvergesslich schöner und unbedingt wiederholungswürdiger Urlaub geht zu Ende. Nach 3-4 Stunden hatten wir die Wohnungen auseinander sortiert und ausgeräumt und waren nach einem kleinen Stopp bei der Kühlkammer, wo alle erlegten Stücke eingeladen wurden, auf dem Heimweg.

Eins kann ich Dir sagen Usedom, wir kommen wieder, keine Frage!

Wer auf Usedom naturnah, modern und dennoch gemütlich mit Hund und Familie oder sogar Pferd Urlaub machen möchte, dem kann ich die Wohnungen und Häuser von unserem Freund Michi nur wärmstens empfehlen. Und wer mal hoch zu Pferd das Glück der Erde kennen lernen möchte, sollte sich unbedingt bei Sabine im schönen Havelland melden.


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