Des Jägers Recht: Gemeinschaftliche Waffenaufbewahrung – Wer trägt die Verantwortung im Falle eines Fehlverhaltens?
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Des Jägers Recht: Gemeinschaftliche Waffenaufbewahrung – Wer trägt die Verantwortung im Falle eines Fehlverhaltens?

Text Sandra E. Pappert

Der heutige Artikel nimmt sich der nicht seltenen Problematik der gemeinsamen Waffenaufbewahrung von Paaren, die im selben Hausstand leben, an. D.h., welche Konsequenzen hat es für den anderen eigentlich, wenn der Partner sich pflichtwidrig im Rahmen der Waffenaufbewahrung verhält – noch dazu, wenn es nicht dessen eigene Waffe ist?

Diese und andere Fragen werden – wie immer an einem Fallbeispiel aus der aktuellen Rechtssprechung – erläutert.

Alexandra wendet sich gegen den Widerruf ihrer waffenrechtlichen Erlaubnis, gegen die Einziehung ihres Jagdscheins und gegen damit verbundene Maßnahmen. Alexandra war Inhaberin einer Waffenbesitzkarte, in welche drei Kurzwaffen eingetragen waren. Den Jagdschein hatte sie, wie auch ihr Mann Mike ordnungsgemäß verlängert. Mike war ausweislich der Waffenbesitzkarte zuletzt berechtigt, einen Revolver, einen Repetierer sowie eine halbautomatische Pistole zu besitzen. In der Wohnung von Alexandra und Mike befinden sich drei Tresore, von denen der größte den Widerstandsgrad II (DIN/EN 11431-1) hat.

Bei einer im Einverständnis mit Alexandra durchgeführten Durchsuchung ihrer Wohnung und Kontrolle der Tresore stellten Mitarbeiter der Waffenbehörde fest, dass die drei genannten Schusswaffen von Alexandra mit jeweils sechs Schuss erlaubnispflichtiger Munition geladen in dem größten der drei Tresore lagen. Dieser war verschlossen. Die Schusswaffen von Mike befanden sich – zum Teil ebenfalls geladen - in demselben Waffenschrank. Die Mike gehörende Repetierbüchse befand sich ungeladen in einem Bücherschrank im Wohnzimmer.

Nach Anhörung von Alexandra durch die Waffenbehörde widerrief diese mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid die waffenrechtliche Erlaubnis, erklärte den Jagdschein für ungültig und zog diesen ein und forderte Alexandra zur Rückgabe beider Dokumente auf. Außerdem ordnete sie an, dass die im Besitz von Alexandra befindlichen Waffen unbrauchbar gemacht oder einem Berechtigten überlassen werden müssten. Die Waffenbehörde begründete ihre Entscheidung damit, dass Alexandra nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitze.

Alexandra wurde zum Vorwurf gemacht, dass sie ihre Waffen in dem Waffenschrank mit jeweils sechs Schuss geladen aufbewahrt und damit gegen §§ 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b Alt. 2, 36 WaffG verstoßen habe.

Bereits ein einmaliger Verstoß reiche dabei aus, die waffenrechtlich geforderte Zuverlässigkeit zu erschüttern. Da aufgrund des Verstoßes gegen die Verwahrungsvorschrift die Regelvermutung nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG greife, sei auch die Einziehung des Jagdscheins nach § 18i.V.m. § 17 Abs. 1 BJagdG gerechtfertigt.

Alexandra legte gegen die Bescheide Widerspruch ein. Sie ist der Auffassung, dass der Widerruf unverhältnismäßig sei. Zum einen sei sie seit Jahrzehnten beanstandungslos mit Waffen umgegangen. Zum anderen könnten ihr auch Auflagen erteilt werden und sie häufiger unangekündigt kontrolliert werden, um die waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu gewährleisten.

Außerdem gebe doch gar kein ausdrückliches gesetzliches Verbot, Waffen in geladenem Zustand aufzubewahren. Im Übrigen sei es auch nicht sie gewesen, die die Waffen geladen in den Waffenschrank gelegt habe, sondern ihr Mann Mike. Sie könne Mike vertrauen und habe daher keine Veranlassung gesehen, die Aufbewahrung der Waffen nochmals zu prüfen.

Um jedoch nicht weitergehende Probleme zu bekommen, ließ Alexandra sodann ihre Waffen einlagern und händigte Jagschein und Waffenbesitzkarte der Waffenbehörde verfügungsgemäß aus.

Die Waffenbehörde ließ sich von der Argumentationsschiene Alexandras nicht überzeugen und wies in Konsequenz den Widerspruch zurück. Alexandra habe massiv gegen grundlegende Vorsichts- und Sorgfaltsmaßgaben verstoßen, indem sie ihre Waffen in geladenem Zustand aufbewahrt habe. Es komme dabei nicht darauf an, ob es ein ausdrückliches Verbot gäbe. Zudem sei es völlig unerheblich, wer tatsächlich die Waffen in geladenem Zustand verwahrt habe, ob sie oder Mike. Maßgeblich sei allein, dass Alexandra die Inhaberin der Waffen sei und ihr dadurch einen Garantenstellung zukomme, dass den Aufbewahrungspflichten sorgfältig entsprochen wird.

Alexandra ist entsetzt: „Nein, das lasse ich nicht so stehen. Ich gehe vor Gericht.“

Alexandra lässt im Rahmen der Klagebegründung von ihrem Rechtsanwalt vortragen, dass sie unmittelbar vor Antritt einer Reise waren und Mike ohne ihr Wissen die Waffen geladen in den Waffenschrank zurückgelegt habe. Hinzukomme, dass der Waffenschrank, in dem sowohl ihre eigenen als auch die Waffen ihres Ehemannes aufbewahrt würden, mit einer Sicherungseinrichtung in der Weise von außen gesichert sei, dass sie selbst ohne die Unterstützung von Mike nicht in der Lage sei, ihn zu öffnen, um z.B. den Ladezustand ihrer Waffen zu überprüfen. Sie besitze seit Jahrzehnten Waffen und habe im Hinblick auf deren sichere Aufbewahrung stets mehr getan als erforderlich, indem sie die Waffen in einem Waffenschrank der höchsten Sicherheitsstufe verwahrte. Sie habe ihrem Ehemann im Hinblick auf die ordnungsgemäße Verwahrung vertrauen dürfen, da sie zur gemeinschaftlichen Aufbewahrung ihrer Waffen berechtigt seien. Der Verstoß von Mike gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften könne ihr doch jetzt mangels Kenntnis nicht zugerechnet werden. Nach monatelangem Rechtsstreit übermittelt Alexandras Rechtsanwalt das Urteil. Alexandra ist wenig erfreut.

Das zuständige Verwaltungsgericht Hamburg hat die Klage in seiner Entscheidung vom 09. Februar 2016 – 4 K 2176/15, abgewiesen.

Das Verwaltungsgericht führte insoweit aus:

„(…) Der Widerruf der Waffenbesitzkarte ist rechtmäßig. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist u.a. dann zu versagen, wenn der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG nicht besitzt, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen u.a. Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG. Dies ist hier der Fall.

Die anlässlich der Kontrolle am 7. August 2014 vorgefundene Aufbewahrungssituation ist eine nachträglich eingetretene Tatsache im Sinne eines tatsächlichen Umstands, der nach Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis eingetreten ist (…). Diese nachträglich eingetretene Tatsache begründet die Annahme fehlender Zuverlässigkeit. Die Verwahrung einer geladenen Waffe stellt einen Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln dar. Dieser Verstoß rechtfertigt die Prognose, dass die Klägerin ihre Waffen und Munition auch zukünftig nicht sorgfältig verwahren wird. (…)“

Und weiter:

„(…) Die Verwahrung einer geladenen Waffe in einem Waffenschrank widerspricht den Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG hat derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Schusswaffen dürfen nur getrennt von Munition aufbewahrt werden, sofern nicht die Aufbewahrung in einem der Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 entsprechenden oder gleichwertigen Sicherheitsbehältnis erfolgt, § 36 Abs. 1 Satz 2 WaffG. Ist die gemeinsame Aufbewahrung von Waffe und Munition in einem Behältnis erlaubt, sind diese Gegenstände innerhalb des Behältnisses getrennt voneinander zu verwahren. Die Verwahrung einer durchgeladenen Waffe ist auch in einem der Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 entsprechenden oder gleichwertigen Sicherheitsbehältnis nicht erlaubt. Diese Selbstverständlichkeit ergibt sich aus grundlegenden Umgangs- und Vorsichtsmaßregeln und bedurfte daher keiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (…)“

Fernerhin stellte das Verwaltungsgericht unmissverständlich klar, dass es nicht darauf ankomme, ob jemand durch den Verstoß konkret gefährdet worden sei, denn:

„(…) Die an Waffenbesitzer gestellten Anforderungen im Hinblick auf die sorgfältige Verwahrung (…) schützen vielmehr jede Person und damit auch den Waffenbesitzer selbst vor den Gefahren, die mit einer geladenen Waffe verbunden sind (…)“

Das Verwaltungsgericht stellte zudem klar, dass Alexandra ihre Aufbewahrungspflichten nicht auf Mike verlagern konnte, da sie allein als Inhaberin der Waffen für eine sorgfältige Aufbewahrung zu sorgen habe:

„(…) Eine Abwälzung der waffenrechtlichen Pflichten auf Dritte ist in Anbetracht der gesetzlichen Ausgestaltung einer waffenrechtlichen Erlaubnis i.S.d. § 4 Abs. 1 WaffG als höchstpersönlicher Erlaubnis nicht zulässig. Bereits die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG, die jeder Erlaubnisinhaber persönlich erfüllen muss, zeigt, dass sich die Zuverlässigkeit auch und gerade auf die sorgfältige Aufbewahrung einer Waffe bezieht. Der Gesetzgeber wertet einen Verstoß hiergegen derart schwer, dass die fehlende Zuverlässigkeit zwingend angenommen wird. Dies ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG, die sich ebenfalls ausdrücklich auf jeden einzelnen Besitzer von Waffen und Munition bezieht („Wer Waffen oder Munition besitzt…“). Macht ein Waffenbesitzer von der Möglichkeit der gemeinschaftlichen Aufbewahrung innerhalb einer Hausgemeinschaft nach § 36 Abs. 5 Satz 1 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 10 AWaffV Gebrauch, entbindet ihn dies nicht von der ihn persönlich treffenden Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung. (…)“

Aber auch die Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG (Überlassen von Waffen und Munition) diene nicht der Argumentationslinie von Alexandra. Im Gegenteil:

„(…) Denn Besitz und Überlassen stellen gemäß § 1 Abs. 3 WaffG verschiedene Arten des Umgangs mit einer Waffe oder Munition dar. Überlässt jemand einem anderen eine Waffe oder Munition, richten sich die damit verbundenen Pflichten nach § 34 WaffG. Insbesondere darf er sie nur einem Berechtigten überlassen. Für den Besitzer einer Waffe oder Munition gelten gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 WaffG i.V.m. § 13 AWaffV besondere Verhaltenspflichten. Die gesetzlich vorgesehene Trennung zwischen Besitz und Überlassen und den mit ihnen verbundenen, unterschiedlich ausgestalteten Pflichten würde aufgehoben, wenn man die Übergabe einer Waffe zur gemeinsamen Aufbewahrung allein an den rechtlichen Maßstäben der Überlassung messen würde. Wer als Besitzer selbst für die ordnungsgemäße Aufbewahrung verantwortlich ist, hat selbst die Maßnahmen zu ergreifen, die hierfür erforderlich sind. Überlässt er die Durchführung dieser Maßnahmen einem anderen, dann hat er diesen, auch wenn es der eigene Ehemann ist, im Hinblick auf das von Waffen ausgehende Gefahrenpotential derart zu überwachen, dass er selbst jederzeit eingreifen kann, um Verstöße gegen eine ordnungsgemäße Aufbewahrung zu verhindern. Dass die Klägerin diese Kontrolle, die ihr möglich war, da ihr Ehemann ihr jederzeit Zugang zu dem Tresor gewährt hätte, unterlassen hat, wird durch die tatsächlichen Geschehnisse belegt. (…)“

Das Verwaltungsgericht vermochte auch keine günstige Zukunftsprognose für Alexandra erkennen:

Der festgestellte Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln rechtfertigt die Prognose, dass die Klägerin auch künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren wird. Die erforderliche Prognose hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren, welcher darin besteht, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (…). Die Prüfung der Zuverlässigkeit ist dabei anhand einer umfassenden Einbeziehung und Bewertung aller Tatsachen vorzunehmen, die für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung bedeutsam sein können. Es genügt, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen nicht-ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen besteht (…). Ein Restrisiko muss (…) mit Blick auf die besondere Gefährlichkeit der Materie nicht hingenommen werden. (…)“

Und ferner:

„(…)Aufgrund der Schwere des Verstoßes – alle drei Waffen waren mit sechs Schuss Munition geladen – kann ihr Verhalten nicht als situative Nachlässigkeit minderen Gewichts eingestuft werden, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden könnte. (…) Insofern ist aufgrund der erheblichen Gefährlichkeit, die von durchgeladenen Waffen ausgeht, das hier verbleibende Restrisiko eines erneuten Verstoßes gegen die grundlegenden Vorsichtsmaßregeln nicht hinnehmbar.

Das Verwaltungsgericht vertrat die Auffassung, dass Alexandras Waffenbesitzkarte zwingend nach § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG zu widerrufen gewesen sei und führte hierzu aus:

„(…) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht erkennbar. Insbesondere ist es unerheblich, ob und in welchem Umfang durch den Verstoß im Einzelfall eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit eingetreten ist. Jeder Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften berührt zugleich die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit, jedenfalls im Sinne einer abstrakten Gefährdung (…). Insofern kam es auch auf das Maß der Sicherung und Überwachung der Wohnung und des Grundstücks der Klägerin nicht an und es bedurfte keiner hierauf bezogenen, von der Klägerin angeregten Beweiserhebung. Soweit die Klägerin auf die Möglichkeit der Verhängung von nachträglichen Auflagen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 WaffG) als milderes Mittel hinweist, ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit nur im Zusammenhang mit einer bereits erteilten Erlaubnis zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorsieht und damit das Bestehen der erforderlichen Zuverlässigkeit voraussetzt. Die Sicherung oder Durchsetzung der persönlichen Anforderungen an den Waffenerlaubnisinhaber nach §§ 5, ff. WaffG ist damit nicht möglich (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 4.11.2014, 4 K 172/14, n.v.). (…)“

Dass sich Alexandra bislang stets an das Gesetz gehalten habe, sei nicht besonders zu ihren Gunsten zu werten, da dies schlichtweg von einem Waffeninhaber vorausgesetzt werde.

Und auch der Jagdschein ist aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, rechtmäßig Alexandra nach §§ 18, 41 BJagdG, entzogen worden.

Wenn Sie Fragen zu dieser oder anderer jagdlicher Themen haben, kontaktieren Sie Frau Pappert gerne unter www.advohelp.de


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