Keiler 36 Pro von Liemke – der perfekte Allrounder?
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Keiler 36 Pro von Liemke – der perfekte Allrounder?

Text & Bilder Patrik Bollrath

Wärmebildgeräte sind erst seit wenigen Jahren auf dem deutschen Markt und dennoch nicht mehr wegzudenken. Sie revolutionieren die Jagd und insbesondere die Art zu jagen. Der Markt bietet mittlerweile eine Vielzahl von unterschiedlichen Geräten für jeden Einsatzbereich und jedes Budget an. Wir haben die Keiler 36 Pro für ein Jahr getestet und ziehen ein Fazit.

Langsam laufe ich den befahrbaren Wirtschaftsweg im Wald entlang. Es ist noch früh am Abend, jedoch ist das Wild hier im Zentrum des Waldes meist schon auf den Läufen. Neben einigen Spaziergängern kommen mir auch einige Fahrradfahrer entgegen. Das Wild ist diese Waldbesucher gewöhnt und stört sich nicht weiter daran. In einer Senke zu meiner Linken kann ich mit dem Wärmebildgerät einige Stücke Damwild ausmachen, doch heute soll es den Rehen und Sauen gelten. Ohne Wärmebildgerät hätte ich kein Stück des kleinen Rudels gesehen, welche sich nur ca. 40 m neben mir im dichten Stangenholz niedergetan haben. Also weiter. Im Gegenhang taucht nun eine Ricke mit ihrem Kitz auf und ich positioniere mich zügig, jedoch ohne Hast, mit meinem Zielstock. Es dauert jedoch eine ganze Weile bis ich die Stücke durch mein Zielfernrohr ausmachen kann. Unter dem dunklen Schirm der Fichten sind sie kaum zu sehen. Langsam wird die Ricke nervös und zieht weiter in den Hang, gefolgt von ihrem schwachen Kitz. In der nächsten Lücke zischt der Schuss durch den Wald und das Kitz liegt nach einer kurzen Flucht. Die Ricke ist mit dem Wärmebildgerät immer noch zu sehen, doch steht sie hinter zu vielen Ästen, um einen sicheren Schuss anbringen zu können. Nach einer kurzen Zeit des Wartens springt sie endlich ab. Nach dem das Stück versorgt und in der Kühlung ist, pirsche ich noch zu einer Kirrung. Große Hoffnung habe ich nicht, da die Sauen die Kirrung in letzter Zeit nur sporadisch aufgesucht haben. Im Licht des aufgegangenen Mondes ist nichts zu sehen, doch das Wärmebildgerät verrät mir die Anwesenheit von zwei Stück Wild in den nahen Buchenrauschen. Tatsächlich kommen hier nach einer halben Stunde zwei Überläufer langsam und äußerst vorsichtig auf die Kirrung gezogen. Da der Wind küselt, warte ich nicht lang und erlege den ersten Überläufer, der passend steht. Ohne Wärmebildgerät hätte ich die Kirrung für leer befunden und wäre wahrscheinlich nach kurzer Zeit wieder von dannen gezogen oder hätte die Sauen sogar vergrämt. Dieser Abend ist ein Paradebeispiel wie effektiv und sicher das Jagen mit dem Wärmebildgerät funktionieren kann.

Das Keiler 36 Pro der Firma Liemke gehört zu den spitzen Modellen aus der Keiler Modellreihe. Mit einer Detektionsreichweite von 1.235 m und einem Sehfeld von 31 m auf 100 m eignet sich die Kamera sowohl für die Wald- als auch Feldjagd. Die Detektionsreichweite ist für den Wald nicht von Nöten, jedoch ist das große Sehfeld von 31 m sehr praktisch, wenn es um den nahen Bereich geht. Doch dazu später mehr. Das Herz der Keiler 36 Pro ist ein 640x480 VOx (Vanadium Oxid)-Detektor. Bei Wärmebildgeräten werden in der Regel zwei verschiedene Arten von Detektoren verbaut. Zum einen gibt es hier Detektoren mit Vanadium Oxid (VOx) und zum anderen Detektoren mit Amorphen Silizium (Asi). Die Vorteile des Vox-Detektors liegen darin, dass dieser weniger anfällig gegen Fehlpixel ist, eine höhere Temperaturensensibilität besitzt und somit für ein kontrastreicheres Bild sorgt. Ebenso gelingt durch diesen Detektor ein zeitlich schnelleres Ansprechen der Pixel und ein verringerter Stromverbrauch. Rechnerisch ist die Temperatursensibilität bei einem VOx Detektor um ein dreifaches höher, als bei einem Asi-Detektor (bei sonst identischen Geräten). Die Keiler 36 Pro ist mit einer 35 mm Frontlinse ausgestattet, welche manuell fokussiert werden kann. Mit einem LCOS Display im QVGA Format (1.280x960 Pixel) ist das Gerät in der Lage gestochen scharfe Bilder zu zeigen und die Vorzüge des 640x480 Vox-Detektor voll und ganz auszuspielen.

Dem Nutzer stehen 5 verschiedene Betrachterfarbmodi zur Verfügung. Warme Objekte können in Weiß, Schwarz, Rot oder Bunt dargestellt werden. Als letztes ist der Bird-Modus hervorzuheben, der warme Objekte in Weiß darstellt jedoch alles andere etwas abdunkelt, so dass die warmen Objekte noch einfacher zu entdecken sind. Mit dem digitalen 2 bzw. 4-fach Zoom kann das Bild noch näher herangeholt werden und verliert dank des verbauten 640x480 Detektors nur unwesentlich an Schärfe. Im Gegensatz zu Geräten, mit einem kleiner auflösenden Detektor, kann hier der Zoom wirklich genutzt werden, um Objekte zu erkennen. Das Sehfeld wird mit 18x13° angegeben, was einer Sehfeldbreite von 31 m auf 100 m entspricht. Eine weitere wichtige Maßeinheit der Wärmebildgeräte ist der Pixel FOV (Field of view) die die Objektabdeckung eines Pixels in der Winkelmaßeinheit mRad (Milliradiant) angibt. Um den Abdeckwert auf 100 m in Millimeter zu bekommen, wird die Zahl mit 100 multipliziert. Der Pixel FOV (mRad) des Keiler 36 Pro ist 0,5. Also deckt ein Pixel 5 cm (50mm) auf 100 m ab. Die Bildfrequenz sorgt mit 50 Hz auch bei schnellen Bewegungen für ein ruhiges und ruckelfreis Bild. Der Pitch der Keiler 36 Pro wird mit 17 µm angegeben. Der Pitch gibt die Detektorzellengröße in Mikrometern im Quadrat an. Je kleiner die Zahl desto kleiner können die Geräte gebaut werden und desto detailreicher wird das Bild. Je kleiner der Pixel Pitch und je größer die Frontlinse desto weiter ist die Detektionsreichweite. Mit 17 µm liegt die Keiler 36 Pro im oberen Bereich. 12 µm sind derzeit der mögliche Stand der Technik. Das Keiler 36 Pro wird von einem festverbauten Akku (3,7 V/3600 mAh) gespeist, welcher in normaler Benutzung ca. 4 Stunden hält.

Die Kalibrierung des Gerätes kann manuell oder automatisch erfolgen. Die manuelle Kalibrierung eignet sich besonders dann, wenn die Kirrung sehr nah ist und man vermeiden möchte das die Sauen das Klicken der Kalibrierung wahrnehmen, obwohl ich persönlich noch keinerlei Probleme mit diesem Geräusch hatte. Weiter gibt es einen internen Speicher (8 GB) auf dem Foto und Filme, die mit dem Gerät gemacht wurden, abgespeichert werden können. Über die Liemke-App können über eine WiFi Verbindung ebenfalls Fotos und Videos gemacht werden. Auch ist ein Livestream möglich, der jedoch etwas ruckelig läuft. Ebenfalls können die auf dem Gerät gespeicherten Medien über die App heruntergeladen werden. Das Gewicht des Keiler 36 Pro beträgt etwas mehr als 650 Gramm und liegt ausgesprochen handlich in der Hand. Im Lieferumfang sind ein Trageriemen sowie eine praktische Schutztasche enthalten.

Im Revier beeindruckt das Wärmebildgerät durch seine scharfen und kontrastreichen Bilder, auch auf eine Entfernung von bis zu 200 m. Bis zu dieser Entfernung lässt sich nicht nur erkenn um was für eine Art es sich handelt, sondern man kann unter Umständen sogar das Geschlecht bestimmen, wenn es die Vegetation zulässt. Die Art kann je nach Bodenbewuchs auf bis zu 500 bis 700 m bestimmt werden. Zum Teil sind auch größere Entfernungen möglich, wenn der arttypische Bewegungsablauf erkannt wird. Beim Pirschen sowie vom Ansitz überzeugte das Gerät durch seine einfache und intuitive Bedienung. Das Gerät ist nach IP66 zertifiziert und somit gegen Regen und Staub geschützt. Hier gilt es besonders darauf zu achten die Gummilasche, unter der sich die Ladebuchse befindet, stets fest zu verschließen, damit dort kein Regen eindringen kann. Die nur geringe Laufzeit des Akkus hat mich am Anfang etwas gestört, nachdem ich mir jedoch eine große Powerbank zugelegt habe, kann ich das Gerät nahezu 12 Stunden ohne Pause nutzen. Mittlerweile ist mir diese Lösung sogar lieber, als ein wechselbarer Akku, da man so das Wärmebildgerät mit jeder beliebigen Powerback überall aufladen kann. Das Sehfeld von 31 m ist vor allem im Wald sehr angenehm da man es hier meist auf kürzere Distanzen nutzt. Im Vergleich zu einem Keiler 35 Pro, bei der das Sehfeld lediglich 19 m beträgt, zeigt das Keiler 36 Pro einen entscheidenden Vorteil. Egal ob beim Pirschen oder an der Kirrung, durch das größere Sehfeld muss man sich nicht so viel bewegen, um das ganze Umfeld im Auge zu haben.

Besonders interessant war eine Begegnung mit einigen Muffelwiddern. Nach einer stark verregneten Nacht saß ich an dem folgenden Morgen an einer Freifläche. Aufgrund der Nässe und zuvor warmen Wetters war es extrem nebelig und die Sichtweite betrug keine 20 m. Nach kurzer Zeit traten auf knapp 100 bis 120 Meter drei Muffel aus. Zwei von ihnen waren dem Blick durchs Wärmebildgerät nach, sehr stark und offensichtlich alt genug, des Weiteren war noch ein Zweijähriger unter ihnen. Die Schläuche und deren ungefähre Länge waren ohne Probleme durch die Wärmebildkamera zu erkennen. Ohne die Wärmebildkamera hätte ich nicht den hauch einer Ahnung gehabt, dass diese drei Widder in Schussentfernung unterhalb von mir standen und ich hätte mich nie fertig gemacht und auf die entscheidende Lücke im Nebel gewartet. Ich hätte sie schlicht und einfach nicht mitbekommen und wäre ohne Anblick nach Hause gegangen.

Ich nutze das Wärmebildgerät mittlerweile Tag und Nacht und es ist eines der wenigen Geräte, die den Jagderfolg tatsächlich signifikant steigern. Das Gefühl für das Wild wird ein anderes und man bekommt ein wenig mehr mit, was im Revier wirklich alles los ist. Wie eingangs beschrieben, läuft man sonst täglich an den meisten Stücken einfach vorbei, ohne dass man diese bemerkt. Das ein Gerät dieser Klasse natürlich seinen Preis hat, ist verständlich und dass Keiler 36 Pro ist mit 3.490 € nicht das günstigste Gerät auf dem Markt. Für meine Bedürfnisse ist es jedoch jeden Cent wert und ich möchte es auf keinem einzigen Ausgang im Revier mehr missen. Welches Gerät man benötigt muss jeder selbst Entscheiden und von den Verhältnissen im Revier abhängig machen. Für mich als gleichermaßen Wald- wie Feldjäger, ist die Keiler 36 Pro die optimale Lösung.


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