Unvergessliche Jagdtage
Jagdgeschichten

Unvergessliche Jagdtage

Text & Bilder Alena Steinbach

Ein Sprichwort sagt: „Wenn es Brei regnet, soll man einen Löffel hinhalten.“ In dieser Geschichte wurde die Suppenkelle der 50-Mann-Gulaschkanone ausgepackt.

Im Januar dieses Jahres wurde ich, warum ist mir noch immer nicht ganz klar, zu einem dreitägigen Jagdwochenende auf einen Truppenübungsplatz eingeladen. Man hört ja so einiges über TrÜbPl. Unter anderem, dass man dort ganz fantastisch jagen kann. Ich bin also pünktlich wie ein Maurer um 12.00 Uhr Freitagmittag am Treffpunkt. Max, Thorsten, Alex und Fabio ebenso. Frank, der arme Förster, der sich die nächsten Tage um uns kümmern muss, ist wenig später auch da und nach den üblichen Höflichkeiten geht es direkt hinter die rotweiß gestreifte Schranke und somit in ein für mich nicht nur von der Sache an sich schon interessantes Gebiet, sondern auch noch in ein jagdliches Paradies. Schon nach der ersten kleinen Rundfahrt war klar, dass man mich hier nur noch in der verkehrt herum gebundenen weißen Jacke wieder rausbekommt.

Nach Bezug der Unterkunft und klare Einweisung, wo man hintreten sollte und wo nicht, rückten wir aus. Mein erster Ansitz bescherte mir Rehe, Damwild und Sauen bei Licht. Gerade, also ich den roten Punkt auf ein schwaches Kitz einschaltete, sah ich im Augenwinkel eine dunkle Bewegung und blickte noch einmal auf. Da ist mir doch tatsächlich der Unterkiefer bis auf die Ablagefläche des Hochsitzes runtergeklappt. Da standen tatsächlich 4 stramme Frischlinge in der Wiese und brachen munter vor sich hin. Ich fing an zu überlegen und stellte fest, dass ich bisher nur auf Drückjagden Sauen bei Tag bejagen konnte. Irre und nun?! Laut Entfernungsmesser waren sie 180 m weg. Der Förster hielt aber eine so angsteinflößende Ansprache zum Thema Nachsuchen und gute Schüsse, dass ich wirklich nur kurz darüber nachdachte, meinen roten Punkt umzulenken, wobei, natürlich schaute und machte und lockte ich durchs Zielfernrohr die Abgestoßenen zu mir. Ich hatte nicht mal Empfang, um bei Max, der schon öfter da war, abzuklären, WIE ernst Frank es denn so meint mit diesen Ansagen. Später erfuhr ich dann, dass er selbst der größte Draufgänger ist und es kein Problem gewesen wäre, auf die Entfernung zu schießen. Naja, besser einmal einen guten Eindruck hinterlassen, als gleich mit wehenden Fahnen negativ aufzufallen - nicht, dass ich von einem schlechten Schuss oder einer Nachsuche ausgegangen wäre, aber man weeß es ja nicht. So genoss ich den Anblick, war ja schließlich mein erstes Mal bei Licht. Die Rehe waren hinter eine Hecke gezogen, dafür standen da plötzlich auch noch zwei Damhirsche. Jackpot Lenchen, dachte ich mir. Was ein Anblick, auch Damhirsche bei Licht und überhaupt in Ruhe beobachten zu können, war ein echtes Privileg für mich. Sehr ansehnliche Kerle, die zwei. Nun standen da Damhirsche, Sauen und Rehe auf einer Wiese, hier bleibe ich, dachte ich mir so, während es dunkel wurde und immer mehr Damwild auf die Fläche trat. Dank Wärmebildgerät konnte ich sie auch dann noch beobachten. Dass ich beim Abholen erst vergessen wurde, störte mich also weniger. Max konnte aus einem größeren Rudel einen Muffelwidder erlegen, Alex ein Stück Damwild und Fabio ein Reh. Prächtig, ein vernünftiger Start, den wir am Lagerfeuer mit leckerem Grillgut ausklingen ließen.

Wer mich kennt, weiß, dass ich ganz, ganz, ganz schlecht morgens aufstehen kann. Fragt man mich, sind meine Hobbies jagen und schlafen. Leider ergänzen sich diese nicht, sondern sie stören einander massiv. So habe ich es morgens zwar aus dem Bett geschafft, aber nur, als es schon hell war. Gesehen habe ich nichts, geschieht mir auch ganz recht. Thorsten, das können wir gleich einmal vorwegnehmen, hatte das ganze Wochenende leider kein Glück. Er hat zwar einen Eins-a-Damhirsch gesehen, der ihm aber schlichtweg zu teuer war und einen Fuchs, er hatte leider wirklich kein Glück die Tage. Ganz zu schweigen von Max und mir...

Nach unserem sehr kurzem Morgenansitz haben wir gemeinsam gefrühstückt und haben dann den Tag zusammen mit Frank verbracht. Wir sind mit ihm über den TrÜbPl gefahren, er hat uns einiges erzählt und mir tausend Fragen beantwortet. Interessant zum Beispiel ist, dass fast alle Damis Fallschirme oder Teile davon in ihrem Pansen haben. Da das Material der Fallschirme salzig schmeckt, scheint es ein gefährlicher „Snack“ für zwischendurch zu sein. Problem dabei ist, dass der Fallschirm für immer im Körper bleibt, da er nicht weiterverdaut werden kann.

Wir haben Unmengen an Damwild gesehen, viele Hirschrudel vor allem. Teilweise zogen 30 Stück vor uns über den Weg oder äugten aus sicherer Entfernung zu uns rüber. Frank ist nicht der freudigste Läufer, so ließ er uns oft raus, grenzte unseren Laufradius ein und verabschiedete uns mit dem Kommentar: „Wenn‘s knallt, komm ich. Wenn nicht, kommt ihr.“ Alles klar, klingt nach einem Plan. Wir stiefelten also eigentlich noch schnellen und lauten Schrittes voran, als Max nach 15 m plötzlich so ins Down flog, dass jeder Prüfer volle Punktzahl verteilt hätte. Ich tat selbiges, natürlich leiser, leichter und grazil, einer Katze gleich. Wir robbten uns noch 5 m nach vorne und bevor ich überhaupt fragen konnte, was da ist, schoss die .308 bergab und traf nach gerade einmal 30 m auf einen durchaus anschaulichen Damhirsch. Waidmannsheil, der Herr. Das ging fix. Frank kam also wie versprochen die 15 m hinter uns hergefahren und fragte aus der offenen Fensterscheibe heraus: „Liegt?“ Er lag, zwar 40 m in einer dichten Hecke, aber er lag. Auch er hatte Fallschirme in seinem Pansen, sehr interessant für mich und sicherlich äußerst unschön für ihn gewesen.

Nachdem wir das Stück versorgt haben, ging es auch direkt weiter in eine andere Ecke. Als wir so den Weg lang stiefelten und uns sogar leise unterhielten, dieses Mal mit Frank im Schlepptau, es war ja auch ein gemachter, gerader Weg, sahen wir einen einzelnen Frischling, der an einer großen Hecke rumwuselte. Er sah nicht gerade wohlgenährt aus und schien alleine zu sein. Leider war er verschwunden, bis wir uns eingerichtet hatten. So beschloss ich da zu bleiben, während Max und Frank den Weg weiter pirschten. Passenderweise war auch ein Hochsitz vorhanden und so war ich gerade fertig, als er wieder rauskam, einen Moment später lag er da, wo er vorher noch gebrochen hatte. Es war ein wirklicher Kümmerling und somit habe ich mich noch mehr über den Abschuss gefreut. Leider versaute ich durch meinen Schuss einen Überläufer ein paar hundert Meter weiter, denn da lag Max’s Waffe schon auf dem Pirschstock. Naja, wer zuerst kommt...

Während die anderen sich an der Hütte ausruhten, ging es für uns weiter. Als wir einen Hauptweg entlangfuhren, sahen wir in einer Senke ein weiteres Hirschrudel, welches sich die Mittagssonne auf die gepunktete Decke schienen ließ. Es lief ja bei uns, als versuchen wir auch hier unser Glück. Wir pirschten uns ca. 500 m zurück und krabbelten den Hang abwärts. Dank meiner Absehenschnellverstellung auf meinem Zeiss waren 150 m kein Problem, natürlich, der geneigte Leser mag jetzt die Stirn runzeln und sich denken, dass ist auch so kein Problem, aber wenn man es hat, hat man es und ich liebe es da anzuhalten, wo ich hinschießen möchte und noch 10, 20 oder 30 cm höher. Die Jungs haben uns schon mitbekommen, und tippelten nervös vor und zurück. Ich habe versucht mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und mich tief in den moosigen Untergrund gearbeitet, bis ich gut lag und mir einen passenden Hirsch aussuchen konnte. Es war mein erster, richtiger Damhirsch und hätte ich nicht schon auf dem Boden gelegen, hätte es mich vor Freude umgehauen, als der Auserwählte ohne einen Schritt zu tun, umfiel. Das läuft, während wir uns den Hang abwärts kämpften, fuhr Frank schon mit seinem Pick-up Richtung Hirsch, die tiefen Schlaglöcher, die teilweise ein Reifen völlig frei in der Luft schweben ließen, störten ihn nicht weiter. „Nur weiter“, war sein Motto, der Wagen kann das schon ab. Ich kann Ihnen sagen, der Tag machte richtig Spaß, Frank freute sich über unsere Schießleistung, wir uns über die Erlebnisse. Während wir ein kleines Erinnerungsfoto machten, sahen wir in weiter Entfernung schon wieder Sauen.

Ich habe mittlerweile das Gefühl gehabt, dass wir im 7. Jagdhimmel sind, Sauen bei Licht und das überall wo man hinguckt. Gut, da es ja lief, wollten wir es weiterlaufen lassen. Wir umfuhren das Gebiet und Frank entließ uns wieder mit seinem Standardsatz und klappte den Sitz zurück. Gute Nacht, Frank. Wir wussten ungefähr, wo die 2 zuletzt gebrochen haben, aber das ist ein paar Minuten her und wenn man erst einmal da ist, sieht alles ganz anders aus. Sie waren deutlich schneller da, als wir gedacht haben, aber das mit dem Downbefehl hatten wir ja drauf. Max zog noch seinen dicken Pullover aus, um eine höhere Auflage zu bekommen und schon lang der erste Frischling.

Hervorragend! Übrigens: Nie die ASV vergessen wieder runterzudrehen. Wir stiefelten weiter, weil man ja nie weiß. Wir könnten kaum noch laufen, sie viel Brei hatten wir schon in unserem Löffel. Nach 50 m stießen wir auf einen Hochsitz, ideal um sich einen kleinen Überblick zu verschaffen. Gerade, als wir oben angekommen waren, wuselte sich das zweite Schwein gegenüber von uns den Hang hoch, wie passend. Ich wartete, bis er ruhig stand und konnte einen guten Treffersitz registrieren, auch wenn sie noch 50 m lief. Auf den Schuss hin kam ein weiterer Frischling aus der Hecke hoch, auch er verhoffte kurz und Max konnte auch diesen sauber strecken. Wir konnten kaum glauben, was wir gerade erleben. Kopfschüttelnd und lächelnd strumpelten wir Richtung Weg. Frank wedelte schon ganz aufgeregt mit den Armen und fragt, was denn nun los sei. So kamen auch diese drei Borstentiere mit auf unsere Ladefläche. Schluss jetzt, es war nachmittags geworden, die anderen warten und wir hatten wirklich genug Waidmannsheil. Natürlich fuhren wir auf dem Heimweg noch an einem kleinen Hirschrudel vorbei, wie sollte es auch anders sein. Max konnte nicht nein sagen, ich schon. So fuhren wir weiter, er lief zurück und brachte einen Spießer mit. Jetzt aber, Feierabend! An der Hütte angekommen, konnte man uns schwerlich glauben, was wir erlebt haben. War aber kein Problem, wir konnten es ja selbst nicht. Wir ließen den Abendansitz ganz großzügig ausfallen und versuchten den Tag zu verdauen.

Am Sonntagmorgen ging es mir ähnlich, wie jeden Morgen, also krabbelte ich erst bei vollstem Tageslicht aus dem Bett. Wir wollten nur eine kurze Runde drehen, bevor wir pünktlich mit den anderen zum Frühstück an der Hütte zurück sind. Kaum waren wir in das Gebiet eingetaucht, wo wir uns frei bewegen durften, schon lag auch ein Knieper an Ort und Stelle, auch Labrador Fibi und Fusselfresse Toffie freuten sich über die „wo ist der Bocki“-Suche. Nach dem Versorgen des Stückes pirschten wir weiter. Ein Hochsitz diente als kurze Rast und zugleich als Auskunft darüber, dass ca. 600 m entfernt zwei noch nicht identifizierbare Stück Damwild ästen. Wir entschieden uns dazu, unser Glück weiter zu versuchen und pirschten durch ein Tal weit drum herum. Der Ginster vor Ort machte das Pirschen sehr schwer, da wir jederzeit direkt voreinander hätten stehen können. Als wir uns gerade hockend durch einen kleinen Graben schoben, tauchte nur 25 m vor uns der Körper eines weiblichen Stückes auf. Mist. Wie bei Stopptanz bewegte sich keiner mehr von uns, zum Glück blieben wir noch unentdeckt. Ich krabbelte in Zeitlupe an Max vorbei, der mir erst zu verstehen geben wollte, dass ich auf seiner Schulter anlegen soll. Das er dabei vor Aufregung zitterte wie Espenlaub, schien ihm wohl entgangen zu sein. Ich kenne das, wenn ein anderer schießt, ist man deutlich aufgeregter, als wenn man selbst den Finger am Abzug hat. Ich zeigte ihm, während ich auf allen Vieren durch den kalten, nassen Untergrund elfengleich glitt, kurz den Vogel und suchte mir auf der anderen Seite einen passenden Untergrund. Da ich nicht wusste, ob es ein Alttier oder Schmaltier war, wartete ich auf das zweite Stück und siehe da, auch dieser, auf die Entfernung sehr große Körper schob sich aus dem Ginster auf die Freifläche. Es war ein Knieper, genauso abnorm, wie der von Max eine Stunde zuvor. Auch er bekam den Knall nicht mehr mit. Das offensichtliche Schmaltier schaute nach ein paar Fluchten etwas verdutzt zu uns rüber, schien sich dann aber doch sehr sicher zu sein, dass wir nicht von der Heu- oder Silagefraktion sind und trat den Rückzug an.

Wenn man das so liest, hoffe ich nicht, dass es überheblich klingt. Wir beide haben leider auch schon oft genug danebengeschossen oder auch Nachsuchen produziert, aber das Wochenende lief wirklich wie am Schnürchen.

Mit einer Stunde Verspätung – Sie können sich denken, wie anstrengend das Bergen war, denn MEIN Pick-up heißt nicht „the flying wheels“ – waren wir dann auch endlich an der Hütte. Alex und Fabio konnten auch ein Stück Damwild erlegen. Alle glücklich, bis auf: Thorsten, korrekt.

Am letzten Tag konnte Fabio noch einen Hirsch erlegen und Max und ich auf der Pirsch ein Schwein. Eine Rotte vergnügte sich in einer Schwarzdornhecke und obwohl wir wirklich direkt danebenstanden, guckte eine immer wieder aus einem Loch zu uns heraus, als wir sicher waren, dass es keine Bache ist, schoss Max auf 2 m Entfernung und der Rest der Bande machte sich lautstark und schimpfend vom Acker. Ein wunderbarer Abschluss eines unvergesslichen Wochenendes. Am Ende legten Max und ich noch unsere Strecke und nahmen das gesamte Wild mit. Das wir wiederkommen, brauche ich, glaube ich, nicht erwähnen oder?!


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