Perfektion in der 6-fach-Zoomklasse
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Perfektion in der 6-fach-Zoomklasse

Text: Johannes Maidhof
Bilder: Lena Rausch & Sebastian Meyer

Der Mai war schon weit fortgeschritten und immer noch hatte es nicht mit dem bestätigten Böckchen geklappt. Es war dieses Jahr wie verhext, zwei Wochen Ostwind, der an dieser Stelle dann aus dem Rücken wehte, dann verhinderten anderweitige Verpflichtungen einen Ansitz und wenn ich es doch einmal raus schaffte, kam der Ersehnte natürlich nicht. Heute wollte ich es nochmal versuchen, die Zeit drängte, denn der Landwirt hatte bereits angekündigt die Kühe wieder einzukoppeln, genau hier, wo ich den Bock schon so viele Male abends stehen sah. Doch auch dieses Mal schien es auf eine Nullrunde hinauszulaufen, die Sonne war bereits eine Weile untergegangen und bisher hatte sich nichts geregt. „Noch eine viertel Stunde“ dachte ich schicksalsergeben, so lange sollte das Licht zum Ansprechen vielleicht noch reichen.

Als dieses schon sehr am Schwinden war, nahm ich von rechts einen schemenhaften Wildkörper wahr. Ich musste mich mit dem Glas schon anstrengen um auf die Distanz etwas erkennen zu können, doch die hellen Stangen verrieten IHN, den voller Hoffnung Erwarteten. Ganz vertraut zog ER wieder auf die Wiese, näherte sich unbekümmert der Salzlecke. Ich war im Anschlag, der Drilling entsichert und auf Einstecklauf gestellt. Die Vergrößerung nahm ich etwas nach unten, um mehr Licht ins Auge fallen zu lassen. ER wollte sich aber nicht so recht breit stellen, nicht so wie ich das gerne hätte und langsam wurde es wirklich ganz schön dunkel....

Als ich merkte, dass ich das feine Absehen kaum mehr erkennen konnte, schaltete ich den Leuchtpunkt zu, ER rückte mit dem Hinterteil etwas zu mir, jetzt würde die Position passen, aber ich wollte nicht schießen, wenn ER das Haupt gesenkt hielt. Das soll man eh nicht tun und bei ihm, dem ich schon all die Jahre nachstelle, liegt mir erst recht daran, dass ihn das Schicksal erhobenen Hauptes ereilt. Also drückte ich den Abzug nach vorne um einzustechen und pfiff leise, auf dass ER sich aufrichten möge...

Das Glas hatte ich mittlerweile auf 4fach heruntergedreht, kurz vor zehn war es bereits geworden, erste Sterne durchbrachen das Nachtblau des Himmels. Der Leuchtpunkt glimmte in sanftem Rot über dem Vorderlauf. Ich krümmte den Finger, das Mündungsfeuer blitzte. Seiner kurzen Flucht konnte ich im dichten Gras gut mit den Ohren folgen, noch vor Erreichen der Hecke ebbte das Geräusch ab. Leises Rascheln zeugte vom letzten Schlegeln, dann kehrte Ruhe ein. Tiefe Stille und die Dunkelheit der Nacht. Es war geschafft.

Die entscheidende Viertelstunde

Oft hört man als Kritik an hochpreisigen Premiumgläsern, dass diese vielleicht eine Viertelstunde länger in der Dämmerung das Sehen ermöglichen würden und dass es darauf nicht ankomme. Doch in manchen Fällen kommt es eben doch darauf an.

Leica kann man sicherlich zu den renommierten Herstellern zählen, wenn es um solche Premium Optiken geht. Das Unternehmen aus dem hessischen Wetzlar, eigentlich bekannt durch Kameras und Objektive, tut sich auch im Bereich Sportoptik, also Zielfernrohre und Ferngläser, durch hohe Qualität und Leistungsfähigkeit hervor. Wohlwissentlich, dass Höchstleistung auch ihren Preis hat, aber nicht jeder im Stande oder Willens ist für High End zu zahlen, wurde mit der Fortis 6 Produktlinie in der gehobenen Mittelklasse entwickelt. Die Serie ersetzt die Visus Modelle und soll hohe Qualitätsansprüche mit einem puristischen Design vereinen.

Ob Ansitzjagd, Pirsch oder Drückjagd – die Fortis 6 Zielfernrohre warten mit drei Modellen auf, die jede Jagdart abdecken:

1 – 6 x 24 für die Drückjagd

2 – 12 x 50 für Pirsch und als Allrounder

2,5 – 15 x 56 für weite Schüsse und die Jagd bei schlechten Lichtverhältnissen

Leica stellte uns für ein Jahr das 50er sowie das 56er Modell zur Verfügung, so konnten wir beide Produkte ausgiebig in der Praxis testen.

Durch den 6-fachen Zoombereich ergeben sich hohe Verstellbereiche, weite Sehfelder auf kleinster Stufe und starke Vergrößerung um das Ziel nah heranzuholen. Die beweglichen Teile sind angenehm zu bedienen, Dioptrienausgleich, Vergrößerung und Verstelltürme punkten mit leichter Gängigkeit. Der Vergrößerungsstellring ist durch seine gerillte Oberfläche griffig gestaltet, um auch eine Bedienung mit Handschuhen einfach zu ermöglichen.

Links am Glas befindet sich die Leuchteinheit, beim 56er Glas ist hier ebenfalls der Parallaxenausgleich angebracht. Der Leuchtpunkt verfügt über neun Leuchtstärken und verfügt über eine Abschaltautomatik. Mit dem Leica-Flaggschiff Magnus kann der Leuchtpunkt vielleicht nicht mithalten, dennoch überzeugt er in der Praxis sowohl auf niedrigster Stufe bei Dunkelheit, als auch mit maximaler Leuchtkraft bei Tageslicht vor hellem Hintergrund.

Die optische Leistung überzeugt komplett. Abbildungsleistung, Kontraststärke, Bildschärfe, Dämmerungsleistung, in allen relevanten Belangen bewegt man sich in Spitzenbereichen, dies ergibt in der Praxis einen hervorragenden Beobachtungskomfort. Auch zu höherpreisigen Optiken muss das Fortis 6 den Vergleich nicht scheuen.

Verpackt ist diese Technik in zeitlos schönes Design: Unauffällig elegant, mit glatt-schwarzem Finish orientiert es sich an der Bauart klassischer Jagdzielfernrohre. Der obligatorische rote Punkt des Leica Logos auf dem Deckel der Leuchtpunkteinheit setzt einen optischen Akzent.

Fazit

Leica ist keine Marke für Geringverdiener und auch die Fortis 6 Reihe ist nicht in der Einsteigerpreisklasse zu verorten. Das 50er kostet in der Basis-Version 1.995 € UVP, für das 56er werden min. 2.245 € UVP aufgerufen. Doch wer hier investiert, wird mit hoher Performance belohnt und bewegt sich leistungsmäßig am oberen Limit. Gutes hat seinen Preis, das sind die Zielfernrohre aber auch wert.


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