Des Jägers Recht: Ansprüche aus dem Pachtverhältnis – wenn man sich als Pächter betrogen fühlt
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Des Jägers Recht: Ansprüche aus dem Pachtverhältnis – wenn man sich als Pächter betrogen fühlt

Text Sandra E. Pappert

Juri vertritt die Ansicht, dass ihm Ansprüche aus einem Pachtverhältnis gegen die Jagdgenossenschaft zustehen. Er ist der Ansicht, dass die Jagdgenossenschaft über ein Jahrzehnt hinweg nie die bejagbaren Flächen und den zu entrichtenden Pachtzins angepasst hat. Juri verfolgt daher mit seiner Auskunfts- aber auch Schadensersatzansprüche gegenüber der Jagdgenossenschaft.

Juri war mehr als 10 Jahre Pächter des betroffenen Jagdreviers.

Das Jagdrevier war mit einer entsprechend bejagbaren Größe zur Jagdnutzung ausgewiesen. Entsprechend war die Pacht berechnet und auch bezahlt worden. Im Verlauf seiner Pachtzeit hatte sich Juri beim Vorstand der Jagdgenossenschaft zwar gelegentlich nach Veränderungen der maßgeblichen Flächen erkundigt, war jedoch stets unter Verweis auf die anhand von Katasterblättern vorgeblich geprüften Flächen mit der Auskunft bedacht worden, dass es keine Veränderungen gegeben habe und dass insbesondere die maßgeblichen Flächen, vor allem die bejagbare Fläche gleich geblieben sei.

Im Rahmen der Verhandlungen über einen neuen Jagdpachtvertrag trat er deshalb mit dem bestimmten Anliegen an den Jagdvorstand heran, die bejagbare Fläche der Gemarkung ordnungsgemäß und korrekt, ebenfalls anhand eines elektronischen Jagdkatasters zu ermitteln und ihm die bisherigen Flächenberechnungen offenzulegen. Dieses Ansinnen war durch den Vorstand der Jagdgenossenschaft jedoch wenigstens ebenso bestimmt abschlägig beschieden worden.

Juri wurde versichert, dass die bejagbare Fläche ordnungsgemäß ermittelt und dass die Angaben in den Pachtverträgen nach wie vor zutreffend sei(en). Dass der Jagdvorstand nach 22 Jahren beanstandungsfreier Pacht durch Juri zudem plötzlich Tendenzen zeigte, die Pacht für das Revier anderweitig zu vergeben, bestärkte Juri in seinem aufkeimenden Verdacht, dass er bewusst über die tatsächlich bejagbare Fläche getäuscht und insoweit durch die Zahlung einer überhöhten Pacht geschädigt worden war.

Weil die Anschaffung eines elektronischen Jagdkatasters, ebenso wie Juri die Einsicht bzw. die Prüfung des von der Jagdgenossenschaft geführten Jagdkatasters verweigert wurde, steht zu vermuten, dass es diese resp. deren Jagdvorstand tatsächlich versäumt o der sogar vermieden hat, seit Pachtbeginn ein ordnungsgemäßes und jährlich überprüftes Jagdkataster zu führen bzw. die Flächenberechnungen ordnungsgemäß vorzunehmen.

Ein Juri vorliegendes Protokoll der Jagdgenossenschaftssitzung indizierte, dass zumindest seit vielen Jahren kein aktuelles Jagdkataster vorgehalten wurde und dass die (auch) in der Satzung der Jagdgenossenschaft verankerte Primärpflicht des Jagdvorstands, nämlich die maßgeblichen Flächen wenigstens jährlich einmal sorgfältig zu bestimmen und zu prüfen, über wenigstens 15 Jahre hinweg verletzt wurde.

Dokumentiert ist damit gleichsam, dass sich die in den Jagdpachtverträgen genannte bejagbare Fläche nach dem durch den Jagdvorstand dazu vertretenen Standpunkt seitdem nicht verändert haben soll.

Weil weder die Jagdgenossenschaft noch die zuständigen Behörden dem Kläger die benötigte Auskunft lieferten, überlegte er, ob er einen möglichen Auskunftsanspruch klageweise geltend machen könne. Hat Juri denn einen dahingehenden Auskunftsanspruch?

Juri hat gegenüber der Jagdgenossenhaft Auskunfts-, Feststellungs- und Ersatzansprüche.

Ein Mitglied einer Jagdgenossenschaft hat nach § 9 des Bundesjagdgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1976 (BGBl. I S. 2849), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 426 – BJagdG – und § 8 des Jagdgesetzes für Hessen, einen Anspruch auf Einsicht in Unterlagen der Jagdgenossenschaft, der er angehört, soweit dies erforderlich ist, um die ihm als Jagdgenossen gegenüber der Jagdgenossenschaft zustehenden Rechte bzw. Ansprüche sachgerecht geltend machen zu können. Insoweit werden nach ständiger Rechtsprechung der Instanzgerichte die Vorschriften für den eingetragenen Verein entsprechend angewendet (vgl. auch Schuck, BJagdG, § 9 RdNr. 8; Mitzschke/Schäfer, BJagdG, 4. Aufl., § 9 RdNR. 3). So hat das Bundesverwaltungsgericht den Grundgedanken des § 34 BGB im Jagdrecht für entsprechend anwendbar erklärt (vgl. Beschl. v. 19. Mai 1969 - I B 10.69 -, DÖV 1970, 353) und auch eine entsprechende Anwendung des § 32 BGB für Jagdgenossenschaften für möglich gehalten (vgl. Beschl. v. 24. April 1985 – 3 B 87.84 – RdL 1985, 271). Weil die jagdrechtlichen Bestimmungen keine Vorschriften über Einsichtsrechte enthalten, ist im Einzelfall zu prüfen, ob die BGB Vorschriften einen allgemeinen für das Körperschaftsrecht verwendbaren Grundsatz darstellen.

Für den eingetragenen Verein enthalten zwar auch die Bestimmungen der §§ 21 ff. BGB keine Kontrollrechte, aber auch für den eingetragenen Verein gilt, dass einem Vereinsmitglied kraft seines Mitgliedschaftsrechts ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Urkunden des Vereins zusteht, wenn und soweit es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen (vgl. BGH, Hinweisbeschl. V. 21. Juni 2010 – II ZR 219/09 -, ZIP 2010, 2397, m.w.N.). Diese Grundsätze lassen sich auf das Recht der Jagdgenossenschaft übertragen, weil sie allgemeiner Ausdruck des auch im Körperschaftsrecht verbreiteten Grundsatzes sind, den Körperschaftsmitgliedern ein Einsichtsrecht in die Vorgänge der Körperschaft, der sie angehören, zu gewähren, sofern ein berechtigtes Interesse hieran dargelegt wird.

Der Umstand, dass es sich bei einer Jagdgenossenschaft um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, schließt einen solchen Rückgriff auf das Vereinsrecht nicht aus. Nach § 9 I BJagdG bilden die Eigentümer der Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören, eine Jagdgenossenschaft; Eigentümer von Grundflächen, auf denen die Jagd nicht ausgeübt werden darf, gehören der Jagdgenossenschaft nicht an. Durch die Zusammenfassung verschiedener Grundstücke zu gemeinschaftlichen Jagdbezirken und die Zusammenführung der jeweiligen Grundstückseigentümer in dazugehörigen Jagdgenossenschaften machte der Gesetzgeber von seiner Einschätzungsprärogative Gebrauch, die rechtlichen Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen, flächendeckenden und interessengerechten Jagdausübung zu schaffen. Durch die Statuierung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken sollte einer schädlichen Entwicklung von Zwergjagdgebieten entgegengewirkt und sichergestellt werden, dass auch Kleinstflächen einer ordnungsgemäßen Bejagung zugänglich sind. Diesem Zweck der Jagdgenossenschaften und deren Aufgaben nach § 19 BJagdG läuft es nicht zuwider, das Einsichtsrecht der Jagdgenossen entsprechend dem Vereinsrecht zu beurteilen, soweit es dem Jagdgenossen dazu dienen soll, die ihm gegen die Jagdgenossenschaft zustehenden Ansprüche zu prüfen.

Juri hat daher ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Jagdkataster für den betroffenen Zeitraum. Denn in dieser Zeit war er Mitglied der Jagdgenossenschaft und als Jagdpächter deren Vertragspartner. Juri hat gegenüber dem Jagdvorstand insoweit auch einen berechtigten Anspruch, dass dieser seiner Primärpflicht mit Blick auf die Unterhaltung eines Jagdkatasters nachkommt und eine jährliche Flächenberechnung zuverlässig vornimmt.

Die Auskunftsteilung bzw. Einsichtnahme in die Unterlagen ist erforderlich, um die die bejagbare Fläche und damit die maßgeblichen Größe für die Höhe der geschuldeten Pacht berechnen und prüfen zu können. Denn das Jagdkataster gibt der Jagdgenossenschaft einen Überblick über die Gesamtsituation hinsichtlich der Grundstücksgrößen und der Eigentumsverhältnisse in ihrem Bezirk und ermöglicht es ihr im Übrigen auch bei Zweifelsfragen hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse in der Jagdgenossenschaftsversammlung eine von den vorgelegten Auszügen aus dem Liegenschaftskataster unabhängige Kontrolle vornehmen zu können (vgl. OVG NW, Urt. v. 17. September 1985 – 20 A 918/84).

Die Jagdgenossenschaft, insbesondere der Vorstand, ist vor dem Hintergrund des § 9 III BJagdG dazu verpflichtet, jährlich ein aktuelles Jagdkataster mit den notwendigen Angaben zu den Eigentümern und für jeden Jagdgenossen zu den anteiligen bejagbaren Flächen zu führen. Aus einem solchem Jagdkataster muss sich ebenfalls zuverlässig die Summe der Gesamtfläche sowie der bejagbaren Flächen des Gemeindebezirks ergeben. Nur bei Führung eines stets aktuellen Jagdkatasters können in der Versammlung ordnungsgemäß – nämlich mit den erforderlichen Mehrheiten – Beschlüsse gefsst werden. Denn die Wirksamkeit eines Beschlusses ist während der Versammlung anhand des Jagdkatasters nachzuprüfen (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 17. September 1985 . 20 A 918/84; VG Minden, Urt. v. 24. Januar 1986 – 8 K 1672/84).

Eben diese Verpflichtung wird der Jagdgenossenschaft auch durch § 7 IV Nr. 2 der Landesverordnung zur Durchführung des Landesjagdgesetzes sowie durch § 13 II Nr. 2 der Mustersatzung für Jagdgenossenschaften auferlegt. Diese Bestimmungen verpflichten die Jagdgenossenschaft zur gewissenhaften Führung eines aktuellen Jagdkatasters.

Genau aus diesem Grund hatte die Jagdgenossenschaft in § 2 II der Satzung ausdrücklich in dem vorliegenden Falle eine entsprechende Regelung aufgenommen: „Die Größe der bejagbaren Flächen ist zum 1. April eines jeden Jahres festzuhalten.“

Jährlich festzustellen und im Jagdkataster festzuhalten ist mithin zum einen die Größe des gesamten verpachteten Jagdbezirks, zum anderen die Größe der bejagbaren Fläche und zwar unter Angabe des Flächenanteils eines jeden einzelnen Jagdgenossen. Es ist somit eine Abgrenzung der einzelnen Grundflächen nach deren Bejagbarkeit und die Überprüfung der korrekten und vollständigen Erfassung der Grundflächen entlang der Jagdbezirksgrenzen vorzunehmen. Eine solche vor allem zuverlässige Berechnung ist jedoch von der Jagdgenossenschaft über 22 Jahre augenscheinlich nicht vorgenommen worden.

Die Führung eines aktuellen Jagdkatasters hat zum einen den Grund, dass die Anteile der einzelnen Jagdgenossen an Nutzungen und Lasten der Jagdgenossenschaft, insbesondere der anteilige Reinertrag, jeweils nach der Größe der bejagbaren Grundfläche im Jagdbezirk (§ 15 I der Mustersatzung für Jagdgenossenschaften) errechnet werden. Die Verpflichtung der Jagdgenossenschaft, jährlich ein Jagdkataster anzulegen und zu führen, wird einheitlich durch die Rechtsprechung bestätigt, denn erst hierdurch werde es der Jagdgenossenschaft möglich, einen Überblick über den Jagdbezirk zu gewinnen, um beispielsweise bei Zweifeln hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse in der Jagdgenossenschaftsversammlung eine Kontrolle ausüben zu können (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 17. September 1985; VG Minden, Urt. v. 24. Januar 1986).

Bei der Berechnung der bejagbaren Fläche sind nach ständiger Rechtsprechung nicht nur die Flächen, die nach § 6 BJagdG i.V.m. LJagdG jagdbezirksfrei oder befriedet sind von der Gesamtfläche des Jagdreviers abzuziehen, sondern auch solche, auf denen nach § 20 I BJagdG die Jagd eingeschränkt ist. Durch beide Flächenarten wird das Jagdausübungsrecht beeinträchtigt (vgl. u.a. LG Bonn, Urteil vom 3. Juni 2011, Az.: 2 O 366/09). Nach § 20 BJagdG darf an Orten, an denen die Jagd nach den Umständen des Einzelfalls die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit stören oder das Leben von Menschen gefährden würde, nicht gejagt werden (vgl. Korz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht, 4. Auflage 2011, § 20 Rn. 1). De facto ergibt sich hieraus eine Einschränkung der Flächen, auf denen die Jagd tatsächlich ausgeübt werden darf, und damit auch der Werthaltigkeit des Jagdausübungsrechts, selbst wenn es sich nicht um ein Dauerverbot wie bei § 6 BJagdG handelt (hierzu vgl. Schuck - G. Welp Bundesjagdgesetz, 2010, § 20 Rn. 3).

Denn seit der Bekanntmachung des BJagdG im Jahr 1979 hat sich in der Gesellschaft und in dieser hinsichtlich des Ansehens der Jagd und der Jäger ein massiver Wandel vollzogen. Die Jagd ist in den Augen der Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr „normale“ Form einer Nutzung natürlicher Ressourcen, neben Ackerbau, Viehzucht und Forstwirtschaft. Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen. In der speziellen Situation von Kurparkflächen, Sportanlagen, Parkplätzen, Friedhöfen usw. ist danach zu berücksichtigen, dass sich auf solchen Flächen Menschen aufhalten, die einen Ort der Ruhe, des Friedens und der Entspannung suchen. § 20 BJagdG führt deshalb neben § 6 BJagdG zu einer Einschränkung des Jagdausübungsrechts und somit zu einer Kürzung der bejagbaren Fläche. Herauszurechnen sind ebenfalls extra hierfür angelegte Wander-, Spazier-, und Radwege, weil es mehr als möglich erscheint, daß sich auf diesen Wegen bewegende oder davon abkommende Spaziergänger und Radfahrer verletzt werden könnten, was eine Störung des unter die öffentliche Sicherheit fallenden Rechtsguts der Gesundheit des einzelnen zur Folge hätte. Die öffentliche Sicherheit umfasst insoweit alle subjektiven Rechte, die Rechtsgüter des Einzelnen, die objektive Rechtsordnung sowie der Schutz des Staates und seiner Einrichtungen (vgl. Schuck - G. Welp Bundesjagdgesetz, 2010, § 20 Rn. 7).

Die regelmäßige Prüfung des Jagdkatasters sollte für einen jeden Pächter daher nahezu eine Pflicht bedeuten. Es stellt sich daher summa summarum für einen jeden Pächter die Frage: Wie aktuell ist das Jagdkataster, auf welchem mein Pachtvertrag basiert?


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