Mankei-Jagd in den Bergen
Jagdgeschichten

Mankei-Jagd in den Bergen

Text & Bilder Ales Maxa

Noch vor ein paar Jahren hatte ich keine Ahnung, was Worte wie Mankei, Bär, Katze oder Affen im Zusammenhang mit Murmelwild wohl heißen könnten. Ich hatte Glück, dass ich meine Vokabel-Kenntnisse dank meinem Freund Dominic verbessern konnte.

Bevor ich aber zu meinem letzten Murmeljagd-Erlebnis komme, möchte ich hier etwas Theorie aufführen, denn nicht alle Jäger haben einen guten Überblick über das Leben von Murmeltieren. Oben angeführte Vokabeln zum Beispiel: das männliche Stück wird „Bär“ genannt, das weibliche „Katze“ und deren Jungtiere sind dann eben die „Affen“. Man kann also in den Alpen interessanterweise problemlos auf Affen treffen.

Murmeltiere sind in etwa so groß wie ein Hase, nur in der Regel kompakter und schwerer. Die Körperlänge beträgt 50-60 cm, die Rute ist dann 10-25 cm lang. Die meisten Stücke wiegen zwischen drei und sechs Kilo – es hängt viel davon ab, wie nahrungsreich das jeweilige Revier für diese Wildart ist. Die Trächtigkeit dauert 34 Tage, die Katzen setzen dann von zwei bis sechs Affen. Murmel leben monogam in einer dauerhaften Einehe. Dabei sind sie erst im dritten Jahr geschlechtsreif und können bis zu 15 Jahre alt werden, wenn sie nicht zum Beispiel ihren natürlichen Feinden zum Opfer fallen, besonders Füchsen, aber auch Steinadler oder Uhu; auch der erste Winter ist besonders für die Jungtiere sehr gefährlich, wenn sie nicht genügend Zeit hatten, sich den nötigen Winterspeck anzufressen.

Die soziale Struktur ist von einem Familienverbund mit 10 bis 20 Stücken geprägt. Die Affen bleiben mit den Eltern zwei bis drei Jahre zusammen. Die Reviergröße beträgt im Durchschnitt rund zwei Hektar, wobei die Familienmitglieder ihre Reviere intensiv gegen andere Artgenossen verteidigen. Der Bau liegt einige Meter unter der Erdoberfläche, seine Gänge können eine Länge von 10 bis zu 70 Meter haben. In Gebieten mit einer hohen Population und damit mehreren Bauen kann es zu Problemen mit Bauern kommen, wenn deren Vieh sich in den Grabungen ein Bein bricht. Ab Oktober bis in den April hinein halten Murmel Winterschlaf; dieser wird aber alle drei bis vier Wochen unterbrochen, wenn die Tiere ihren Darm entleeren.

Bekannt sind die Murmeltiere durch ihre Pfiffe. Es gibt eigentlich zwei Arten von Murmelpfiffen: der kurze heißt „Gefahr! Schnell in Bau!“; mehrere Pfiffe hintereinander warnen die anderen Artgenossen „Vorsichtig! Eine mögliche Gefahr!“

Soviel in aller Kürze mal als Einstieg und als das Wichtigste über Murmeltiere. Und wie ist nun unsere letzte Murmeljagd in Osttirol abgelaufen? Wie im Jahr zuvor begleitete mich mein Junior Vojta – erst seit dem letzten November spielt er Parforcehorn, aber da er Flöte und Klarinette in der Musikschule gelernt hat, macht er auch mit dem Horn gute Fortschritte - und in diesem Jahr begleitet er mich als Jagdhornbläser auf meinen Jagden. In diesem Fall sollten also tschechische Jagdhornsignale in den Alpen zum ersten Mal geblasen werden.

In Budweis treffen wir uns mit einem Teil unserer Jagdgruppe – Ruda und Ondra fahren mit in unserem Auto, zwei weitere Jäger fahren mit ihrem eigenen Wagen. Auch aus Nordmähren kommen drei Jäger dazu, sie sollten wir erst am Ziel unserer Reise treffen. Die Fahrt verläuft glatt, ohne Staus treffen wir uns wie geplant um 14 Uhr mit Dominic in einer Pension unweit vom Revier. Die anderen sind kurz vor uns eingetroffen, also alles läuft soweit bestens. Nur das Wetter macht mir ein bisschen Sorge. Es ist teilweise bewölkt und nach der Wettervorhersage könnten uns einige Regenschauer erwarten. Egal, wir können nichts dagegen machen, hoffentlich spielt das Wetter mit – in den Bergen kann es sich ja völlig unerwartet innerhalb von Minuten radikal ändern. Wir steigen wieder in die Autos und fahren in einer knappen Stunde von rund 700 Höhenmetern in das auf 2.000 m gelegene Revier. Dort treffen wir uns mit Dominics Vater Winfried und besprechen die Pläne für den heutigen Nachmittag. Dominic geht dann mit der mährischen Gruppe, Winfried und ich mit unserer böhmischen. Bevor wir uns verteilen, kommt Vojta mit seinem Horn zu Wort. Die tschechischen Signale klingen durch das Tal und machen die Atmosphäre echt feierlich.

Unsere Gruppe zieht in die Richtung einer Seilbahn los, Dominic & Co. pirschen zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Direkt hinter der Seilbahn sehen wir schon die ersten Murmel! Wir kennen sie schon aus den vorigen Jahren – sie sind nicht so scheu und vorsichtig wie die meisten anderen und lassen uns ziemlich nahe heranpirschen. Meine Kollegen sind begeistert, so nah haben sie Murmel noch nie gesehen. Logischerweise aber sind diese fast zahmen Tiere nicht unser Ziel.

Kaum weiter als 200 m von unseren Autos entfernt sehen wir vor uns „wilde“ Murmel. Winfried beobachtet aufmerksam drei Tiere, die auf einem großen Steilstück faulenzen. „Hier lebt ein alter Bär,“ kommentiert er die Situation mit seinem Glas vor den Augen. Mit „Heute ist er aber wohl nicht da!“ beendet er dann die Beobachtung und wir gehen weiter.

„Dort, unter uns!“ melde ich meine Entdeckung mit der Begeisterung, mit der ein Flachlandjäger endlich mal ein Stück Wild schneller als der einheimische Jäger gesehen hat. Zirka 300 m unter uns sehen wir einen Murmel im Gras. Eine seltene Ausnahme, doch macht sie mir Freude. „Wer wird jagen?“ fragt Winfried nach der Reihenfolge der Jäger. Der erste Jarda - wir haben in diesem Jahr zwei mit diesem Namen dabei- sollte es sein! Er, Winfried und ich pirschen vorsichtig nach unten in die Richtung des Murmel, die restlichen Jäger bleiben auf dem Steig.

Winfried sucht einen passenden Platz für Jarda. Dieser macht es sich auf dem Boden bequem, mit dem Rucksack unter der Kombinierten bereitet er sich die passende Position für einen sicheren Schuss. „Warte, bis er breit steht!“ lautet der Befehl von Winfried. Zwei, drei Minuten aber bewegt sich der Murmel überhaupt nicht. Auf einmal rennt er plötzlich vorwärts – „Wird er im Bau verschwinden?“ fragen sich wahrscheinlich alle Betrachter der Szenerie gleichzeitig. Doch dann donnert der Schuss durch das Tal, gerade im allerletzten Moment, als das Stück noch einmal kurz verhofft. Es macht keinen weiteren Schritt und bricht sofort zusammen. Der erste Murmel der Gruppe liegt!

Was mir bei Winfried und Dominic immer imponiert, ist ihre Konsequenz in Sachen Jagdtradition: ihre Bemühungen, den letzten Bissen schön und ordentlich ausschauen zu lassen, sind wirklich sehr detailverliebt und sorgsam. Aber so sollte es auch sein! Jarda ist sehr froh, seinen Murmel mit einem guten Schuss auf zirka 100m erlegt zu haben, mit großer Freude übernimmt er von Winfried den Bruch.

Super, so läuft es bestens! Wir pirschen weiter, bemerken aber besorgt, dass sich uns schwarze Wolken nähern. Auch das Wetterradar zeigt Regen, der uns wohl bald erreichen soll. Nicht weit vom Erlegungsort des ersten Murmel sehen wir glücklicherweise an gleich drei Stellen weitere Mankei. Winfried spricht alle Stücke mit seinem Fernglas sorgsam an und sucht ein passendes Stück aus. Über ein kleines Tal vor uns hinüber können wir insgesamt fünf Stück sehen, über ihnen dann noch ein einzelnes, starkes – anscheinend ein alter Bär. Langsam und vorsichtig pirschen wir an eine Kante, die uns Deckung gibt, und an der sich Jarda Nr. 2 eine gute Schussposition suchen kann. Alles passt, Jarda zielt… aber der Bär ist offensichtlich zu Stein erstarrt. Eine Minute… fünf Minuten… Keine, wirklich gar keine Bewegung! Lebt der noch? Jarda hat doch noch gar nicht geschossen! Jetzt aber! Der Murmel bewegt sich ein wenig abwärts und weicht kurz zur Seite. Für einen kleinen Augenblick zeigt er auch sein Blatt... Nach dem Schuss verschwindet das Stück sofort in einem nahegelegenen Bau. Lebend und unverletzt! Winfried steigt hinüber zum Bau, um den Anschuss zu kontrollieren – kein Schweiß, keine Schnitthaare, gar nichts! Gott sei Dank wenigstens nicht krank…! Auch das gehört zur Jagd – vielleicht hat Jarda Nr. 2 einfach zu lange gezielt und deswegen gefehlt.

Plötzlich ist der Regen da, sind die schwarzen Wolken über uns und schon können wir die ersten Tropfen spüren. Zum Glück sind unsere Autos ganz in der Nähe (hinter einem Elektrozaun, damit sie nicht von den Kühen, die hier überall sind, beschädigt werden). Sie stehen direkt neben einer Seilbahnendstation, an der wir uns auch vor dem Regen verstecken können.

Die andere Gruppe ist kurz darauf ebenfalls wieder da – und auch sie haben einen Murmel. Wir warten nicht lange, weil der Regen schnell vorbei ist, und fahren zur Hütte. Diese Hütte ist ein Traum für alle Jäger, die eine Atmosphäre wie aus längst vergangenen Zeiten lieben. Sie wurde vor mehr als 100 Jahren gebaut und bietet eine wunderschöne Aussicht ins Tal. Ein größeres Zimmer (mit einem Ofen, einem Tisch, einer Bank und einem Bett), ein kleines mit zwei Stockbetten und ein Raum mit Holz sind zwar eine sehr einfache Ausstattung, aber sehr gemütlich und bietet einem alles, was man hier braucht.

Vojta bläst zum Abschied des heutigen Tages Signale und Dominic macht Feuer im Ofen, denn man kann die Kälte nach dem Regen schon deutlich spüren. Wir alle haben hier einen sehr gemütlichen Abend, dann fahren Dominic, Vojta und ich zu einer anderen Hütte, da diese hier für uns alle zu klein wäre. Diese zweite Unterkunft ist deutlich „moderner“, vor ein paar Jahren von Winfrieds Familie gebaut, aber auch sehr gemütlich und ebenfalls mit einer herrlichen Aussicht. Ein kleines Abendessen noch und dann schnell ins Bett, morgen in der Früh geht es weiter!

Ein herrlicher Morgen begrüßt uns, der Himmel spielt mit den verschiedensten Farbtönen von gelb über orange und rot bis hin zu lila. Wieder treffen wir uns an der Seilbahnendstation – Dominic holt noch die Jäger von der Hütte und Winfried ist auch schon da, er hat zu Hause im Tal übernachtet. Die Gruppenaufteilung bleibt wie gestern, wir wünschen der anderen Gruppen ein kräftiges Waidmannsheil und steigen ein bisschen nach unten.

Es dauert nicht lange, schon sehen wir die ersten Mankei – auch den, den wir gestern gefehlt haben, von oben ist er gut zu sehen. Nach kurzer Absprache zieht wieder Jarda Nr. 1 los – zusammen mit ihm und Winfried pirschen wir sehr langsam nach unten. Hier sollte es passen. Hm, eher doch nicht, lieber noch nach unten, wo wir eine bessere Aussicht haben. Die Murmel sind irgendwie nervös, sie haben uns in Anblick bekommen. Jarda muss schnell schießen, sonst wird der auserwählte Bär wieder im Bau verschwinden. Er ist ein guter Schütze! Nach dem Schuss bleibt auch dieser Murmel im Feuer liegen. Das zweite Waidmannsheil für Jarda Nr.1! Sehr schön!

Die Jagd geht heute sehr schnell und leicht (mein langjähriger Jagdfreund Thomas sagt immer: Es muss leicht gehen! Und ich stimme ihm hundertprozentig zu!). Es ist noch nicht einmal Mittag und wir alle treffen uns schon wieder an unseren Autos. Jeder Jäger hat Waidmannsheil gehabt, sieben Murmeltiere liegen auf der Strecke! An der Hütte brechen wir das Wild auf und versorgen es, denn alle sollen zu Vollpräparaten werden. Auf einem Hügel vor der Hütte legen wir sorgfältig Strecke, Vojta bläst zum Abschluss dieser erfolgreichen Jagdtage feierliche Signale und ich bedanke mich bei Winfried und Dominic für die wunderschönen Momente, die wir immer im späten Sommer im Revier der beiden verbringen dürfen.

Und wissen Sie was? Ich muss mich auch bei Facebook bedanken, weil ich dort, „im Netz“, Dominic kennengelernt habe. Seit einigen Jahren schon genießen wir die gemeinsame Jagd nicht nur hier in den wunderschönen Alpen, sondern auch bei uns zuhause in Tschechien, wenn Dominic uns besucht. Schön, dass die virtuelle Welt auch einmal was für die reale bringen kann!


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