Der alte Bock aus dem Kahlschlag
Jagdgeschichten

Der alte Bock aus dem Kahlschlag

Text & Bilder Ales Maxa

Die Trophäenschau. Eine Möglichkeit, an Ort und Stelle die meisten Trophäen aus der Gegend vom Vorjahr zu sehen und sicher auch immer ein Stück was dazu zu lernen. Alter, Geweihentwicklung, Erlegungsort, alles oft interessante Fakten, die Jäger diskutieren lassen. Leider geht der Trend in Tschechien und anderen Ländern, meiner Meinung nach, in eine falsche Richtung. In vielen Fällen werden die Trophäen nicht mehr vorgelegt. Oft wegen möglichen Neides, oder auch wegen Angst vor einem Falschabschuss und den daraus folgenden Anfeindungen und Lästereien, vielleicht sogar Sperrungen. Im Gegenteil zu diesen immer öfter entstehenden Situationen, weht in Revieren der tschechischen Truppenübungsplätze ein anderer Wind. Hier werden fast alle Trophäen ausgestellt, nur wenn die Trophäe an einen Jäger im Ausland geht, sind diese Trophäen nicht ausgestellt, dann hängen jedoch wenigstens die Fotos vor Ort.

Viele Jäger aus dem deutschsprachigen Raum fragen mich oft, wie groß die TrÜbPl-Reviere in Tschechien sind und wie die Jagd dort durchgeführt wird. Das gesamte Gebiet von allen TrÜbPl gehört dem Verteidigungsministerium und es dient zur Übung vom Militär (nicht nur den tschechischen, sondern oft auch von anderen NATO Ländern). Die Staatsorganisation Militär Forst- und Landwirtschaft bewirtschaftet dann diese Flächen von allen TrÜbPl in Tschechien. Heutzutage handelt sich um 6 Gebiete (Hořovice, Horní Planá/Böhmerwald, Karlovy Vary/Doupov, Mimoň, Plumlov und Lipník nad Bečvou/Libavá). Insgesamt handelt sich um 126.000 ha Wald- und 6.000 ha Landwirtschaftsflächen.

Ich persönlich jage besonders in Revieren Libavá, Doupov und Horní Planá. Besonders Libavá und Doupov sind, meiner Meinung nach, ein Paradies für jedes Jäger Herzen. Doupov liegt auf der Fläche von 35.446 ha östlich von Karlsbad und was interessant ist, kommen in diesem Revier in freier Wildbahn alle Wildarten vom Schalenwild vor, die in Tschechien leben: Rot-, Sika-, Dam-, Muffel-, Reh- und Schwarzwild. Und dazu sehr viel Füchse, Waschbären und anderes Raubwild. Dieses Revier befindet sich bis Höhe von 934 m und was ich persönlich sehr interessant finde, ist der Fakt, dass in diesem Revier mit so viel Schwarz- und Raubwild es eine gute Population von Fasanen gibt. Und dazu auch noch Population von Birkhähnen – obwohl die Zahl von diesen wunderschönen schwarzen Vögeln nach unten geht. In der letzten Jagdsaison wurden in diesem Revier z.B. 240 Rothirsche (davon 4 mit Silber und 9 mit Bronze Medaille), 443 Sikahirsche (davon 5 mit Gold, 9 mit Silber und 13 mit Bronze Medaille) und 288 Rehböcke erlegt.

Das Revier Libavá erstreckt sich auf einer Fläche von 33.391 ha und liegt in Mähren in der Nähe von Olmütz. Dieses Revier ist besonders interessant für Rotwild, man spricht dort von der stärksten Population des Landes. Der stärkste Hirsch, der hier erlegt wurde, hat 241,78 CIC Punkte und war der stärkste Hirsch, der in der freien Wildbahn in Tschechien je erlegt wurde. In einem Teil dieses Reviers lebt auch eine sehr gute Population von Muffeln, die mit 3 Jahren schon die Goldmedaille erreichen.

Seit einigen Jahren wird die Trophäenschau auf einer Wiese bei einer Jagdhütte organisiert. Die Lage ermöglicht, dass für jede Trophäe ausreichend Platz ist, aber auch dass viele Besucher kommen können. Im letzten Jahr waren es 7.000 Besucher, davon 600 Kinder, für die immer spezielle Begleitprogramme vorbereitet werden.

Wie ich schon erwähnt habe, nutze ich solche Events, um wieder etwas Neues über das Wild zu lernen. Jedes Jahr fahre ich mit meinem Junior hin und weil es eine lange Strecke für uns ist, verbringen wir immer das ganze Wochenende in dem Revier – auch zum Jagen und Angeln. Und in diesem Jahr war es nicht anders. Egal wo ich jage, ich bevorzuge es immer im Revier untergebracht zu sein und die Jagdhütte in Libavá, wo wir immer übernachten, könnte nicht besser sein – eine Holzblockhütte ohne Wasser, ohne Strom - fast ohne Handy-Signal. Was kann sich ein Jäger mehr wünschen. Mit Pavel, meinem Jagdfreund und Pirschführer, der hier als Förster arbeitet, haben wir alles vorher abgestimmt und erledigt – meinen Begehungsschein für dieses Revier und eine Eintrittsbewilligung für das Militärgebiet. Es gibt einen Nachteil für die Jagden in diesem Revier und das ist die sehr lange Fahrt. Über 4,5 Stunden mussten wir uns durch den Freitagsverkehr quälen, haben es aber noch rechtzeitig zum Abendansitz geschafft.

Auf dem Weg durchs Revier zur Hütte, haben wir überraschenderweise kein Wild in Anblick bekommen. Auf dem Weg zur Pirsch sollte es sich aber schnell ändern – nicht weit unterhalb der Hütte, sehen wir schon ein Rottier mit seinem Kalb, dann wieder ein Damwild Schmaltier und in der Nähe von dem Fluss Oder bricht in der Wiese ein starkes, einzelnes Stück Schwarzwild (das Gras ist ziemlich hoch und wir haben nicht sehen können, ob Frischlinge dabei sind). Es fängt nicht schlecht an! Pavel hat erwähnt, dass auf einem großen Kahlschlag ein guter alter Bock gesichtet wurde. Wir werden es probieren, vielleicht haben wir Glück. Wir parken unser Auto auf einem Holzabladeplatz, der voll von Borkenkäfer Fichtenstämmen ist. Ich habe nicht erwähnt, dass Libavá mit einer Borkenkäfer Katastrophe kämpft. Riesige Kahlflächen, die immer wieder noch grösser werden, zeigen, was der kleine Borkenkäfer anrichten kann.

Der Plan für unsere Pirsch ist klar – zuerst pirschen wir nach unten zur Oder, dann über einen Hügel zurück, gerade zu dem Kahlschlag, wo der Bock gesichtet wurde. Unglaublich, wie sich die Gegend hier geändert hat – wir waren hier zuletzt im Dezember und jetzt? Da fehlen wieder riesige Waldflächen, wo der Borkenkäfer wieder zugeschlagen hat. Langsam und vorsichtig pirschen wir bergrunter, links ist eine Verjüngung, rechts nur Reste von einem Fichtenbestand. Wir sind fast unten auf dem Forstweg, als ich vor uns im Gras etwas sehe. Ein Rotwildalttier mit seinem Kalb und einem Spießer. Leider haben wir schlechten Wind und sie springen gleich ab. Naja, ein paar Fotos haben wir machen können. Weiter geht es, steil bergauf! „Papa, ich mag dieses Gelände nicht,“ kommentiert mein Junior unseren Aufstieg. Ein paar Schritte noch, dann sind wir hoch genug, dass wir unten zur Oder und auf den Hang gegenüber von uns sehen können. „Schau vor uns,“ gibt mein Junior klares Signal. Ja! 10, nein, 13 Stück Rotwild. Alles Tiere und Kälber. Und auf einmal taucht ein guter Hirsch hinter den Stücken dazu auf. Und dazu… wir hören starkes Krachen unter uns – ein weiterer alter Hirsch hat wahrscheinlich Wind bekommen und quert gerade den Fluss. So eine wunderschöne Szenerie vor uns… Sie können sich das gar nicht vorstellen...

Wir möchten ja aber schauen, ob wir den alten Bock in Anblick bekommen, dann müssen wir weiter gehen. Wir pirschen auf einem schmalen Forstweg durch einen Jungbestand und sind kurze Zeit später bei dem Kahlschlag. So ein trauriges Bild vor uns – in dieser Gegend haben wir einige Jagderlebnisse erlebt. Und nun ist hier nur noch Leere. Hektar über Hektar. Aus meinen Gedanken weckt mich Vojta: „Papa, Rotwild vor uns,“ Ja, genau, 300 m vor uns ist ein Hirsch mit ein paar Stück Kahlwild. Aber da stimmt was nicht! Eine Gais ist dabei und sie ist nicht alleine. Der alte Bock ist auch mit von der Partie! Was nun? 300 m offenes Gelände vor uns, das geht nicht. Wir müssen nach unten, wo wir hinter einem Hügel versteckt sind. Und dann von unten direkt durch den Kahlschlag zu dem Bock. Es gibt ein paar Bäume dazwischen und auch höhere Gebüsche, hinter denen wir versteckt bleiben können. Soweit so gut, Vojta und Pavel bleiben aber hier stehen und ich pirsche alleine weiter. Langsam, nur mit meinem Dreibein. Ich muss sehr vorsichtig sein, weil das Rotwild noch dabeisteht und 100 Lichter hat. Nach einer Zeit schaue ich, wie sich die Situation verändert hat. Das Rotwild ist weg, aber der Bock noch da. Das Gebüsch, das mir zuerst geholfen hat, verdeckt zu bleiben, verhindert mir jetzt, einen guten Schuss abzugeben - irgendetwas ist ja immer. Mit meiner 6,5 wäre es zu riskant, durch die Äste zu schießen. Der Bock wartet aber nicht und zieht von mir weg. So langsam und vorsichtig, wie es nur geht, pirsche ich hinter ihm her. 10, 20 m… Dann stelle ich mein Dreibein auf. Wo ist die Gais? Die sehe ich hier nirgendwo! Kratsch! Ein Ast bricht, als ich auf ihn steige. Der Bock nimmt mich gleich wahr. Ich habe den Bock im Zielfernrohr, doch es sind immer noch Äste vor ihm und jetzt schreckt auch noch die Gais, die ich nicht sehen kann. Der Bock wartet nicht und springt ab. Bald verswindet er im Gebüsch. Langsam gehe ich zurück. „Ich zittere immer noch,“ sagt Vojta, als ich zurückkomme. Kein Problem, so einen schönen Abend in diesem Revier zu verbringen, ist immer ein Genuss, auch ohne Waidmannsheil! Auf dem Weg zur Hütte sehen wir wieder viel Wild – zirka 10 Stück Rotwild, 2 Rotten Wildschweine und Damwild. Es heißt schnell schlafen, weil der Wecker um 3:30 Uhr klingelt - grausam.

Die morgige Pirsch in der nahen Umgebung der Hütte war wieder ein Erlebnis – 4 Böcke (kein Abschussbock), einige Stücke Rot- und Damwild und dazu ein wunderschöner Sonnenaufgang. In diesem Moment haben wir die Jagd total vergessen und haben eine Menge Fotos gemacht. Es lohnt sich doch so früh aufzustehen. Unser Plan für den Vormittag war klar: Nach dem Frühstück gleich ins Bett und schlafen, schlafen, schlafen.

Ausgeschlafen geht es mittags zur Trophäenschau „Papa, es ist immer ein Jammer! Wenn wir dort sind, hast Du keine Zeit und redest nur mit Deinen Freunden,“ kommentiert Vojta die anstehende Situation aus seiner Sicht. Ja, das stimmt, deswegen mag ich diese Treffen, weil man „alte“ Freunde trifft und sich austauschen kann. Und wie war der Weg zu der Schau? Wieder haben wir Schwarz- und Rotwild in Anblick bekommen - einfach wunderbar.

Bei der Trophäenschau gibt es viel zu sehen, auch für Kinder, besonders Forstpädagogik für die kleinsten Besucher und Kälber, Schafe, Hühner und weitere Tiere sind sehr beliebt. Dann die Ausstellung von Border-Terriern, ein Zugleistungswettbewerb von Kaltblütern, Militärtechnik und noch einiges anderes. Und die Trophäen? In der letzten Saison wurden 238 Hirsche erlegt, davon einer mit Gold (und ein Fallstück), 12 mit Silber und 30 mit Bronze-Medaille. Hier sieht man, dass die Qualität der Population immer noch hoch ist. Trotzdem kann man sehen, dass der erhöhte Abschussplan von den letzten Jahren eine negative Auswirkung auf die Qualität der Trophäen hat – obwohl viele Hirsche die Länge der Stangen gegen 1 m haben, sieht man, dass die Länge in den letzten Jahren im Durchschnitt zurück gegangen ist.

Nach diesem schönen Nachmittag steht die Abendpirsch an. Wir suchen uns einen Platz im Kahlschlag, wo wir einen guten Ausblick haben und hoffen, dass der Bock wiederkommt. Leider spielt der Wind nicht mit. Der Platz muss eher am Rand des Kahlschlages sein, damit der Wind nicht direkt hineinzieht. Wir verstecken uns hinter einem umgefallenen Baum. Der Kahlschlag ist ziemlich wellig, das heißt, dass der Bock auch nur einen Schritt machen muss und dann ist er entweder sichtbar oder nicht.

So lange mussten wir gar nicht warten, als ein Stück Rehwild vor uns auf zirka 250 m herauszieht. Es ist unser Bock! Doch wieder steht er so, dass er von Gebüschen verdeckt ist. Vojta und Pavel bleiben sitzen und beobachten meine Mühen, den Bock näher anzupirschen. Leider wartet der Bock auch heute nicht und zieht weiter. Ich muss weiter hinter ihn. Doch auf einmal schreckt ein Stück Rotwild rechts vor mir. Der Bock springt weg, so auch ein Rotschmaltier. Ok, also der Bock hat gewonnen! „Ich habe das Schmaltier auch nicht gesehen,“ meldet Vojta, als ich wieder bei ihm stehe. „Es war aber wieder spannend,“ fügt er hinzu.

Wieder so viele, tolle Erlebnisse, ich hänge meinen Gedanken nach, als Vojta vorschlägt noch nach unten zur Hotel-Kanzel zu pirschen (wie sonst sollte eine große Kanzel mit einem Bett heißen). Wir haben noch Zeit, also machen wir und auf den Weg. Wir pirschen noch nicht lang auf dem Forstweg, als wir ein Stück Rehwild vor uns auf der Wiese stehen sehen. Fernglas hoch und ja, der Bock passt. Ich bereite mein Dreibein vor, schaue noch kurz zu Vojta und Pavel und gebe ihm Signal, dass ich schießen werde. Durch das Tal knallt der Schuss und der Bock bricht zusammen und bleibt im Feuer liegen. Erst jetzt spüre ich die Nervosität, so schnell kann es manchmal gehen.

Vojta bläst das Signal „Bock tot“, „Waidmannsheil“ und „Halali“ - ein wunderbarer Moment, den wir gemeinsam erleben. Ich bin glücklich und berührt, wenn ich neben ihm in diesem Moment stehe und die Klänge höre.


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