Hundeausbildung: Mit Temperament und Leidenschaft
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Hundeausbildung: Mit Temperament und Leidenschaft

Text: Johannes Maidhof, Lea Zigric
Bilder: Johannes Maidhof

Lea Zigric ist Studentin, bildet aber selbst schon Jungjäger und Hundeführer aus. Wir haben die 25-jährige im Vorbereitungskurs für die Brauchbarkeitsprüfung und in ihrem jagdlichen Alltag begleitet.

8 Uhr morgens irgendwo im Taunus, die Sonne steht schon hoch an diesem Junimorgen, es wird ein heißer Tag erwartet. Gerade treffen die letzten Teilnehmer des Hundeführerlehrgangs ein, die sich mit ihren vierbeinigen Jagdbegleitern in zwei Monaten der Brauchbarkeitsprüfung stellen wollen. Woche für Woche wird nun sonntags Schweiß gearbeitet, abwechselnd in zwei Gruppen, weil der Andrang seit Jahren groß und der Platz begrenzt ist. Lea begrüßt die Teilnehmer, weist nochmal auf die zu vermeidenden Fehler hin, die beim letzten Termin aufgefallen sind. „Denkt daran, umzugreifen, nicht den Riemen aus der Hand lassen. Der Hund hat zu jeder Zeit gesichert zu sein.“ Allgemeines Nicken, dann folgt die Einteilung der Gespanne auf die Fährten. Lea begleitet die eine Hälfte der heutigen Aspiranten, während der Obmann des Jagdvereines die andere Hälfte betreut. Beide simulieren bei diesen Übungen die Prüfungsrichter, weisen die Hundeführer am Anschuss ein, begleiten ansonsten still beobachtend die Gespanne und greifen nur bei groben Fehlern schon während der laufenden Suche ein. Jedes Gespann wird dabei von mindestens zwei Personen begleitet, da auch dies der echten Prüfungssituation entspricht. Auf dem Weg zum simulierten Anschuss wird geplaudert, ein bisschen Smalltalk, flotte Sprüche und Neckereien, „das schafft eine vertraute Atmosphäre und hilft Nervosität abzubauen. Auch auf die Hunde wirkt es sich positiv aus, wenn ihre Führer etwas die Anspannung verlieren.“

Der Lehrgang beinhaltet aber nicht nur das bloße Abarbeiten der Kunstfährte. „Wir verordnen jedem Kursmitglied einmal Helferdienst beim Schweißlegen am Samstag. So sammelt jeder Erfahrung für das Tropfen der Fährte, die er auch bei eigenen Übungseinheiten umsetzen kann.“ Außerdem wird nachvollziehbar, welche Arbeit dahintersteckt, Woche für Woche für alle Teilnehmer Fährten zu legen.“ Dies geschieht immer samstagnachmittags, wobei auf prüfungsnahe Länge, Verlauf und Abstand zwischen den Fährten Wert gelegt wird. Besonders stolz ist sie dabei auf den einbeinigen Helfer: Eine Metallvorrichtung mit Möglichkeit zur Arretierung einer Seifenspenderflasche für gespritzten Schweiß und weiter unten eine Einspannvorrichtung für eine Wild-Schale. Mit einem Fassungsvermögen von 500 ml, also für zwei Fährten, lässt sich das für die Übungen verwendete Rinderblut leicht und sauber ausbringen. Für die eigentliche Prüfung wird dann Wildschweiß verwendet, um das Interesse des Hundes zu steigern. Über eine Metallfeder wird durch Aufdrücken des Stabes, der auf Kopf gestellte Seifenspender betätigt und Schweiß gespritzt. Über eine Einstellungsmöglichkeit kann die Stärke der Feder eingestellt werden, sodass variabel viel oder wenig Schweiß durch Drücken abgegeben wird. Zusätzlich zählt der Schrittzähler mit, um die richtige Länge der Fährte zu bemessen.

Lea ist selbst Hundeführerin einer eher selten geführten Rasse: einem Beagle. „Ich hatte mit dem Hund selbst mein Päckchen zu tragen, in der Ausbildung zeigte sich der starke Charakter dieses als stur geltenden Hundetyps“. Außerdem konnte sie viel Erfahrung sammeln, indem sie fremde Hunde ausbildete und auf Prüfungen führte. „Ich möchte diese Erfahrungen an die Kursteilnehmer weitergeben, ihnen helfen eingeschlichene Fehler aufzudecken. Ich bin sicherlich kein Carl oder Uwe Tabel, ich vermittle aus der Praxis, was ich selbst erfahren und gelernt habe.“

Die Fährten sind durchgehend markiert, beginnend mit A wie Anfang 1-6, fortwährend mit dezenten Punkten an Bäumen oder Totholz und abschließend mit E wie Ende 1-6. Bevor es beginnt, formuliert Lea nochmal das für sie Grundsätzliche: „Der Hundeführer soll seinen Hund lesen, nicht die Markierung. Verwiesener Schweiß ist zu melden, Wundbetten ebenfalls. Denkt an die Kritik der letzten Woche und achtet darauf die Verbesserungsvorschläge umzusetzen.“

Danach tritt sie an den fiktiven Anschuss, gekennzeichnet durch einen Bruch. „Hier hast du den Anschuss, das Stück ist in Fluchtrichtung 10 Meter geradeaus geflüchtet, weiter wissen wir nicht.“ Das wird gebetsmühlenartig bei jedem Gespann wiederholt, um so prüfungsnah wie möglich zu üben. „Das wichtigste ist mir, dass wir die Hunde zwar zunächst auf die Brauchbarkeit vorbereiten, vor Allem aber auf die Jagdpraxis. Darum ist es essentiell, dass man den Hund lesen lernt.“ Auf der reellen Wundfährte haben die Bäume keine Markierung, der Führer muss seinem Hund anmerken, ob dieser noch auf der Spur läuft, eine Verleitung angenommen hat oder gerade komplett die Witterung verloren hat. Gleichzeitig gibt Lea zu bedenken, dass mit dem Bestehen der Brauchbarkeit noch lange kein Schweißhund erkoren ist.“ Den Anschuss zu beurteilen und das Können des Hundes abzuschätzen, erwarte ich von jedem Jäger.“ Ungewisse Treffersitze oder Pürschzeichen die auf keine sichere Todsuche hinweisen, sind Sache für Spezialisten, also im besten Fall anerkannte Nachsuchengespanne.

Choreografiert müsse die Aufnahme der Fährte sein, so Lea, damit der Hund wisse, welche Arbeit jetzt anstünde. Sie beobachtet das Gespann aufmerksam, mit kritischem Blick, man merkt ihr an, dass der Kurs und die Teilnehmer ihr wichtig sind. Am Ende der Schweißfährte angekommen, resümiert sie die Fährtenarbeit, nachdem Hund und Hundeführer wieder aus dem Wald auf den Weg treten und der Hund in die Alltagshalsung schlüpft.

Die Kritik fällt direkt aus, aber sachlich und vor allen Dingen konstruktiv. Hier geht es nicht darum Eitelkeiten zu bemühen, sondern die Leistung von Hund und Führer zu reflektieren. Dies wird auch von den Lehrgangsteilnehmern dankbar angenommen, die Botschaften kommen an und zeigen wo noch Handlungsbedarf besteht. „Grundlage ist die eingeübte, sich wiederholende Choreografie, das Untersuchen des Anschusses und immer Riemen, Riemen, Riemen geben.“ Sie erinnert an Punkte auf der Schweißfährte, wo der Hund abkam oder zu Unrecht korrigiert wurde, wo ihr Schwachstellen aufgefallen sind aber genauso erwähnt sie natürlich, was gut gehandhabt wurde. So sorgt ein optimal gearbeiteter Haken, ein kurz vorgestandenes Wundbett des Deutsch-Langhaars oder das selbstständige Wiedereinpendeln nach kurzem Faseln besonderes Lob. „Wenn ein Teilnehmer bei der Manöverkritik mir widerspricht habe ich absolut kein Problem damit. Ich diskutiere gerne alles aus,“ schmunzelt Lea.

Mit der Leistung des diesjährigen Kurses ist sie aber unterm Strich sehr zufrieden: „Es sind starke Hunde dabei und erfahrene Führer. Ein ortsansässiger Deutsch-Langhaar-Züchter ist mit seinem Wurf vertreten, so intensiviert sich der Austausch zwischen Jägerschaft und Zuchtzwinger.“ Die Welpenvermittlung an Jäger in der Region und die Ausbildung vor Ort werden begrüßt, schließlich ist den Züchtern daran gelegen, die Entwicklung ihrer Welpen verfolgen zu können.

Bei der nächsten Fährte übernimmt sie den Deutsch-Drahthaar Gustav vom Rühlskopf, gerufen „Golo“, von einem befreundeten Hundeführer, der sich nach einer OP noch schonen muss.

„Ich arbeite gerne mit fremden Hunden, so kann ich meine eigenen Methoden auf Allgemeingültigkeit überprüfen. Außerdem erweitert sich so stetig der Horizont, wenn man mit verschiedenen Rassen, Charakteren und individuellen Eigenschaften die gleichen Arbeitsschritte durchgeht.“

Sie zieht dem Hund das Schweißgeschirr an, legt ihn wenige Meter vom Anschuss entfernt ab. „Grundgehorsam ist hier gefragt“, kommentiert sie, „den haben wir ja während des ersten Lehrgangs von März bis Juni ausreichend auf dem Hundeplatz geübt.“ Sie untersucht den Anschuss, sucht Augenkontakt mit dem jungen Drahthaar und holt ihn dann ab, um gemeinsam zum Anschuss zu gehen. „Das erste was ich mache, ist immer Riemen lassen, damit der Hund alles drum herum absuchen kann. Der Hund muss entscheiden wo lang es geht und alle anderen Möglichkeit untersuchen und ausschließen dürfen. Wenn du ihn jetzt schon kurzhältst und bei der vermeintlich richtigen Richtung mitläufst, hat der Hund nur die Hälfte gelernt“, kommentiert sie für uns und den Hundeführer.

Sie hat mit dem kräftigen Rüden eine schwere Zeit und legt ihn öfter ab, um auf den letzten Schweiß zurückzugreifen und den Hund neu anzusetzen. Der Führer läuft verärgert mit den anderen Zuschauern mit und beobachtet kritisch seinen ersten Jagdhund auf seiner zweiten Schweißfährte. „Der weiß nicht was er machen soll, Lea,“ wendet er sich an sie als der Rüde den zweiten Winkel der Fährte nicht sauber ausarbeitet. Die junge Ausbilderin bleibt stehen, hält den Riemen fest und lässt den Schwarzschimmel „austraben“ wie sie es nennt. Bis er dann schließlich den Abgang findet und dafür in Quietsche-Stimme gelobt wird. Am Ende angelangt wartet eine getrocknete Wilddecke, die morgens ausgelegt wurde. Diese wird kräftig gebeutelt, der Rüde zeigt seine ganze Energie und Leidenschaft. Außerdem wurde ein Glas mit Fleischwurst vorbereitet, welche der Hund nach kräftigem Lautgeben, sitzend auf der Decke zur Belohnung erhält. Wieder Leinenwechsel, wieder Manöverkritik. Der säuerliche Hundeführer wird eines Besseren belehrt, der Hund wisse sehr wohl, was er zu tun habe. Er habe sich meistens selbst korrigiert, außerdem gehe der Hund vergleichbar langsam als hochläufiger Vorsteher.

Nicht ganz überzeugt, aber sichtlich weniger pessimistisch nimmt der Besitzer die Worte an. Er weiß, er hat noch viel Übung vor sich, doch sein Hund wird es schaffen, sie werden es gemeinsam schaffen.

Die nächste Fährte wartet und so vergeht der Sonntagmorgen und wir befinden uns wieder am Ausgangspunkt im Kreise aller Gespanne zur vereinzelten Kritik im Plenum. Der Obmann und die junge Ausbilderin führen noch einmal allgemein die Erkenntnisse des Übungstages aus. Die unterschiedlichen topografischen Begebenheiten geübt werden müssen: Vom Wald über den Weg oder über den Baumstamm bergab, stellte für die Gespanne eine Herausforderung dar. Allgemeines Nicken, sie fährt fort und erzählt zu jedem Gespann Positives wie Negatives. Es wird gemahnt, geneckt und gelacht, zur Erfrischung stehen kühle Getränke bereit.

Bei einer anschließenden Rundfahrt im nahegelegenen Revier findet schnell ein heiteres Gespräch statt, mit viel Humor und Selbstironie erzählt Lea gerne von Begebenheiten mit ihrem Hund, der immer etwas enttäuscht dreinblickt und so zur allgemeinen Belustigung beiträgt. Immer wieder streut sie Anekdoten auch mit anderen Hunden ein, man merkt, dass sie trotz ihres jungen Alters schon viel erlebt hat. Dabei hat sie sich eine persönliche Philosophie in Sachen Hundeführung entwickelt, die den Leitfaden in der Gestaltung der angebotenen Kurse wurde.

„Im ersten Teil, dem Grundgehorsam, geht es mir persönlich vor allem darum, dass sich Hundeführer nicht von ihrem Hund flachsen lassen.“ Als „Flachsen lassen“ bezeichnet Lea das Verhalten des Hundes, wenn er die autoritären Fähigkeiten des Führers in Frage stellt. „Das merken die meisten Hundeführer gar nicht, weil sie vom Hund immer so geliebt werden wollen, dabei macht der Hund seine Späße von morgens bis abends mit Herrchen oder Frauchen.“

Der Hundekurs teilt sich in zwei Teile auf, März bis Juni beim Grundgehorsam-Teil auf dem Hundeplatz sind auch Nichtjäger gerne gesehen. Sie haben sogar die Möglichkeit eine kleine Prüfung zu durchlaufen.

Durchsetzung ist für Lea Zigric der zentrale Punkt in der Hundeerziehung, das spiegelt sich auch in ihrem Charakter wieder. „Was meinst du, was ich für Blicke ernte, wenn ich morgens auf der Drückjagd aus dem Auto steige? Frau, klein, jung und dann auch noch ein Beagle! Solche Momente erfordern auch Durchsetzungskraft und Durchhaltevermögen.“ „Nicht nur gegenüber dem Hund,“ fügt sie noch zwinkernd an. Sie geht davon aus, dass sie von den meisten Männern auf der Jagd nicht ernst genommen wird. Insgesamt scheinen sich diese Vorurteile zwar langsam zu bessern, doch bei manch unbelehrbarem Individuum beißt man noch immer auf Granit. Trotzdem sei sie immer offen für Kritik an ihr oder lernt gerne von anderen, sie diskutiere einfach über alles gerne. „Abrichtung der Hunde hat nicht nur einen richtigen Weg, rassespezifische Unterschiede, aber auch Einzelcharakter müssen stets beachtet werden. Der Drahthaar ist führiger, der bis zur Prüfung ausgebildete Kurzhaar war wehleidiger und mein Beagle ist eh ein Fall für sich.“

Es ist ein amüsantes Paradoxon, wenn Lea davon spricht in welchen Momenten Hunde so unverschämt gnadenlos sein können und sie gleichzeitig ins Schwärmen kommt, wenn sie beschreibt wie gute Hundearbeit aussieht. Ihre Tante habe einen Deutsch-Langhaar-Zwinger gehabt, so kam sie während ihrer Kindheit immer mit Jagdhunden und deren Ausbildung in Berührung. Zu ihrem eigenen Hund kam sie durch Zufall und dazu noch ohne Jagdschein. „Wie ganz viele Frauen bin ich über den Hund zum Jagdschein gekommen.“ Sie erinnert sich noch wie sie als Teilnehmerin in einem anderen Hundekurs den dortigen Hundeobmann fragte, was man denn machen müsse, um den Hund jagdlich zu führen. „Seine Antwort darauf war, dass ich dann halt den Jagdschein machen müsse.“ So meldete sie sich bei der örtlichen Kreisjägerschaft und durchlief dort die klassische Jungjägerausbildung.

„Bei der Hundeausbildung sehe ich das größte Potential um mit Nichtjägern ins Gespräch zu kommen und effektive Öffentlichkeitsarbeit zu leisten“. Sie verfällt in eine Art Businessplan, welchen „Nutzen“ der „Konsument“ aus dem Hundekurs ziehe und welchen nachhaltigen Effekt das für das Ansehen der Jagd in der Öffentlichkeit habe. „Nichtjäger führen oft Jagdhunde und kommen nicht mit ihnen zurecht. Ihnen fehlt das Verständnis für die Rasse, was unsereiner in der Jungjägerausbildung lernt. Indem wir den Menschen die Jagd näherbringen und den Sinn der Hundearbeit, fallen viele Vorurteile und das Verständnis für den eigenen Hund steigt. Eine absolute Win-Win-Situation.“ Sie sagt das so voll Überzeugung, dass man gar nicht widersprechen kann. Die Darstellung der Jagd, auch über die Hundearbeit ist ihr ohnehin ein wichtiges Thema. So engagiert sie sich für den örtlichen Kreisjagdverein und unterstützt zusätzlich die Jungjägerausbildung. Das größte Potential, mit der nichtjagenden Bevölkerung in Kontakt zu kommen, sieht sie aber im Hundewesen: „Diese Chancen sollten wir als Jäger unbedingt nutzen, jeder nichtjagdlich geführte Hund, der hier ausgebildet wurde, macht später im Revier weniger Probleme.“ So wirbt man für Verständnis bei privaten Hundehaltern und gewinnt hoffentlich auch Sympathie.

Es ist schön zu sehen, wie sich junge Menschen für die Jagd engagieren. Schön zu spüren, wie Leidenschaft und Motivation in Handeln umgesetzt werden und dieses ganz offenkundig seine Wertschätzung findet. Es könnte ruhig mehr geben, von diesen enthusiastischen, jungen Leuten und es dürfen gerne weibliche Vertreter der grünen Zunft sein. Die Jagd wird jünger und weiblicher und zeigt sich somit als Abbild der modernen Gesellschaft. Allem Argwohn konservativer Ansichten zum Trotz, zeigen Menschen wie Lea, dass dies der Jagd an sich auf keinen Fall schadet.


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