Auch in diesem traumhaften Taunusrevier machten wir erlebnisreiche Minidrückjagden oder Heckenklepperchen, einmal schoss mein Vater drei Füchse in drei Minuten. Und einmal hatte mir der stets großzügige Paule sogar seinen Lieblingsplatz bestens vorbereitet: In Sternfahrten zog er aus allen Richtungen triefenden Aufbruch durch den frischen Schnee in den kleinen Wildacker vor der Kanzel. Es würde Vollmond geben, Paul kündigte mir freudestrahlend „Die Nacht der Nächte“ an: „Bleib bloß sitzen!“. Noch im Hellen bezog ich Posten, hievte schnaubend meine Winterausrüstung auf die hohe Kanzel, lud den Drilling, sortierte die Ersatzmunition und das große Zeiss auf dem Fensterbrett, stopfte mich in den einem Polarforscher würdigen Kleidungshaufen, öffnete die Fenster und glitt mit der Eleganz eines hüftsteifen Wasserbüffels in meinen Ansitzsack. Ich schwitzte wie nach einem Marathon, aber: es konnte losgehen!

Und das ging es auch gleich: ich saß an einem Waldrand und konnte weit ins blendendweiße Feld schauen. Vor mir folgten auf ein Wenig Waldstaudenroggen, von dem die Sauen kaum mehr als ein paar verlorene Stängel übrig gelassen hatten, etwa 300 m Wintersaat; zu meiner Linken lagen ca. 100 m Wiese, die sich nach rechts über 300 m mit ein paar von Paul gepflanzten Apfelbäumen um den Wald herumbog – was für eine Bühne! Wie ortsüblich stand bereits überall Rehwild. Zwei hier, drei da, eins hüben, vier drüben - auf 480 ha schoss er jährlich 48 Stück. Seine 12 ha (!) eigene Wildäcker waren ein Magnet, hier war immer Bewegung. Meist erfüllte er seinen Abschuss Anfang September, um dann Ruhe im Revier zu haben – einmal schoss er von genau diesem Sitz an einem Abend 11 Stück. Er und sein Jagdaufseher mussten in zwei Touren bergen, bei der zweiten standen schon wieder fünf Stück im Acker… Halt! Während meiner schmunzelnden Gedankenverlorenheit durchzuckte es mich: ein schmaler Strich etwa 200 m vor mir glitt elegant über den Schnee. Ich griff zum Drilling und stellte die Hornet scharf – kommste? Nein. Oder doch? Reineke bögelte wie üblich mal hin, mal her, mal näher, mal weiter, bis er hinter der Obstbaumreihe verschwand. Misstrauisch blieb ich bereit: der kannte den Luderplatz bestimmt. Oft tun Füchse ja so, als wären sie nur zufällig in der Gegend – um eine Minute später urplötzlich am Luder zu stehen. Und tatsächlich: schon spionierte ein dreieckiges Gesicht um einen der Stämme herum in Richtung Schnellimbiss. Ich hatte Zeit, mich richtig einzuspannen, einen Schritt noch – das „Pätsch“ der Hornet bellte kurz auf, ein kurzer Sprung und schon sah ich im Geiste Paules strahlendes „Sach´ ich doch!“ vor mir.

Ich schmunzelte ein Wenig, als ich nachlud: in meinem Eifer hatte ich 7 kleine Kugeln und 5x Schrot eingepackt. Naja, der Abend war noch jung. Schon kurz darauf, die Rehe hatten nicht einmal das Haupt gehoben, bog weit rechts der nächste Kandidat um die Ecke, wanderte herum, entfernte sich in der einsetzenden Dämmerung aber schließlich über die nächste Kuppe. Dann zuckte ich zusammen, direkt hinter mir bellte ein Rüde den Weg entlang! Immer näher kam sein heiseres „Hau-Hau-Hau-Hau!“ – da! Etwa 60m rechts von mir erreichte er den Waldrand und sicherte einen Moment ins Offene – Nummer zwei, brave Hornet! Auch dieses Mal blieben die Rehe, bei denen inzwischen Wachablösung stattgefunden hatte, ruhig. Immer wieder beobachtete ich sie, als plötzlich mitten im Acker der typische Schatten daherhuschte, schnurstracks auf den Luderplatz zu. Leise, nur kein Fehler! Vorsichtig schälte ich mich aus meinem Ansitzsack, wo kam der so plötzlich her? Leise schaffte ich den Anschlag - kein Zucker mehr im dumpfen Knall. Na, das ging ja munter los!

Ich lehnte mich ein Wenig zurück, als es am gegenüberliegenden Waldrand schwarz wurde: 13 Stück Kahlwild zogen im Gänsemarsch über den Saatacker. Das lange Band wechselte zielstrebig hinunter ins Wiesental und verschwand um die Biegung – um die genau in dieser Sekunde der nächste Fuchs bog. Auch er fesselte mich lange, bis er endlich, endlich, begleitet von zwei weiteren Ranzbellern irgendwo links und hinter mir, gerade so in Schussentfernung war. Der Mond war aufgestiegen, es war taghell – Treffer vier! Offensichtlich hatten sich die Beller hinter mir nicht am Schuß gestört, denn nur Minuten später schnürte einer von ihnen eilig am linken Heckenrand entlang. Ich zischte ihn an, jetzt… Mist, ich bekam ihn nicht rein! Zweiter Versuch, das sollte reichen – dumpfer Kugelschlag, in zwei Sprüngen verschwand er in der Hecke. Die Kugel hatte er jedenfalls!


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