Der Mai war schon weit fortgeschritten und immer noch hatte es nicht mit dem bestätigten Böckchen geklappt. Es war dieses Jahr wie verhext, zwei Wochen Ostwind, der an dieser Stelle dann aus dem Rücken wehte, dann verhinderten anderweitige Verpflichtungen einen Ansitz und wenn ich es doch einmal raus schaffte, kam der Ersehnte natürlich nicht. Heute wollte ich es nochmal versuchen, die Zeit drängte, denn der Landwirt hatte bereits angekündigt die Kühe wieder einzukoppeln, genau hier, wo ich den Bock schon so viele Male abends stehen sah. Doch auch dieses Mal schien es auf eine Nullrunde hinauszulaufen, die Sonne war bereits eine Weile untergegangen und bisher hatte sich nichts geregt. „Noch eine viertel Stunde“ dachte ich schicksalsergeben, so lange sollte das Licht zum Ansprechen vielleicht noch reichen.

Als dieses schon sehr am Schwinden war, nahm ich von rechts einen schemenhaften Wildkörper wahr. Ich musste mich mit dem Glas schon anstrengen um auf die Distanz etwas erkennen zu können, doch die hellen Stangen verrieten IHN, den voller Hoffnung Erwarteten. Ganz vertraut zog ER wieder auf die Wiese, näherte sich unbekümmert der Salzlecke. Ich war im Anschlag, der Drilling entsichert und auf Einstecklauf gestellt. Die Vergrößerung nahm ich etwas nach unten, um mehr Licht ins Auge fallen zu lassen. ER wollte sich aber nicht so recht breit stellen, nicht so wie ich das gerne hätte und langsam wurde es wirklich ganz schön dunkel....

Als ich merkte, dass ich das feine Absehen kaum mehr erkennen konnte, schaltete ich den Leuchtpunkt zu, ER rückte mit dem Hinterteil etwas zu mir, jetzt würde die Position passen, aber ich wollte nicht schießen, wenn ER das Haupt gesenkt hielt. Das soll man eh nicht tun und bei ihm, dem ich schon all die Jahre nachstelle, liegt mir erst recht daran, dass ihn das Schicksal erhobenen Hauptes ereilt. Also drückte ich den Abzug nach vorne um einzustechen und pfiff leise, auf dass ER sich aufrichten möge...

Das Glas hatte ich mittlerweile auf 4fach heruntergedreht, kurz vor zehn war es bereits geworden, erste Sterne durchbrachen das Nachtblau des Himmels. Der Leuchtpunkt glimmte in sanftem Rot über dem Vorderlauf. Ich krümmte den Finger, das Mündungsfeuer blitzte. Seiner kurzen Flucht konnte ich im dichten Gras gut mit den Ohren folgen, noch vor Erreichen der Hecke ebbte das Geräusch ab. Leises Rascheln zeugte vom letzten Schlegeln, dann kehrte Ruhe ein. Tiefe Stille und die Dunkelheit der Nacht. Es war geschafft.


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