Der heutige Beitrag beschäftigt sich mit der nicht seltenen Situation: ein Jagdgast wird vom Pächter als Ansteller bei einer Gesellschaftsjagd tätig. Als Jagdgast ist man in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht versichert; das persönliche Interesse, die Freude an der Jagd überwiegt dabei. Wie sieht es aber aus, wenn dem Ansteller ein Unfall während der Abholung der Schützen widerfährt? Man sollte meinen, alles kein Problem. Dem ist unter Umständen aber nicht so…

Der Fall:

Ulf begehrt die Anerkennung eines Unfalls im Rahmen der Jagdausübung als Arbeitsunfall. Ulf ist Jagdpächter und Inhaber eines gültigen Jagdscheines. Volker, Pächter des benachbarten Jagdreviers, beabsichtigte, mit Hilfe seines Jagdaufsehers Jens eine Gesellschaftsjagd zu veranstalten, an der insgesamt etwa 100 Schützen teilnehmen sollten. Volker bat Ulf, als Ansteller mitzuwirken. Aufgabe der Ansteller ist es, die Schützen an die Stände zu führen, sie einzuweisen, die Schussbereiche festzulegen, mitzuteilen, auf welches Wild geschossen wird und wann die Schützen abgeholt werden. Nach Ende der Jagd haben die Ansteller die Schützen von den Ständen abzuholen und sie zu fragen, was geschossen wurde und ob es eventuelle Nachsuchen gäbe.

Für die Drückjagd wurde Ulf als Ansteller offiziell gelistet. Etwa eine Woche vor der Drückjagd trafen sich Volker – Jagdleiter - mit Ulf und den weiteren Anstellern, um die Stände einzuteilen, die Jagdbereiche zu begehen und den Jagdablauf insgesamt vor zu besprechen. Volker übertrug Befugnisse als Jagdleiter auf die Ansteller, unter anderem Weisungen gegenüber den Schützen zu erteilen sowie die Zuständigkeit, nach Ende der Jagd angeschossenes Wild mittels brauchbarem Hund nachzusuchen und es zu erlegen. Ulf hatte zudem wie die anderen Jagdgäste auch, die Erlaubnis im Rahmen der Gesellschaftsjagd im Revier zu schießen. Ulf hatte jedoch für sich persönlich beschlossen, dass ihm seine Aufgaben und die damit verbundene Verantwortung als Ansteller völlig genügen; schießen wollte er daher an diesem Tag nicht.

Am Tag der Gesellschaftsjagd, nachdem alle Jagdteilnehmer begrüßt und belehrt wurden, hatte Ulf die Schützen weisungsgemäß angestellt. Nach Ende des Treibens fuhr Ulf die von ihm zu sichernden Stände an, um die Schützen abzuholen. Auf dem Weg zum Schützen erkannte er, dass sich wohl ein krankgeschossenes Wildschwein wenige Meter entfernt in der Dickung drückte. Ulf, der sein Gewehr bei sich trug, lief gemeinsam mit einem anderen Schützen dem Wildschwein hinterher, um es zu erlegen. Unglücklicherweise trat er währenddessen mit dem linken Fuß in eine Mulde und zog sich einen Schienbeinbruch zu. Ulf beantragte entsprechende Entschädigungsleistungen bei der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Unfallversicherung lehnte dies ab.

Zur Begründung verwies die gesetzliche Unfallversicherung darauf, dass Ulf selbst als Jagdgast – und damit Schütze - an der Gesellschaftsjagd partizipiert habe. Das Anstellen der ihm zugewiesenen Schützen habe eine reine Gefälligkeitshandlung dargestellt und sei keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII. Ulf sei allein aus jagdfreundschaftlicher Bindung zum Unternehmer Volker der Gesellschaftsjagd tätig geworden. Die gesamte Teilnahme an der Jagdgesellschaft sei sog. „private Liebhaberei“. Diese sei von § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nicht vom Versicherungsschutz erfasst.

Ulf wollte die Entscheidung nicht auf sich sitzen lassen und legte gegen den Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass er seine Schienbeinfraktur bei der Ausübung seiner Pflichten, die ihm vom Jagdleiter übertragen worden seien, erlitten habe. Angesichts der Größe der Gesellschaftsjagd sei es erforderlich gewesen, dass der Jagdleiter seine Kompetenzen auf Jagdhelfer übertragen habe. Nach Ende der Jagd dürfe ausschließlich der Jagdpächter/Jagdleiter und der Jagdaufseher, im vorliegenden Fall auch der Ansteller Ulf, angeschossenem Wild nachgehen. Damit sei seine Jagdteilnahme nicht der privaten Liebhaberei, sondern der Jagdausübung, zuzurechnen. Auf eine eigene Teilnahme an der Jagd habe Ulf im Ergebnis aus zeitlichen Gründen vollständig verzichtet. Insbesondere bei einer „nicht jagdgasttypischen Tätigkeit“ wie das Anstellen könne Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII bestehen. Die Tätigkeit, die er für Volker ausgeführt habe, habe dessen Unternehmen als Jagdpächter gedient. Das Anstellen könne auch von fest eingestellten Arbeitnehmern verrichtet werden und sei gleichsam arbeitnehmerähnlich, da im Vorfeld Weisungen erteilt und Verantwortungsbereiche übertragen worden seien. Von einer Gefälligkeitshandlung könne daher nicht die Rede sein.


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