Seine jagdliche Karriere startete Paule irgendwann in den frühen 80ern, glaube ich. Relativ bald schon konnte er durch die Vermittlung meines Vaters ein wunderschönes 480ha-Revier im Taunus pachten, ein Glücksfall für ihn, die ganze Gemeinde, seinem Wildbestand, all seine jagdlichen Freunde und last, but not least insbesondere für mich. Denn Paule war auch zu den Bauern und dem kleinen Dorf großzügig, half mit Spenden, Tatkraft oder Darlehen immer wieder jemandem aus der Patsche und erwarb beispielsweise viele kleinere Feldflächen, die er zu einem gut durchdachten Netz an bestens bestückten Wildäckern verband. Jeder im Dorf kannte und mochte ihn.

Sein bester Kauf war der des Jagdhauses, das wie eine wachsame Ritterburg etwas außerhalb in einem Hang am Waldrand über dem Ort thronte. Von der großen Panoramascheibe seines Wohnzimmers aus konnte Paule so einem Feldherrn gleich fast den gesamten Feldteil seines Revieres überblicken. Über die Jahre wurde sein Sessel dort am Fenster wirklich zu einer Art Thron, denn für mich war Paule sowieso immer der König des kleinen Taunusdorfes und dieses Reviers, der eben von diesem Thron aus die Geschicke der Umgebung dirigierte. Wann immer man zu ihm kam saß er immer auf dem gleichen Stuhl, begrüßte einen lautstark, grinste strahlend von einem Ohr zum anderen und freute sich über unsere Besuche und Gespräche.

Paule selbst war wie sein bester Kumpel aus alten Zeiten, der „Dicke Fred“, zumindest in heimischen Gefilden ein reiner Ansitzjäger, dem es vor allem die Sauen und die Füchse seines Revieres angetan hatten. Oft saß ich bei Telefonaten dabei, in denen sich Paule und Fred, der unter anderem ein Revier in der Nähe hatte und dessen Sohn Fredi inzwischen ein hochanständiger, passionierter und respektierter Nachsuchenführer ist, sich über die neuesten Entwicklungen in ihren Wäldern und Feldern unterhielten. Ich glaube, jedes davon fing mit „Und, Fred, was gibt´s Neues?“ an, auch dann, wenn sie sich vor gerade mal einer Stunde das letzte Mal ausgetauscht hatten. Eine von Paules Spezial-Sauen-Listen war es zum Beispiel, helles Stroh an den Kirrungen zu verstreuen und so quasi mondunabhängig jagen zu können.

Außerdem war er ein absoluter Spezialist, was die winterliche Fuchsjagd anging. Spätestens ab Oktober waberten in mehreren Tonnen im Hof furchterregend duftende Luderkreationen vor sich hin, die Paule in kalten Wintertagen eben dieses Duftes wegen zur Verbesserung der Lockwirkung gerne auch mal in seinem Wohnzimmer auftaute, um anschließend kilometerweite Luderschleppen sternförmig an seine Sitze heran zu führen. Seine Augen blitzten vor diebischer Freude, wenn er dann erzählte, wie die Füchse „aus allen Richtungen wie an der Schnur gezogen“ in ihr Verderben rannten und er mal wieder drei, fünf oder ich glaube als Höchstzahl sogar ZWÖLF in einer Nacht erlegt hatte. Hier konnte Paule sein Sitzfleisch ganze Nächte hindurch ausspielen und zeigte mit der Hornet seines liebgewonnen Bockdrillings bemerkenswerte Schießfertigkeiten. Alljährlich lieferte er sich dabei Fernduelle mit meinem Vater, was dann wiederum in der Saison das Hauptthema der Telefonate dieser beiden alten Freunde war. Sobald mein Vater einen Rotrock mehr auf der Liste hatte, rief er triumphierend Paule an und berichtete ihm haarklein jedes Detail der Erlegung in der Nacht zuvor – was Paule sich genüsslich anhörte und anschließend trocken mit „Ich hatte gestern auch wieder vier!“ konterte. Sein Jahresrekord lag soweit ich mich erinnere irgendwo jenseits der 100 Füchse von Anfang November bis Ende Februar. Selbst ich, der bei Weitem nicht Paules Sitzfleisch hat und auch definitiv das kleine Kügelchen aus dem Einsteckelauf nicht mit seiner Präzision versenden kann, habe es einmal auf einem seiner perfekt präparierten Luderplätze auf neun Füchse in einer eiskalten Schneenacht gebracht – den Zehnten habe ich natürlich gefehlt, weshalb ich manchmal immer noch schweißgebadet aufwache. Mein Vater hat einen seiner vielen humorvollen Jagdartikel über sein jährliches Fuchsrennen mit Paule geschrieben und augenzwinkernd mit „Ich kenne einen Verrückten“ betitelt.


Laden...