Rauschsynchronisation/ Rauschunterdrückung

Eine immer noch weit verbreitete Hypothese ist die Rauschsynchronisation bzw. –unterdrückung der nachgeordneten Bachen eines Rottenverbandes. Dies ist aber weder tiermedizinisch erklärbar, noch in Studien unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nachweisbar. Eine Synchronisation des rauschigwerden und zwar in Form einer Eisprungverzögerung von maximal acht Tagen, konnte lediglich bei verwandten Stücken und unter Gatterbedingungen beobachtet werden. In freier Wildbahn hängt der Zeitpunkt aber maßgeblich vom Fraßangebot ab.

Die Unterdrückung der geschlechtlichen Verpaarung, durch aktives Eingreifen der Leitbache, kann ebenso wenig bestätigt werden. Dies stünde sogar im Widerspruch zur R-Strategie, dem das Schwarzwild zugeordnet wird. Als R-Strategen können Wildschweine kurzfristig viele Nachkommen zeugen, um Ressourcenschwankungen auszunutzen. Auf förderliche Habitatsverhältnisse reagieren sie mit erhöhten Wachstumsraten, außerdem verfügen sie über ein großes Ausbreitungspotential. Bei optimalen Lebensbedingungen – und diese findet das Schwarzwild in unserer Kulturlandschaft zweifelsohne vor – würde eine Hinderung an der Fortpflanzung keinen Sinn ergeben. Dieser Eindruck ist mutmaßlich durch Beobachtungen entstanden, zu Zeiten in denen andere Bedingungen, vor allem nicht das üppige, natürliche Fraßangebot herrschten. Denn Frischlinge, die sich in nicht fortpflanzungsreifer Verfassung befinden, bedürfen noch der Führung ihrer Bache. Durch schwankende Ernährungslage hervorgerufener Mangel, führt zu späterer Geschlechtsreife der Jungtiere. Auch die Bache selbst wird erst später wieder rauschig, nämlich dann, wenn ihr körperlicher Zustand den Strapazen von Trächtigkeit, Geburt und Aufzucht erneut gewachsen ist. Wirklich schlechte Jahre kommen für das Schwarzwild in unserer Kulturlandschaft aber praktisch nicht mehr vor. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der Zeitpunkt des Rauschigwerdens von Bachen allein vom Ernährungszustand abhängt und der Beschlag unabhängig einer etwaigen Sozialstruktur stattfindet.

Frischen zur Unzeit

Durch das ganzjährige Überangebot an Energienahrung, (Mais, Mast sowie andere Feld- und Baumfrüchte) ist der körperliche Zustand unseres Schwarzwildes exorbitant gut. Die im Großen und Ganzen permanent üppige Versorgungslage begünstigt die körperlichen Voraussetzungen, die wiederum eine frühe Fortpflanzungsreife mit sich bringen. Diese kann bei Frischlingsbachen ab ca. 20 kg bzw. ab einem Alter von etwa 6 Monaten angenommen werden. So kommt es, dass unter den genannten Voraussetzungen, auch Frischlingsbachen noch vor Vollendung des ersten Lebensjahres, erfolgreich beschlagen werden.

Schwarzwild hat außerdem nicht, wie vom restlichen Schalenwild gewohnt, einen einmaligen Eisprung zu einer festen Zeit. Dieser wird z. b. bei den Cerviden maßgeblich von der Tageslichtlänge und dem Setztermin des diesjährigen Nachwuchses beeinflusst. Wildschweine haben aber - bei nicht erfolgtem Beschlag - einen sich etwa dreiwöchig wiederholenden Östrus (Eisprung). Dadurch kann es auch mehrmals im Jahr zur Paarung und Trächtigkeit kommen. Keiler zeigen sich zwar in der Rauschzeit besonders aktiv und suchen auch über weite Strecken nach paarungswilligen, weiblichen Stücken, sind aber prinzipiell ganzjährig begattungsfähig. Einem Beschlag außerhalb der winterlichen „Hauptrauschzeit“ und dem damit einhergehenden Frischen zur „Unzeit“ steht also nichts im Wege. Bachen die keinen körperlich abhängigen Nachwuchs mehr führen, werden auch wieder selbst an der Paarung teilnehmen. Die hierfür körperliche Verfassung ist im Schlaraffenland Kulturlandschaft meist schon zeitnah erreicht.


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