In der Druckindustrie durfte ich 20 Jahre verfolgen, wie sich „Digitalisierung“ entwickelte. Lass mich mal einen Vergleich wagen: Hätte mir jemand 1989 beschrieben, dass ich ein eigenes Buch mit meinen Fotos von meinem PC zuhause binnen Minuten dank Softwareassistenten gestalten und dann über Internet bestellen könnte, so dass davon genau ein Exemplar gedruckt würde, hätte ich wohl recht dumm geguckt. Viele hätte zahlreiche Gründe gefunden, warum das nicht geht und auch keinen Sinn macht. Aber genau das ist geschehen.

Diese Entwicklung wird uns auch in der Jagd erreichen: statt einzelner Geräte wird es vernetzte Systeme geben, die miteinander kommunizieren und Informationen über ganze Infrastrukturen austauschen. So bspw. heute schon ansatzweise in der Rehkitzrettung, der Reviervermessung, der Wildschadendokumentation oder dem Erntejagdgeschehen. Letzte Woche besuchte ich die Farm & Food 4.0 in Berlin – eindrucksvoll zeigt sich, wie Landwirte an diesen Themen arbeiten.

Streng genommen ist der Markt noch im Kindesalter. Aber es wird eben – für eine breite Masse von Technikmenschen – immer einfacher und auch preiswerter, mit Technologie etwas zu entwickeln und immer breitere Anwendungsfelder zu erschließen. Wenn also das Konstruieren von Soft- und Hardware immer leichter wird, sinkt der Aufwand, mehr Menschen können es und mehr Anwendungen werden wirtschaftlich attraktiv, die sonst einfach ein „zu kleiner Markt“ geblieben wären.

Michael Gast: Klingt alles recht dynamisch. Heißt das dann auch, dass Jagd intelligenter wird?

Thomas Rödding: Stichwort Künstliche Intelligenz meinst Du? Da habe ich eine recht eindeutige Meinung. Klar bin ich in Themen zur künstlichen Intelligenz, von Berufs wegen schon, recht tief drin. Aber als Waidmann gefragt, kann ich Dir dazu nur den Vergleich mit der natürlichen Intelligenz ans Herz legen. Diese meint unser Vermögen, in größter Not uns immer noch was einfallen zu lassen. Hirn rettet Hintern, wenn Du so willst. Wenn wir in der Jagd die Grenze überschreiten, wo Sinnhaftigkeit und Nützlichkeit aufhört und Fahrlässigkeit anfängt, werden wir ein Problem bekommen.

Michael Gast: Kannst Du unseren Lesern hier ein passendes Beispiel geben?!

Thomas Rödding: Ok, nimm was ganz Banales. Jüngst entdeckte ich in meinem Recherchedrang einen Anbieter namens http://www.getthedefender.com. Die bringen ein Pfefferspray auf den Markt. Soweit nichts Besonders. Das Ding hat aber eine eingebaute Kamera, inklusive GPS-Datenübertragung und – ganz Servicenatur – einem Abo für das Monitoring. Du kannst für Deine Familie für nur 479 US-Dollar drei Sprays für die Familie kaufen und für jedes sind schon 12 Monate Leitstellenüberwachung mit bezahlt.

Drückst Du den Knopf, macht das Spray den eingebauten Blitz an, fotografiert mit der eingebauten Kamera, übertragt alles via GPS über Dein Handy an die Leitstelle und löst Alarm aus. Nebenbei kriegt der Angreifer natürlich auch das Reizgas ins Gesicht.

Jetzt übertrag das auf Dein Jagderlebnis: Nicht das Reizgas, aber die Vorstellung einer Live-Bildübertragung auf Deinem YouTube-Channel, bei dem Deine Freunde dann Dich auf der Karte und mit Dir live durch das Absehen sehen können. Jagen mit Big Brother, sozusagen.


Laden...