Ein kaum merklicher Seitenhieb holte mich aus meinen Gedanken. „Gams“ formten seine Lippen, ohne einen Ton hervorzubringen. Sein Kopf wies die Richtung. Ganz langsam beugte ich mich vor und lugte an ihm vorbei, hinaus um die Ecke des Sitzes. Da stand es also, mein erstes Stück Gamswild. Und ich wusste so überhaupt nicht, womit wir es hier zu tun hatten… Dennoch war ich beeindruckt von dem gewaltigen Körper des Tieres und der Wachsamkeit. Das Haar schien wie ein aufgeplusterter Vogel abzustehen und dann plötzlich ein Pfiff. Jetzt hatte uns das Stück eräugt. Gefühlt minutenlang blickten wir uns an, bevor das Stück mit weiteren Pfiffen den Berg hinauf sprang. Meine Güte, wie einfach und mühelos das ging. Mit zwei Sprüngen war er nicht mehr zu sehen, aber sein Pfeifen und Warnen noch immer in Hörweite. Ich erfuhr später, dass dies ein junger Bock war, der aufgrund seiner Statur und der Trophäe ein Zukunftsbock gewesen sei. Wir trafen uns am Auto und wieder konnte ich nicht anders, als alle meine Eindrücke mitzuteilen. Die zwei vorne sitzenden Männer hörten zu und nickten wissend. Nach dem Frühstück und einer für die Hunde besonders anstrengenden Runde (der dicke Terrier voran und die kurzbeinigen in der Loipe hinterher), kirrten wir erneut an den drei Sitzen und waren froh darüber, dass überall frische Fährten waren. Die Kirrungen waren komplett abgeräumt und so stiegen die Erwartungen für den Ansitz am Abend. Aufgrund der Schneelage und der Aussicht auf noch mehr Schnee, entschieden wir, bereits die Sachen wieder zu packen und nach dem Ansitz nach Hause zu fahren. Wahrscheinlich würde dies das letzte Mal bis zum Frühjahr sein, dass die Hütte wieder zu besuchen war.

Also – Hütte sauber gemacht und winterfest eingepackt, Autos gepackt und dann war es auch schon Zeit zum Ansitz. Es schneite dicke Flocken als Rudi und ich den Sitz bestiegen. Bald war von der gerade bestücken Kirrung nichts mehr zu sehen.

Glücklich und vollkommen zufrieden über die bereits erlebten Dinge und der Tatsache, dass ich noch nie so ein schönes Weihnachten hatte, fielen mir (mal wieder) die Augen zu. Als ich sie wieder öffnete, war in der Kanzel, auf der Waffe, auf dem Ansitzsack und eigentlich überall Schnee. Ich hatte es gar nicht bemerkt, dass der Wind für mich besonders passend gedreht hatte und mir die Flocken in die Kanzel getrieben wurden. Ich glaste die Kirrung ab und hörte dann etwas weiter den Berg hinauf einen Schuss. Kurz darauf einen zweiten. Das musste einer von den beiden Jungs gewesen sein. Oder hatte jeder einen Schuss abgegeben? Ich würde es erst am Auto erfahren, denn das Mobilnetz ist dort oben kaum vorhanden.

Ich glaste erneut aus meinem Kanzelfenster und sah plötzlich ein Rudel Rotwild dort stehen. Wie waren die jetzt dahin gekommen? Ich hatte doch so gehorcht und geschaut und jetzt stehen da 7 Stück? Unheimlich!


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