Wir blieben noch eine Weile und verabredeten uns gleich wieder für den Abend. Abends passierte gar nichts, nur ein Fuchs schnürte die Wiese entlang und vertrieb uns etwas die Zeit. Am nächsten Morgen war für mich kein Ansitz möglich. Für Freitagabend war aber alles organisiert. Irgendwann musste er sich doch mal wieder zeigen. Ein Mitjäger aus dem Revier wollte sich ca. 300 m Luftlinie auf eine Kanzel an den Äsungsschneisen in einem Dickungskomplex ansetzen und schauen ob sich dort etwas tut.

Es war ein schöner, sonniger Abend. Bestes Jagdwetter, aber ich sah und hörte nichts. Ich hatte so langsam das Gefühl einem Phantom hinterher zu jagen. Es kamen die ersten Zweifel, ob ich überhaupt noch mal einen Hirsch in Anblick bekommen würde, oder ob die Brunft doch so still verlaufen war, das wir viel einfach gar nicht mitbekommen haben. Schon etwas bedröppelt pirschte ich zurück zum Auto. Dort wartete ich noch auf Martin, um zu hören, ob er Anblick gehabt hatte. Martin hatte lange Zeit 3 Stück Kahlwild vor, aber ohne Hirsch. Der Gedanke, dass die Brunft vorbei war, manifestierte sich in mir und ließ die Motivation auf den Nullpunkt sinken. Samstag schlug das Wetter um, der Wind passte überhaupt nicht. Ich blieb zu Hause. Sonntagmorgen fehlte der letzte funkten Motivation und ich überhörte gekonnt den Wecker. Das Telefonat am späten Vormittag brachte auch keine weiteren Erkenntnisse, aber ich wollte es abends noch mal versuchen. Innerlich hatte ich mir eine Deadline bis zum 03. Oktober gesetzt, danach ist Schluss.

Den Tag verbrachten wir mit der ganzen Familie bei einem Freund in einem anderen Revier, durchstöberten mit den Hunden das ein oder andere Gatter. Der Nachmittag verging wie im Flug. Etwas verspätet ließ ich dort meinen Mann und meine kleine Tochter zurück, die dort noch auf den Ansitz wollten. Meine Kleine verabschiedete mich mit den Worten „Mami, heute Abend kommt Dein Hirsch. Ich drücke ganz viele Daumen und dann komme ich mit Papa“. Mit ihren 4 Jahren ist sie schon so mit Begeisterung dabei und hat auch genau gespürt, dass es für Mama etwas Besonderes war auf „den ganz großen Hirsch“, wie sie immer sagt, zu jagen.

Ich musste mich wirklich beeilen, ich war definitiv zu spät dran. Ich hatte eigentlich den Morgen beschlossen, es ganz wo anders auf gut Glück zu versuchen. Der Förster überzeugte mich aber, es selber mal an der Kanzel mit den Äsungsschneisen zu versuchen, da hätte ich selber ja noch nicht gesessen. Ich ließ mich schnell überzeugen. Der Drang in die Ecke des Reviers war einfach immer noch da. Ich schickte von unterwegs eine kurze Nachricht, wo ich mein Auto stehen lassen würde. Die Antwort kam prompt „Versuche auch zu kommen, muss schauen wie ich loskomme. Melde Dich, wenn Du Wild vor hast, dann drehe ich um“. Ich freute mich sehr. Zwar fühlte ich mich schon in der Lage zu entscheiden, ob der Hirsch passt oder nicht, wenn er vor mir steht, aber das Vier-Augen-Prinzip bewährt sich fast immer und noch dazu jage ich gerne in Gesellschaft, ob mit Familie oder Freunden. Jagderlebnisse sind doppelt schön, wenn man Sie teilen kann und sich gemeinsam am Erlebten erfreut. Jagdneid habe ich in meinem Jägerleben bis jetzt nie verspürt.


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