Am Ende unseres Studiums standen wir – mein Studienfreund und ich – zusammen und scherzten über unsere Zukunft. „Wenn Du erstmal ein eigenes Revier hast, komme ich zu Dir und schieße einen dicken Hirsch“, träumte ich vor mich hin. Er nickte zuversichtlich: „Ja, so machen wir das.“ Über 10 Jahre später sind wir immer noch befreundet, mein Jagdfreund hat sein Revier und ich,...

...ich bekam dieses Jahr Anfang August ziemlich spontan die Anfrage von eben diesem Freund, ob ich es nicht auf den 1er Hirsch versuchen möchte. Versuchen, ja versuchen könnte ich es, aber mit Kind und Beruf bleibt oft nicht viel Zeit übrig intensiv morgens und abends rauszugehen. Zumal ich nicht zu den Menschen gehöre, die Ihre Beute bevorzugt morgens machen. Aber wer A sagt muss auch B sagen und ich versprach auch morgens ein paar Mal mein Glück zu versuchen. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre wussten wir, dass die Hochbrunft in dem Revier in etwa um die letzte Woche im September sein würde.

Ab Mitte September kam so langsam die Aufregung. Wir telefonierten hin und wieder, ob jemand schon Hirsche hat melden hören, aber aufgrund des sehr milden Wetters, war es ruhig im Revier. Ich versuchte es einige Male abends, hatte auch Rotwild im Anblick, aber immer ohne männlichen Begleiter. Am Abend des 27.Septembers bekam ich abends völlig unverhofft ein Video geschickt, das einen starken, reifen Recken zeigte, der brunftend mit seinem kleinen Kahlwildrudel auf einer ruhigen, etwas versteckt liegenden Waldwiese stand. Ein ungerader 14-Ender mit fehlender Eissprosse auf der einen Seite.

Zu dem Zeitpunkt saß ich gerade mit der Frau des Försters und zwei Freundinnen im Restaurant beim Essen. Den Gesprächen konnte ich erst mal nicht weiter folgen. Ich war wie elektrisiert von dem Hirsch und die Gedanken drehten sich erst mal nur darum, wann und wie und wo wir es versuchen könnten. Wir trafen uns den nächsten Morgen um 5 Uhr, um noch vor dem ersten Büchsenlicht auf der Kanzel zu sitzen – wie ich diese Uhrzeiten liebe... Totenstille im Wald, kein Lüftchen und auch leider nicht der leiseste Ruf eines Hirsches war zu hören. Leise pirschten wir auf dem Rückeweg entlang zur Kanzel und bezogen den Platz für die nächsten Stunden. Wir warteten, lauschten, nichts passierte. Aus heiterem Himmel auf einmal die Ansage von rechts „Mach dich fertig, der Hirsch kommt“. Ich antwortete: „Ja klar, veräpple mich nicht“. Es zischte neben mir aber nur: „Mach dich fertig, der Hirsch steht am Rand der Dickung“. Da sah ich Ihn auch, er zog langsam auf die Fläche, aber irgendwas war anders als auf dem Video. Das Röhren eines Hirsches ertönte neben mir und ließ den Recken auf der Wiese verhoffen. Er sah dem Gesuchten zum Verwechseln ähnlich, wirkte aber vom Körperbau anders und hatte beidseitige Eissprossen, wenn doch er wohl auch alt genug war. Gedanklich hatte ich mich zu dem Zeitpunkt aber so auf den gefilmten Hirsch eingeschossen, dass ich mich zum Schießen nicht entschließen konnte und wollte. So verschwand der Hirsch im Bestand und die Bühne war wieder leer.


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