Zwischen Augen und Lichtern
Jagdgeschichten

Zwischen Augen und Lichtern

Text Ales Maxa
Bilder Václav Přibáň & Ales Maxa

Wenn man viel Zeit in der Natur verbringt, lernt man die verschiedensten Dinge kennen. Besondere Pflanzen, schöne Tiere, außergewöhnliche Geräusche. Nach und nach gewöhnt man sich an vieles. Das Röhren des Rothirsches in der Brunft oder das typische Rülpsen des Damschauflers. Doch ein Brunftruf, eine Tonhöhe ist doch sehr sonderbar, gespenstig, fast schmerzhaft im menschlichen Ohr. Der Brunftschrei des Sikahirsches. Wenn Sie ihn schon einmal gehört haben, wissen Sie, was ich meine. Wenn nicht, kann ich Ihnen eine Zusammenkunft mit diesem interessanten Wild in der Brunft nur wärmstens ans Herz legen. Auch in diesem Jahr hatte ich die Möglichkeit, die Sikajagd im TÜPL Doupov bei Karlsbad zu erleben. Dieses Mal hatte ich neben meinem Junior noch zwei Jungjäger dabei, Andi und Alex wollten das erste Mal Sikawild in der Brunft sehen und vor allem hören. Ich kenne die beiden schon von zwei Jagden in diesem Jahr, aber jetzt waren sie doch sehr aufgeregt.

Ich habe mich sehr auf die Tage gefreut, denn ich weiß aus Erfahrung, dass der Wald bei Doupov wie die Farbpalette eines Malers aussieht. So hat mein Opa mir schon oft den Wald beschrieben und seitdem liebe ich den Herbst und seine Farben. Leider war das Wetter sehr wechselhaft, aber das sollte uns nicht die schönen Tage trüben.

Die dortige Pension gehört nicht gerade zu den besten, bei der Jagd muss es nicht 5-Sterne sein, aber ein wenig Freundlichkeit und saubere Zimmer wären schön. Leider gibt es in der Gegend keine wirkliche Ausweichmöglichkeit, doch erstaunlicherweise hat sich die Wirtin nach meinem letzten Gespräch mit ihr um 180 Grad gewandelt und war nun sehr freundlich und hilfsbereit zu uns.

Vor der ersten Jagd machen wir immer einen Probeschuss, alles sitzt da, wo es sitzen soll und wir können in den ersten Abend starten.

Um 16.00 Uhr sollte es losgehen. Wie immer waren die Pirschführer, die schon alte Bekannte sind, überpünktlich und 15 Minuten früher da. Mein Sohn eröffnete die Jagd mit den Jagdhornsignalen „Begrüßung“ und „Aufbruch zur Jagd“.

Radek, mein Pirschführer, über ihn und seinen bayerischen Gebirgsschweißhund Cesar – er war eine Legende unter den Schweißhunden in Tschechien – sein Leben und meine Nachsuche mit ihm, habe ich bereits in einem Artikel niedergeschrieben, erklärte mir, was er für den heutigen Abend mit uns vor hat. Die Hirsche pfeifen in einem Hang oder eher in einem Dschungel aus Bäumen, Verjüngung und Büschen. Man kann kaum die Hand vor Augen sehen. Wir werden uns auf einen Hochsitz in der Nähe setzen und schauen, was passiert. Wenn wir sie hören, können wir sie angehen. Es ist bewölkt, der Wind bläst unermüdlich und zwar aus und in alle Richtungen, was die ganze Angelegenheit sehr schwierig macht. Zuerst hören wir nicht weit von uns einen Rothirsch röhren – die Stimme erweckt Erinnerungen an die letzte Brunft und Radek berichtet mir von der diesjährigen hier vor Ort.

Plötzlich hören wir einen Sikahirsch pfeifen, dann ist aber auch gleich wieder Stille. So macht es keinen Sinn eine Pirsch zu wagen, der erste Abend geht mit noch ein paar vereinzelten Sikarufen vorbei. Es folgen noch ein paar, kein Grund zur Verzweiflung.

Wir nähern uns der Pension und können schon aus der Ferne sehen, dass Andi und Alex draußen vor einem Hirsch stehen. Andi hat tatsächlich am ersten Abend seinen ersten Sikahirsch erlegen können. Er freut sich sehr und wir uns alle mit ihm. Am Essentisch erzählte er ganz detailliert von seinem Abend. Schön, wenn ein Jungjäger solche Erfahrungen sammeln kann und ich mittlerweile das fünfte Mal dieses Jahr diese mit ihm teilen kann. Nun drücken wir Alex die Daumen...

Beim Abschied überrascht mich Radek noch mit der Information, dass ab Morgen Václav, ein gemeinsamer Freund und super Fotograf, die Sikabrunft begleiten wird. Schön, ich habe ihn lange nicht gesehen und freue mich sehr!

Es ist noch stockfinster, als Radek und Václav morgens zu unserer Pension kommen. Das Wiedersehen ist überschwänglich und fröhlich, gemeinsam fahren wir zu dem gleichen Ort, wo wir gestern ansaßen. Václav wird unter dem Hochsitz sitzen und fotografieren und wir unterhalb von ihm pirschen. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein Stück vom Hochsitz erlegt habe. Die Pirsch ist für mich einfach mein absoluter Favorit geworden.

Hoffentlich melden die Hirsche heute häufiger, sodass wir sie gut anpirschen können, aber natürlich war es nicht so, sondern wie gestern. Wir sahen zwar ein paar Wildschweine und ein Tier mit Spießer, aber keinen passenden, älteren Hirsch. Auch Václav berichtete uns, als wir zu ihm kamen, dass er nur ein Alttier gesehen hat. Alles waren etwas enttäuscht, aber guter Dinge, denn fingen plötzlich die Hirsche oberhalb von uns an zu pfeifen. Es waren definitiv mehrere. Wir guckten uns an und beschlossen, es zu versuchen. Aber zu viert? Das wird viel Lärm geben, in diesem Ästedschungel. Vojta hatte starke Nackenschmerzen, das Bett in der Pension war nicht das Beste und er überlegte am Hochsitz zu warten, aber es kam dann doch nicht in Frage für ihn, zu groß war die Angst, etwas zu verpassen. Also zogen wir los, fast wie eine kleine Touristengruppe.

Der Hang ist steil und dicht bewachsen, wir kommen nur langsam voran, so können wir uns wenigstens Mühe geben, leise zu sein. Auf einmal ist Kahlwild vor uns, aber sehr unruhig, es wird vermutlich getrieben. Wir gehen weiter den Hang hoch und kommen dem Pfeifen immer näher. Ohrenbetäubend ist der Brunftschrei dieser Hirsche. Jetzt sind wir mitten drin. Ich richte meine Mauser auf dem Dreibein und sehe Kahlwild aus der Dickung springen und auch einen Hirsch im dichten Zeug. Wir alle warten gespannt, dass er rauszieht. Die Spannung ist fast zum Schneiden, überall knackt und ruft es. Dann zieht er endlich auch auf die kleine Freifläche vor uns - ein Spießer. Puh, wir haben mit etwas anderem gerechnet und die Anspannung fällt von uns ab.

Links pfeift ein Sika, rechts und auch vor uns im Gebüsch - unglaublich, das müssen Sie mal erleben, man kann es nicht in Worte fassen. Ein wunderbares Spektakel. Wir sehen wieder eine Silhouette, doch noch so verdeckt, dass wir es nicht wirklich ansprechen können. Und auf einmal springt es raus, ein Tier, uff, unsere Nerven werden geprüft. Der Hirsch bleibt weiter im Gebüsch und zu unserem Pech merke ich, wie der Wind sich dreht - na wunderbar. Was macht der Hirsch, springt er ab? Gefühlt stehen wir hier Stunden, völlig überwältigt von den ganzen Eindrücken und Anspannung. Völlig unerwartet dreht sich der Hirsch und zieht aus dem Gebüsch direkt auf uns zu! Dann geht es plötzlich ganz schnell. Der Schuss bricht, der Hirsch sackt zusammen und will flüchten. Völlig routiniert repetiere ich, bereit für den zweiten Schuss, doch was ist das, die leere Hülse klemmt und es dauert gefühlte Ewigkeiten, bis ich das blöde Ding rausgefummelt habe. Es gelingt mir tatsächlich noch einen zweiten Schuss anzutragen, dann verschwindet der Hirsch aus unserem Sichtfeld. Wir sind fassungslos, ich habe den ersten Schuss auf ca. 12 m abgegeben. Ich zittere, ähnlich wie mein Sohn und umarme ihn. „Papa, ich habe alles aufgenommen!“

Václav konnte tolle Bilder machen, somit haben wir Erinnerungen an diese Jagd, die sicherlich einmalig sind.

Die Hirsche pfeifen weiter, als ob nichts passiert wäre. Die Brunft ist wirklich ein Ausnahmezustand für alle Beteiligten. Wir schauen nach Schweiß und finden auch gleich welchen, entschließen uns aber noch einen Moment zu warten. Nach 40 m liegt der verendete gerade Achter. Ein wahrer Ritter der Wälder. Radek zieht den Hirsch durch eine Lücke auf eine Freifläche und alle machen Fotos, so wie immer. Vorher gibt es den letzten Bissen und Inbesitznahmebruch sowie ein Waidmannsheil von Radek, Vojta und Václav. Das alles macht diese Momente für mich und Vojta unvergesslich.

Schnell holt uns die Realität wieder ein. Das Bergen. Zum Glück geht es bergab, aber durch wirklich schwieriges Gelände. Ich nehme alle Sachen und Radek zieht den Hirsch. Ein Helfer ist schon mit einem Traktor unterwegs, in das unwegsame Gelände kommt kein normales Auto. Ich breche den Hirsch auf und wir markieren den Platz, damit er gefunden wird. Auf dem Weg zum Auto sagt Vojta noch: „Siehst Du Papa, gut, dass ich mitgekommen bin. Sonst hätte ich unsere erste erfolgreiche Jagd auf ein Stück Sikawild verpasst.“ Recht hat er.

Wir nähern uns dem Auto und auf einmal kommt mir das hier sehr bekannt vor: „Radek, ist das nicht der Ort, wo Cesar vor zwei Jahren meinen Sikahirsch gestellt hat?“ Radek lächelt und entgegnet mir: „Ja, genau, hier war es!“ Unglaublich, wie manchmal alles zusammenspielt. Zufall oder Schicksal, man weiß es nicht. Ich erzähle meinem Sohn noch einmal die Geschichte, nun am Ort des Geschehens. Im Auto frage ich Radek, ob wir den Hirsch nicht doch noch verblasen können. „Kein Problem,“ antwortet mir Radek.

Der Sika liegt vor uns, mit einer herrlichen, herbstlichen Kulisse verbläst mein Sohn den Hirsch. Für mich unbezahlbare und unvergessliche Momente. Jetzt fragen wir uns natürlich noch, ob auch Alex erfolgreich war... Ja, auch bei ihr hat es geklappt. Wunderbar, Andi konnte am darauffolgenden Tag sogar noch einen zweiten Sika erlegen. Beide waren überglücklich und sehr zufrieden. Natürlich haben wir auch wieder etwas gelernt, denn wir zerwirkten die Sikas auch und machten sie küchenfertig. Für die Jungjäger unverzichtbare Lernstunden.

Zum Schluss wurden die beiden noch zu Sikawildjägern geschlagen und erhielten von mir den Jägerschlag. Wir verabschieden uns herzlich und versprechen uns, dass wir uns bald hier wiedersehen.


Steiner Ranger Extreme

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