Who runs the world? Girls!
Jagdgeschichten

Who runs the world? Girls!

Text & Bilder Alica Junker

Hin und wieder muss man die Vorteile, die einem der Job bietet auch nutzen, das war jedenfalls das Motto meiner Sommerferien dieses Jahr. Schon am Anfang konnte ich meine junge und sehr kleine Münsterländerhündin Caccia abholen, die mich mit ihrem bombenfesten Wesen sofort beeindruckte. Dieses kleine Tier ließ die Idee in mir reifen, einen etwas anderen Roadtrip zu planen. Mit meinen Hündinnen, meinem Bus und meinem Dachzelt das Revier unsicher machen und ein paar Abenteuer erleben, Freunde besuchen und einfach das Leben genießen.

„Kannst du meine Sau eventuell ein paar Tage bei dir hüten?“, denn es ist tatsächlich schwierig, wenn man in einem Bus unterwegs ist, eine komplette, wenn auch bereites zerlegte Sau, unterzukriegen. Das war auch keine von den ganz kleinen Borstentieren, denn in die handelsüblichen Truhen meiner Familie wollte sie beim besten Willen nicht hineinpassen. Es war kein Problem und so konnte ich meine größte Sorge, nämlich meinen Fleischvorrat, bei Freunden parken. Und so tingelte ich los und genoss erst Familienfeiern und -besuch, um dann endlich ins Revier zu starten. Es ist jedes Mal aufs Neue erstaunlich, wie sehr Hunde auf einmal faul werden können, wenn sie wissen, dass Arbeit rufen könnte. Lange Spaziergänge kann ich mir sparen, stattdessen lagen die drei Grazien abwechslungsweise oder auch gemeinsam im Teich, der praktischerweise eingezäunt direkt vor der Jagdhütte liegt. Jacuzzi für Hunde, während Frauchen den bitternötigen Schlaf aus der Nacht gemütlich im Dachzelt nachholen konnte.

Denn die Nächte waren spannend, sehr spannend, meine Ferien fielen nämlich genau in die Zeit der Weizenschweine. Viel spannender wurde das Ganze nachdem ich endlich eine Wärmebildkamera mein Eigen nennen durfte. Jede Nacht konnte ich Sauen sehen, manchmal waren sie beim Nachbarn, aber irgendwann sollte es klappen. Gespannt konnte ich einem einzelnen Stück zuschauen und es, dank moderner Technik, als Überläuferkeiler ansprechen. Der Kleine war ganz allein unterwegs und war eifrig damit beschäftigt einen bereits abgedroschenen Acker umzupflügen, im Morgengrauen würde er, das wusste ich, an mir vorbei in den Einstand wechseln wollen. Das würde ich zu verhindern wissen, dessen war ich mir ganz sicher.

Also harrte ich aus, wartete, leise, ließ eine Bache mit ihren kleinen Frischlingen, die zu weit weg standen, passieren und wartete weiter. Ich war unheimlich stolz auf meine grandiose Taktik. Und sie ging auf, das Keilerchen zog brezelbreit an mir vorüber, ich spannte meine Waffe wie immer im letzten Moment und schoss.

Vermeintlich. Leider hatte ich vergessen die Kugel in den Lauf zu repetieren. Das Keilerchen zog unbeschossen, vertraut und gemütlich seiner Wege. Ich traute mich nicht zu fluchen, aber nach Sonnenaufgang musste ich herzlich lachen. Genauso hatte ich mir meine Ferien gewünscht, gut, etwas mehr Beute, aber jede Nacht den Zauber der Nacht bestaunen, das wollte ich.

In einer anderen Nacht konnte ich eine weitere Rotte Überläufer beobachten, während um mein Zelt eine Fledermaus flog und ein Fuchs mäuselte. In dieser Nacht, auch wenn es bitter nötig gewesen wäre, konnte ich nicht schießen. Die Szenerie in der Wärmebildkamera war so friedlich, ruhig und interessant, dass ich es nicht übers Herz brachte, diese Stille mit einem Schuss zu zerstören. Ich lag in meinem Dachzelt und genoss still für mich.

Jagd ist einzigartig, still, spannend, manchmal laut und durchdringend. Ich konnte in meinen Ferien die Jagd von einer ganz anderen Seite kennenlernen, denn noch nie hatte ich die Chance gehabt, die Sommerjagd so auszukosten. Eigentlich bin ich ein Drückjagdfanatiker, je mehr meine Hunde arbeiten dürfen, umso besser. Dieser Sommer hat das verändert, Sommernächte im Weizen sind magisch, wunderbar, anziehend. In kurzen Hosen nachts mit Pirschstock und Waffe das Revier zu durchstreifen hat mich gefesselt, gepackt, es macht süchtig. Moderne Technik macht es spannend und atemberaubend. Natürlich hatte ich auch Besuch während der Ferien, meine kleine, eigentlich nicht jagende Schwester besuchte mich, um nur mal zu gucken...

In einer Nacht nahm ich sie mit. Meine Schwester ist nicht der mutigste Mensch der Welt, aber dieses Abenteuer wollte sie sich nicht entgehen lassen. Der Gang raus aus dem Zelt und rein in die Natur ist wahrscheinlich der Schwerste. Man überwindet die letzte Grenze und wird Teil der Natur, deren Beobachter man normalerweise ist. Mit etwas zittrigen Beinen lief sie los, natürlich überließ ich ihr die Kamera. „Lisschen, guck mal da, das sind keine Rehe!“, nach wenigen hundert Metern hatte sie Vertrauen in die ungewohnte Situation gefasst und sich, wie ich, völlig in den Bann der Nacht ziehen lassen. „Das sind Sauen!“ und sofort schlug mein Herz bis zum Hals, es sollte wirklich klappen, eine Sauenpirsch mit meiner kleinen Schwester, was ein Spaß! Die Rotte stand leider zu weit entfernt, um sie in anständiger Zeit erreichen zu können, denn ihr Ziel war der nahe gelegene Wald und damit das Nachbarrevier. Nun war guter Rat teuer. „Wir holen die Jungs!“ Es war eine spannende Pirsch zu viert, wir mussten die Sauen mehrfach umschlagen und standen irgendwann zu viert nur wenige Meter von ihnen entfernt, zunächst unbemerkt. Dann drehte der Wind und die Bache schnaubte, wir erwarteten den Rückzug der Sauen, aber der kam nicht, ein paar unbelehrbare Überläufer waren zu neugierig und so tanzten wir umeinander, ohne dass wir einen Schuss anbringen konnten. Schlussendlich klappte es doch noch, es war verdienter Lohn für tolle Teamarbeit und das Fleisch hat wunderbar geschmeckt.

Meine Hunde begleiteten mich immer und besonders meine kleine Münsterländerhündin konnte viele Eindrücke und Erfahrungen sammeln, sie durfte mit einer Meute aus Heideterriern balgen, konnte Sauen nachsuchen, auch hier ein Hoch auf meine Wärmebildkamera, denn man sieht, dass das Stück sicher verendet ist, bevor man mit einem Welpen auf die Suche gehen kann, konnte Füchse beuteln, schwimmen lernen und den schönen Duft der Jagd ganz tief einatmen. Ganz nebenbei, ohne Druck, mit viel Spass. Meine drei Hündinnen und ich wurden ein noch viel besseres Team, als vorher. Das Ganze gipfelte darin, dass man, wenn man so allein unterwegs ist, Rituale entwickelt. Unser Morgenritual war immer gleich, alle Hunde rauslassen, rennen lassen und danach ausgiebig mit jeder Hündin knuddeln, während die anderen noch ein wenig um den Bus herumwuselten.

In diese morgendliche Idylle platzte irgendwann ein Jogger, der sich wohl verirrt hatte und war erstaunt über die Anzahl der Hunde, die da wuselte. „Sind Sie vom Tierheim¬“ – ¬„Nein, warum?“ „Sie haben so viele Hunde dabei!“ – „Ich bin Jägerin, die gehören alle mir.“ „Ach, dann machen Sie das wohl professionell.“

Ich blieb ihm eine weitere Erklärung schuldig, was soll man auch sagen, wenn man morgens in Pyjama neben einem Bus steht und, während man mit seinen Hunden spricht, die Waffe entlädt.

Kurzum, es waren die besten Ferien aller Zeiten, ich werde diesen Sommer unendlich vermissen und die Drückjagdsaison hat nun eine ernsthafte Konkurrenz im bunten Strauß der schönsten Jahresjagdzeiten bekommen.


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