Hirschbrunft – ein Fest für das Jägers Herz
Jagdgeschichten

Hirschbrunft – ein Fest für das Jägers Herz

Text & Bilder Ales Maxa

Ich bin verloren. Total verloren. Und das eigentlich schon seit 31 Jahren. Wissen Sie auch warum? Damals, im Jahre 1988, habe ich das erste Mal eine Hirschbrunft erlebt. Ich habe Ihnen schon mehrmals über meinen Onkel berichtet, der damals als Forstdirektor im Böhmerwald gearbeitet hat und bei dem ich meine ersten Momente auf der Jagd erleben durfte. Von da an war es um mich geschehen - die Brunft der Könige der Wälder hatte mich in seinen lebenslangen Bann gezogen.

Meine Mutti brachte mich damals zu meinem Onkel – 2 Tage habe ich von der Schule „frei“ bekommen und konnte somit ein verlängertes Wochenende im Böhmerwald verbringen und damit meine erste Hirschbrunft erleben. Schon bei der Ankunft war ich äußerst überrascht – Mein Cousin hat bereits einen Hirsch erlegt. Aber Wieso? Sie wussten doch, dass ich komme – warum haben sie nicht auf mich gewartet, habe ich mir damals gedacht. Als junger Adjutant habe ich mir die Jagd ziemlich leicht vorgestellt. Das Wetter hat die Tage leider nicht mitgespielt – starker Regen und wechselhafter Wind waren für die Brunft nicht optimal. Ich habe damals viele Hirsche röhren gehört, einige haben wir auch in Anblick bekommen, doch keinen zur Strecke gebracht.

Ich muss Ihnen sagen, dass ich großes Glück habe, ich darf seit 15 Jahren in einem Revier mit einer großartigen Rotwildpopulation jagen. Das Revier vom Truppenübungsplatz Libava ist einfach ein Paradies für alle Jäger. Wenn ich nun meinen Sohn angucke, wiederholt sich meine Geschichte. Auch er durfte ein paar Tage aus der Schule um dieses immer wieder einmalige Spektakel mitzuerleben. Die Brunft im letzten Jahr war sensationell, aber lassen Sie mich erzählen...

Mit uns war noch eine Jagdgruppe von meinem Freund Arno in einem anderen Teil des Revieres unterwegs – Arno hatte hier leider seit 3 Jahren keinen Hirsch erlegt, obwohl viele von seinen Freunden kapitale Hirsche mit nach Hause gebracht haben. Dieses Mal hat mein Jagdleiter und langjähriger Freund Honza einen kapitalen Hirsch am Anfang der Brunft bestätigt. Der Hirsch steht regelmäßig mit einigen Stück Kahlwild auf einer kleinen Wiese, nicht weit von dem Fluss Oder. Arnos Plan ist klar – zusammen mit Honza, als seinen Pirschführer, werden sie diesem Hirsch nachstellen.

Meine erste Pirsch mit meinem Freund Pavel hat uns nicht viele Stücke in Anblick gebracht. Das Wetter war ziemlich heiß und die Hirsche haben erst sehr spät angefangen zu melden. Doch während meiner Pirsch war ich in Gedanken stets bei Arno und Honza. Es war noch ziemlich hell, als wir in einem Jungbestand einen kapitalen Keiler in einer Suhle angepirscht sind. Er war so nah, dass ich ihn mit meinem Handy fotografieren wollte. Leider wollte er allerdings nicht mein Model spielen und war weg, bevor ich es geschafft habe, ihn zu fotografieren. Dabei habe ich aber immerhin den verpassten Anruf von Honza gesehen. Ich zeige es Pavel und wir brechen unsere Pirsch ab und rufen zurück. „Aleš, wir haben ihn erlegen können,“ höre ich Honza gleich am anderen Ende der Leitung und ich spüre seine Aufregung in der Stimme, trotz das er sicher schon über 100 Gäste auf Hirsche geführt hat. Honza und Arno warten jetzt auf meine Ankunft, damit ich diesen Moment mit meiner Kamera festhalten kann. Arno ist überglücklich, das sieht man ihn schon auf weite Entfernung an. Den Hirsch haben sie recht schnell in Anblick gehabt, leider stand er aber immer verdeckt oder hat das Blatt nicht ganz gezeigt. Dann ist er mit seinem Harem hinter dem Horizont verschwunden und kam erst zurück, als die Sonne untergegangen war, um dann für immer zu bleiben.

Was für ein erster Jagdtag, bald heißt es schon wieder aufstehen, also früh ins Bett. Zum Glück ist es kühler geworden und die Hirsche melden aus allen Richtungen. Pavel hat für uns schon einen Plan gemacht. Es soll zwei Hirschen gelten, ein älterer und einer mit einer einseitigen Gabel. Genaues Ansprechen war bisher nicht möglich.

Es ist noch ziemlich finster, als wir unser Auto auf einem Forstweg abstellen. Ich leine meinen Rauhaardackel Brok an und los geht es. Ich kenne diese Gegend gut – noch vor ein paar Jahren war hier ein Fichtenbestand. Und jetzt? Obwohl es noch nicht hell ist, kann man sehen, dass sich hier jetzt ein riesiger Kahlschlag entlang zieht. Der Borkenkäfer hat dieses Revier fast zu einer Mondlandschaft umgewandelt. Die Trockenheit und das viel zu warme Klima bilden die besten Voraussetzungen für die drastische Vermehrung von diesem kleinen Insekt, der in der Lage ist, unseren Fichtenbestand komplett zu vernichten.

Wir pirschen durch den Kahlschlag und hören bereits die ersten Hirsche melden. Drei Hirsche sind weit vor uns, einer ist weiter rechts. „Den rechts schauen wir später an,“ kommentiert Pavel seine Pläne. „Das ist der Stärkere.“ Uns interessiert der mit der Gabel. Langsam wird es hell und wir nähern uns einer Kante. Wir stehen am Rand von einem Jungbestand, unterhalb von uns ist wieder ein Kahlschlag. Ganz unten im Tal führt ein Weg entlang, neben dem ein Bach fließt. Hinter dem Bach geht der Hang wieder hinauf und dort ist dann auch schon Grenze. Die Sonne geht langsam auf und schenkt unserer Hangseite die ersten wärmenden Strahlen. Irgendwo hier röhrt ein Hirsch, aber wo genau? Wir stehen hinter einer Buche und kontrollieren den anderen Hang. Das Röhren kommt näher, aber wir können nach wie vor nichts sehen. Jetzt, ich sehe ein Tier und ein Kalb. Jetzt zieht ein Hirsch raus! Ein junger Achter. Das Röhren sollte aber nicht von ihm kommen, die Stimme ist viel tiefer, sicherlich von einem älteren Herrn.

„Dort ist Dein Hirsch,“ wispert Pavel. Bitte? Der Achter? Das kann doch nicht wahr sein. Wir jagen auf einen alten Hirsch und nicht auf diesen jungen Buben! „Wirklich?“ frage ich ihn. „Na klar,“ antwortet er. „Lauf runter und probiere Dein Glück.“ Ich verstehe es nicht und während ich überlege, zieht noch ein weiterer Hirsch über den Bach zu uns hinauf. Mit meinem Fernglas sehe ich einen starken Zehnender mit einer Gabel. Es ist doch „mein“ Hirsch! Ich habe einen anderen Hirsch als Pavel gesehen und der wiederum nicht den Achter. Es ist zu spät um etwas zu unternehmen, da der Hirsch schnellen Schrittes die offene Kahlschlagfläche überquert. Naja, er ist da, und vielleicht kommt er morgen wieder!

Pavel beschließt, dass es zu früh ist, die Pirsch abzubrechen und schlägt vor, dass wir uns den alten Hirsch von anfangs noch einmal genauer anschauen. Er ist nach wie vor am Melden. Wir müssen ihn in einem kleinen Tal vorsichtig anpirschen. Hören tun wir ihn hervorragend, aber wieder einmal fragen wir uns, wo er ist... Unten auf einer Freifläche sehen wir zwei Stück Kahlwild. Endlich sehen wir auch ihn, ein ungerader Sechzehnender. Er ist sicherlich 12 Jahre und älter. Er röhrt und treibt das Kahlwild zurück in den Bestand. Es dauerte nur Sekunden, als uns beiden klar war, dass der sicherlich gegen 200 CIC Punkte geht und somit nichts für uns ist.

Wir machen uns langsam zurück zum Auto, auf dem Weg treffen wir noch auf einen jungen Vierzehnender und zwei Zehnender, bei allen Hirschen war es klar, dass sie die Zukunft in diesem Revier sind. „Ich muss heute meinen Junior in Brünn abholen. Für die Abendpirsch ist unser Team verstärkt!“ informiere ich Pavel am Auto. „Na dann wird es wie letztes Jahr sein, es muss erst Dein Sohn kommen, damit Du Waidmannsheil hast.“, entgegnete Pavel.

Es ist viel Verkehr, doch ich schaffe es trotzdem rechtzeitig in Brünn zu sein, wo schon meine Frau und Vojta auf mich warten. „Jungs, guten Anblick und Waidmannsheil und bestes Licht für eure Fotos,“ wünscht uns meine liebe Frau. Meine Jagdkumpel haben mich schon oft gefragt, wo ich eine solch liebe Frau gefunden habe, die so viel Verständnis für die Jagd hat und so köstlich kocht und backt. Ja, ich bin ein sehr glücklicher Mann! Ein sehr glücklicher Mann mit einem zu hohen Body-Mass-Index.

Auf dem Weg zurück ins Revier erzähle ich Vojta was ich bisher erlebt habe und von Arnos Hirsch. So vergeht die Fahrt schneller und ehe wir uns versehen sind wir zurück in der Jagdhütte und bereiten uns auf die Abendpirsch vor. Es geht zur Oder, die Gegend dort ist nasser und deshalb ein Magnet für Kahlwild und dementsprechend auch einer für Hirsche. Unser Plan war gut, wir haben viele Hirsche in Anblick bekommen, von jungen Sechsern bis zu einem Achtzehnender, der knapp unter einer Goldmedaille war. Und das nur mit 8-9 Jahren! Die Erlebnisse und Anblicke bereden wir am Abend in der Pension, wo Arno mit seinen Freunden untergebracht ist. Arno ist immer noch überglücklich - zu Recht. Die anderen Jäger waren nicht gerade erfolgreich, auch wenn schon 4 Hirsche von ihnen erlegt wurden.

Am Morgen geht es in aller Früh zu dritt los, Ziel ist wieder der Bachlauf vom Tag davor. Diesmal haben wir einen anderen Plan gefasst und verstecken uns so, dass wir alles besser überblicken können. Ein guter Plan, wenn wir denn auch Rotwild gesehen hätten, aber dies hatte andere Pläne und es zeigte sich kein einziges Stück Wild. Nicht weit von uns haben andere Hirsche geröhrt, doch bei uns im Tal war es still.

Abends soll es wieder an die Oder gehen, wieder sehen wir reichlich Kahlwild und auch Hirsche, aber alle zu jung, schnell, stark, weit usw. Egal, es ist trotzdem ein wunderschönes Erlebnis. Es wartet auch noch ein leckeres Abendessen auf uns, traditionell gibt es Gans, Kraut und Knödel am letzten Abend bevor Arno und Co, abfahren. „Melde Dich morgen früh, wenn Du Deinen Hirsch erlegst,“ bekomme ich einen klaren Befehl von Arno bevor er ins Bett geht. „Melde Dich, wenn ihr gut Zuhause angekommen seid,“ antworte ich ihm.

Am letzten Morgen wollen wir es noch einmal im Tal probieren. Wir kennen den Weg gut und pirschen langsam zur Kante. Doch auf einmal biegt Pavel ab und geht zu der Stelle, wo wir standen, als wir den Hirsch das erste Mal in Anblick bekommen haben. Pavel hat also anscheinend seine Pläne geändert. Es gab keinen Grund dafür, es war ein Gefühl und es war das richtige! Es wird gerade hell, als wir am Waldrand ankommen und den Gegenhang kontrollieren. Unten am Bach röhrt ein Hirsch. Ich sehe bereits die ersten Stück Kahlwild. Eins, zwei, drei… Insgesamt 5 Stück ziehen vom Bach über den Weg in den Kahlschlag hinein.

Hinter den Ladies steht er! Unser Hirsch! Er hebt das Haupt, legt das Geweih über den Rücken und seine Stimme ist durchs ganze Tal zu hören.

„Geh! Pirsche ihn an,´“ lautet Pavels Befehl. Aber wie? Die linke Seite des Kahlschlages ist nicht aufgeräumt, mit alten trockenen Ästen und hohem Unkraut, die rechte dafür total aufgeräumt, wo sich nur die Baumstümpfe aufragen. Ich lasse meinen Rucksack bei Pavel und Vojta liegen und pirsche schnell herunter oder bessergesagt: Ich laufe, es geht nicht anders. Der Hirsch zieht weiter nach oben, auf den aufgeräumten Kahlschlag zu, wo das Kahlwild steht. Zum Glück bin ich noch von einer Erhöhung im Kahlschlag und auch von dem hohen Unkraut verdeckt. Trotzdem bin ich ziemlich laut... Aber wozu habe ich eigentlich meinen Hirschrufer dabei?! Ich nehme ihn und ahme einen jungen Hirsch nach. Das Kahlwild ist schon weit in den Kahlschlag gezogen und interessiert sich nicht für meine Rufe, der Hirsch folgt seinem Harem. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, aber ich stelle mein Dreibein auf und suche mit der Büchse den Hirsch. Da ist er, aber ist er es auch wirklich? Pavel ist nicht da, um es mir zu bestätigen. Was mache ich nun... noch einmal mit dem Fernglas gucken? Aber dann könnte er weg sein... nein, ich muss mir ganz sicher sein. Das Fernglas bestätigt mir meine Hoffnung. Er ist es und kurz danach bricht der Schuss, der König bricht zusammen und liegt auf dem Felsen, auf dem er eben noch stand. Ich repetiere und beobachte seine letzten Bewegungen. Danach atme ich tief durch. Nun schaue ich zurück, wo Pavel und Vojta sind. Sie nähern sich mir bereits. Noch einmal schaue ich zu dem Hirsch, er liegt exakt 177 m von mir entfernt. Gut, dass ich höher angehalten habe, meine 9,3 fällt auf diese Distanz schon etwas. „Waidmannsheil! Ich war so nervös, Papa,“ poltert es aus Vojta heraus. „Los, wir gehen zu ihm,“ fordert Vojta uns auf. „Nein, wir warten noch kurz ab,“ enttäusche ich ihn.

Nach 10 Minuten machen wir uns auf den Weg zum Hirsch. Ich lasse Vojta vorgehen. „Der Hirsch lebt noch, Papa,“ ruft mein Sohn ganz aufgeregt. Tatsächlich, der Hirsch hebt das Haupt. Ich weise meinen Sohn an hinter mich zu kommen, um den Hirsch zu erlösen. Der Schuss war leider etwas zu weit oben, ein sogenannter Hohlschuss. Keine lebenswichtigen Organe waren verletzt, aber durch die enorme Druckwelle der 9,3 auf das Rückenmark, ist er zusammengebrochen. Gut, dass alles glimpflich ausgegangen ist und nun genieße ich die letzten Sonnenstrahlen mit meinem Sohn und Freund. Natürlich werden auch ein paar Fotos gemacht.

Unser Aufenthalt ist aber zum Glück noch nicht vorbei, wir haben noch einiges erlebt... Ein Achtzehnender ca. 15 m von uns entfernt, ein Kampf eben dessen mit einem alten Zehnender oder als der Achtzehnender ein Alttier nicht weit von uns geschlagen hat.

Es ist immer wieder ein Privileg für mich, solche Augenblicke erleben zu dürfen und sie vor allem mit meinem Sohnemann teilen zu können! Ich wünsche Ihnen für diese Brunft eben solche Erlebnisse.

Übrigens, gleich nachdem wir den Hirsch versorgt haben, habe ich das Arno eine Erfolgsnachricht geschickt, wie versprochen. Er hat am Nachmittag angerufen, dass er sicher Zuhause angekommen ist und sich sehr für uns freut. So muss eine echte Jagdfreundschaft aussehen.


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