Praxistest: Klettern für den Erfolg
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Praxistest: Klettern für den Erfolg

Text Patrik Bollrath
Bilder Finn Marquardt

In den USA gehört ein Klettersitz zur Standardausrüstung eines jeden Jägers. Insbesondere für alle Bogenjäger ist der Klettersitz ein Muss. In Deutschland fristet diese Art der Ansitzeinrichtung bislang noch ein Schatten-Dasein und wir wollten wissen, was es damit auf sich hat.

Warum braucht man einen Klettersitz? Diese Frage werden sich wohl viele stellen, die das erste Mal mit der Thematik in Berührung kommen. Ein Klettersitz bietet den Vorteil, dass er an jeder beliebigen Stelle im Revier mit einem passenden Baum genutzt werden kann. Ein passender Baum ist einer, der möglichst gerade astfrei ist und zudem noch eine grobe Rinde aufweist. Prädestiniert sind hierfür also beispielsweise Kiefern oder Fichten. Auch Eichen können sich bei entsprechend geradem Wuchs gut eignen, während Buchen aufgrund ihrer glatten Rinde nicht zu empfehlen sind: deren meist sehr dünne Rinde wird durch den Sitz verletzt und eröffnet Parasiten den Weg in den Baum. Zudem birgt die glatte Rinde die Gefahr eines leichten Abrutschens des Sitzes.

Der Baum der Wahl sollte einen Durchmesser von 20 bis 50 cm haben, um nach der Montage den besten Halt für den Klettersitz zu gewährleisten. Die Vorteile eines solchen liegen klar auf der Hand: Er ist an vielen Stellen im Revier schnell und ohne viel Aufwand einsetzbar. Die Sitzhöhe ist variabel und kann auf die örtlichen Begebenheiten angepasst werden. Besonders an Freiflächen mit bereits aufkommender Verjüngung bietet eine Sitzhöhe von 4-10 Meter Einblicke, die sonst nicht möglich wären. Auch auf Drückjagden kann man sich dies zu Nutze machen, da das Wild an der ausgesuchten Stelle keinen Sitz kennt, in der dichten Verjüngung meist vertraut anwechselt und verhofft, um sich zu orientieren.

In schwer zugänglichen Ecken kann der Klettersitz leicht mittransportiert werden, um ggf. neue Stellen auszuprobieren oder einem heimlichen Bock nachzustellen. Er kann zum Beispiel auch eingesetzt werden, wenn der Wind aus einer ungewöhnlichen Richtung kommt, für welche die meisten anderen Hochsitze im Revier ungeeignet sind. Mit dem Klettersitz lässt sich hier schnell reagieren und ein passender Baum finden.

Neben vielen in den USA produzierten Klettersitzen oder „Treestands“ bietet das deutsche Unternehmen Naturwerk aus Bielefeld seit 2016 das Modell KS17 an. Dieses wurde im Jahr 2016 für den KFW Innovationspreis nominiert und mit dem KFW-Testzeichen „Sicher & Funktional“ ausgezeichnet. Wir haben das Produkt nun einige Monate im Revier ausprobiert.

Zunächst möchte ich neben den oben genannten Einsatzsituationen noch einmal das Grundprinzip des Klettersitzes erläutern. Ein Klettersitz besteht aus einem Fuß- und einem Sitzteil, welche jeweils mit einem Drahtseil am ausgewählten Stamm befestigt werden. Durch den Druck, den das eigene Körpergewicht auf die beiden Segmente ausübt, verkeilen diese sich mit dem Seil und der gezahnten unteren Kante des Sitzes in der Baumrinde. Durch Anheben des Fußteils löst sich dieses und kann mit den Füßen hochgezogen werden. Wird dieses nun wieder belastet kann das Sitzteil hochgedrückt werden. In dieser „Raupenbewegung“ klettert man nun am Stamm empor, bis die gewünschte Höhe erreicht ist. Oben angekommen empfiehlt es sich, beide Teile mit einem Spanngurt zu sichern, so das keinerlei Gefahr des Abrutschens mehr besteht. Wichtig ist, dass das Sitz- und Fußteil mit am besten zwei dünnen Seilen verbunden ist. Rutscht einem das Fußteil nach unten weg, kann man sich dieses leicht wieder hochziehen. Andernfalls wäre man auf dem Baum gefangen.

Natürlich bedarf es wie bei jeder Art des Kletterns einer Sicherung. Hierzu wird ein body harness oder Auffanggurt verwendet, in welchem das Sicherungsseil und ein Abseilgerät verbunden sind. Naturwerk stellt hier verschiedene Auffanggurte zur Verfügung. Als Sicherungsseil wird ein Dynamisches Kernmantelseil verwendet, das Abseilgerat ist hinten am Auffanggurt befestigt und ermöglicht einem ein leichtes und einhändiges Abseilen, sollte man gestürzt sein und im Gurt hängen. Die Sicherung am Baum erfolgt über Rundbandschlingen mittels Ankerstich, also eine Schlaufe, die sich bei Belastung zuzieht. Naturwerk stellt hier drei verschiedene Größen zur Verfügung, die um jeden Baum passen, an welchem der Sitz befestigt werden kann.

Nach dem man auf die gewünschte Höhe geklettert ist, wird die Waffe und weitere Ausrüstung mittels eines Seiles nachgezogen. Die Waffe verbleibt während des Kletterns am Boden. Ich verwende hier einen kleinen Rucksack, der ein integriertes Futteral besitzt, und habe so alles beisammen. Auf der rechten Seite des Sitzes ist ein Haken angebracht, an dem der Rucksack aufgehängt werden kann und so nicht im Weg ist. Weiter besitzt der Klettersitz noch eine Gewehrauflage, die in der Höhe über zwei Rändelschrauben links und rechts verstellbar ist.

Für den Transport werden beide Teile in einander geschoben und mit einem kleinen Spanngurt verzurrt. Der Sitz kann nun per Hand oder mit dem mitgelieferten Rucksackriemen transportiert werden. Ich bevorzuge es, den Sitz mit der Hand zu transportieren, da ich den Rucksack mit der Waffe und der übrigen Ausrüstung auf dem Rücken trage. Bei einem Gewicht von 9,5 Kg ist der Sitz gut auch über längere Strecken zu tragen. Der Rahmen des KS17 besteht aus stabilem Aluminium und ist bis 135 kg belastbar.

Der Klettersitz ist sehr gut verarbeitet und macht einen wirklich stabilen Eindruck, was sich beim Klettern bestätigt hat. Der Aufbau geht auch ungeübten Personen schnell und einfach von der Hand und das Klettern ist nicht nur etwas für Sportler. Jeder, der auch nur einigermaßen fit ist, kann schnell und einfach mit dem Sitz klettern. Mit etwas Übung und bei guter Vorbereitung ist man in ca. 10 – 15 Minuten auf dem ausgewählten Baum eingerichtet und in Position. Idealerweise hat man sich schon vor dem geplanten Einsatz einen Baum ausgesucht und diesen gegebenenfalls mit einer kleinen Säge entasten, sollten sich noch störende Äste an ihm befinden. Das Klettern kann mit etwas Übung durchaus leise erfolgen, das Wild stört sich in der Regel nicht daran. Dennoch bin ich mit dem Klettersitz immer etwas früher als gewöhnlich unterwegs, um wieder etwas Ruhe einkehren zu lassen. Besonders hervorzuheben ist der schnelle und unkomplizierte Aufbau. Jeder hat Stellen im Revier, an denen man gerne einen Sitz hätte, dieses sich jedoch nur temporär lohnen würde oder logistisch einfach nicht möglich ist. Ein Klettersitz könnte hier die ideale Lösung sein, man entdeckt neue Plätze im Revier, die man vorher nie bejagt hat oder nie bejagen konnte. Zudem kommt das Wild meist sehr nah und vertraut, da es an solchen Stellen keine Ansitzeinrichtungen kennt. Alles in allem ist der Klettersitz mehr als ein Spielzeug und findet seinen Einsatz natürlich vorwiegend im Waldrevier. Die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten bieten einem die Chance, auf unterschiedlichste Gegebenheiten schnell und somit auch für das Wild nicht kalkulierbar zu reagieren. Im Gegensatz zu einem Drückjagdbock oder einer Aluleiter lässt sich der Klettersitz deutlich einfacher bewegen und transportieren. Der Preis für den KS17 von Naturwerk liegt momentan bei 399,- €, das Kletterzubehör (Auffanggurt, Abseilgerät, dynamisches Kernmantelseil und Rundbandschlinge) kann als Zubehör erworben werden und ist unbedingt zu empfehlen.

Ich bin sehr beeindruckt von der Vielseitigkeit des Klettersitzes, auch wenn es mich zunächst Überwindung gekostet hat, über die 6 Meter-Marke zu klettern. Oftmals ist eine Höhe von 2-3 Metern jedoch völlig ausreichend - und es macht einfach Spaß von diesem selbsterarbeiteten Sitz aus Beute zu machen.


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