Blattzeit und Brunft
Jagdgeschichten

Blattzeit und Brunft

Text & Bilder Johannes Maidhof

Die Blattzeit birgt so manchen Mythos: Unbekannte Recken, treibende Böcke und fiepende Ricken lassen das Herz eines jeden Rehwildjägers höher schlagen. Wenn nach heißen Tagen die Luft abends abkühlt oder ein lauer Morgen die Nacht verdrängt, warten tolle Jagderlebnisse im sommerlichen Revier. Ob hinter dem Tarnschirm, vom Hochsitz oder dem Bodenstand aus, blatten ist grundsätzlich von jeder Reviereinrichtung aus möglich, wenn man ein paar Dinge beachtet. Ein besonderer Reiz liegt der Pirsch inne: wenn der Liebesdurst dem Bock die Sinne verwirrt, kommt man ihm so nah wie sonst nur selten, beherrscht man das Handwerk mit den zahlreichen Lockinstrumenten.

Über den richtigen Zeitpunkt wird viel diskutiert. Aufgrund des Klimawandels sei die Blattzeit in heißen Jahren früher, schon im Juni sieht man Böcke treiben und die Erlegerbilder von „Blattböcken“ machen bereits ab Mitte Juli die Runde.

Doch wenn die Wetterlage die Paarungszeit von Tieren beeinflussen würde, müssten dann nicht auch andere Wildarten ihre Fortpflanzung verschieben?

Treiben sie schon?

Zunächst ist festzuhalten, dass Brunft nicht dann ist, wenn hitzköpfige männliche Stücke den Damen den Hof machen, sondern dann, wenn diese den Avancen auch stattgeben. Tatsächlich produzieren die Brunftkugeln der Rehböcke bereits ab Mai fortpflanzungsfähigen Samen. Das voranschreitende Jahr kurbelt die Hormonausschüttung an und wenn ihn die Ricken ließen, so manch ein Bock würde sicher auch schon im Frühsommer den Beschlag vollziehen.

Das Bedrängen der weiblichen Stücke aus diesem Übermut heraus, dem sich diese durch hohe Fluchten entziehen, hat mit dem eigentlichen Treiben noch nichts zu tun. Denn dazu gehört eine brunftige Ricke, die sich überhaupt erobern lassen will. Sie springt nicht ab, sondern lässt sich treiben und zieht den Bock durch ihren verführerischen Hormonduft hinter sich her. Stundenlang kann sich dieses Ritual hinziehen, unterlegt mit schmachtenden Fieplauten. Durch den „Paarungstanz“ entstehen dann in Wiesen die so genannten Hexenringe als kreisförmige Spur der Liebestollen.

Natürlich kann ein Bock schon vor der eigentlichen Brunft dem blattenden Jäger zustehen, dies aber eher aus Neugier oder Konkurrenzverhalten. Die ersten Blattböcke der Saison sind daher meist auch Jährlinge, unerfahrene Heißsporne, die ihre frühe Chance witterten. Oder aber es gelingt, durch das Vorgaukeln eines paarungswilligen Konkurrenten den Platzbock auf den Plan zu rufen. Doch dieser steht kurz vor der Brunft meist schon bei seiner Ricke, wähnt sich seiner Sache sicher und spart sich die Energie eines Kampfes mit dem Nebenbuhler lieber für den Akt mit der Liebsten auf.

Die Brunft

Die Brunft des Rehwildes beginnt etwa 9 – 10 Wochen nach dem Setzen der Kitze, Schmalrehe können in der Regel etwas eher brunftig werden. Der Hormonschub, der die Brunft auslöst, wird mutmaßlich durch die Anzahl der Sonnenstunden eines Tages eingeleitet, die Zeit von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Dies wird vom Organismus unabhängig von der Temperatur wahrgenommen und es spielt auch keine Rolle, ob es über längere Zeit stark bewölkt ist und die Tage deshalb als weniger hell wahrgenommen werden. Die Lichtstunden nach der Sommersonnenwende, dem „längsten Tag“ am 20., 21. oder 22. Juni, wird hier den Ausschlag geben. Da die meisten Kitze im Flachland Mitte Mai/Anfang Juni gesetzt werden, ist mit der Brunft ab Ende Juli zu rechnen. Um den 1. August herum sind die meisten weiblichen Stücke brunftig. Auch kann es vorkommen, dass Kitze schon früher geboren werden und deren Ricken werden natürlich auch eher brunftig, doch dürften diese frühen Setztermine eher die Minderheit im Revier bilden.

Die Blattzeit

Die eigentliche Blattzeit gleicht dabei nicht der Spanne der Brunft. Um den 1. August sind die meisten Ricken brunftig und werden beschlagen. Erst, wenn dieser Zenit der Rehbrunft überschritten ist beginnt die eigentliche Blattzeit, denn nun ziehen die Böcke umher und suchen nach verbliebenen brunftigen Stücken. Wahre Sternstunden der Blattzeit erlebt man daher eher in den ersten beiden Augustwochen, wenn der Großteil der Ricken beschlagen ist und es die Böcke auf die Läufe treibt. Erfahrene Blattjäger schwelgen von ihren besten Blattjagderlebnissen etwa Mitte August, wenn die Anzahl brunftiger Ricken immer geringer wird.

Wem es um die Abschussplanerfüllung geht und wer nicht selektiv jagt, der kann sich natürlich die komplette Brunft und das Vorgeplänkel zu Nutze machen, wenn die Böcke dem Müßiggang der Feistzeit erwachen. Die Blattzeit im klassischen Sinne gilt aber der gezielten Jagd auf einen reifen Bock.

Hier zahlt sich ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis aus. Wer bei der Blattjagd erfolgreich sein möchte, muss seine Hausaufgaben bereits im Herbst des Vorjahres, bei der Jagd auf weibliches Rehwild erfüllen. Denn ist durch ein unausgewogene Geschlechterverhältnis die „natürliche Auswahl“ einfach zu groß, wird es selbst mit den leidenschaftlichsten Tönen aus dem Locker nur schwer gelingen, den Bock zum Zustehen zu bewegen.

Blattjagd-Basics

Ein paar weitere Dinge gilt es zu beachten:

Standort

Der Bock springt ungern vom Dunklen ins Helle. Am Waldrand auf der sonnigen Wiese sitzend, wird es schwierig den Bock aus dem schattigen Bestand zu locken. Altholzbestände sind gut geeignet oder schattige Bestandsränder, auch Zwischenräume im offenen Feld bzw. Übergangszonen sind vielversprechende Blattstände.

Ansitzeinrichtung

Sie können von jeder Reviereinrichtung aus erfolgreich blatten, eine geschlossene Kanzel bietet beste Deckung, aber die wenigste Übersicht. Offene Kanzeln, Leitern oder natürlich Bodenstände sind meist besser geeignet. Auch Drückjagdböcke lassen sich hervorragend nutzen, oder man sorgt mit einem Tarnnetz kurzum für einen temporären Blattstand.

Prinzipiell gilt, je höher sie sitzen, umso weiter wird der Schall getragen. Das vergrößert natürlich die Reichweite, kommt der Bock in Anblick sollten sie die Locklaute aber nur noch sehr verhalten und möglichst gedämpft erklingen lassen. Es ist schließlich unwahrscheinlich, dass Ricken von den Baumkronen aus fiepen.

Wetter

Zwar ist für das eigentliche Brunftgeschehen das Wetter nicht mitbestimmend, wohl aber für die Tageszeit, in der hauptsächlich gebrunftet wird. Bei sengender Hitze und anhaltender Trockenheit, verschiebt sich die Aktivität in die kühleren Nachtstunden. Hier hat der Frühaufsteher an einem kühlen Morgen größere Erfolgsaussichten, schwüle Nachmittage bieten Möglichkeiten nach Feierabend. Als beste Blattjagdbedingungen gelten bedeckter Himmel, am besten die Zeit nach Regenschauern und kurzen Sommergewittern. Strömender Regen mindert das Brunftgeschehen grundsätzlich nicht, jedoch verschlucken die prasselnden Tropfen unter Umständen die Lock-Geräusche und schränken daher die Reichweite ein.

Ausrüstung

Ein schweres Nachtglas braucht man für die Blattjagd nicht zwingend, ein leichtes Pirschglas zum Sondieren der Lage reicht im Normalfall aus. Das Ansprechen muss ohnehin schnell geschehen, oft erfolgt der entscheidende Blick schon durchs Zielfernrohr. Wählen Sie lieber eine Zieloptik mit kleiner Grundvergrößerung oder besser noch variablem Verstellbereich. Der Schuss erfolgt selten auf hohe Distanz, da der suchende Bock aber viel in Bewegung ist, verliert man mit hoher Vergrößerung und geringem Sehfeld schnell den Überblick. Die Wahl der Waffe sollte so erfolgen, dass man diese blind bedienen kann. Ob Kombinierte, Repetierer, Kipplaufbüchse oder Halbautomat, wenn der ersehnte Recke vor Ihnen steht, sollten sie nicht erst überlegen müssen, wo sich die Sicherung befindet oder ob der Abzug über einen deutschen oder doch einen Rückstecher verfügt.

Tarnung

Der zustehende Bock sucht vor allem mit den Lichtern. Aufmerksam beäugt er die Umgebung, wo sich denn nun die vermeintliche Herzensdame befindet, die da so lüstern fiepte. Vermeiden sie deshalb ruckhafte Bewegungen, das Gewehr sollte griffbereit sein, um sich schnell und geschmeidig in Anschlag bringen zu lassen. Tragen Sie am besten Handschuhe und wenn nötig einen Gesichtsschleier, die hellen hautfarbenen Flecken von Gesicht und Händen sind auch für kurzsichtige Böcke alarmierend. Lange Ärmel sind Pflicht und Jäger mit lichtem Haupthaar sei dringend eine Kopfbedeckung empfohlen. Insektenspray hilft, um nicht durch auffällige Abwehrbewegungen anwechselndes Wild zu vergrämen. Je weniger Deckung die Ansitzeinrichtung bietet, umso mehr muss der Jäger sich selbst tarnen. Für den Pirschjäger, der sich nur mit dem Zielstock hinter natürlicher Deckung bewegt, ist Camouflage sinnvoll, um mit der Umgebung zu verschmelzen. Der Wind ist wie bei jeder anderen Jagdart auch, selbstverständlich zu beachten.

Blatter

Buchenblatt, das Laub anderer Baumarten, Grashalme, Mundblatter aus Holz, Kunststoff oder Horn, Handblatter – Die Palette an Lockinstrumenten reicht sehr weit. Geübte Virtuosen blatten sogar nur mit den Lippen oder auf dem Handrücken. Auch auf einem Geldschein lassen sich die Locklaute formen. Es soll bei geführten Jagdgästen geholfen haben das Trinkgeld zu erhöhen, indem man angab, ein großer Bock lasse sich nur auf einem großen Schein heran blatten. Stimmt das Geschlechterverhältnis und befinden Sie sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, so kommt es auf die richtigen Laute eher weniger an, der Bock springt Überlieferungen zufolge sogar auf eine quietschende Fahrradkette oder das Knarzen der Kanzeltür.

Für welchen Locker Sie sich auch entscheiden, die Brunftlaute des Rehwildes lassen sich mit etwas Übung mit den meisten Varianten nachahmen:

Fieplaut

Dieser Ton ist brunftunabhängig, so ruft die Ricke zum Beispiel ihr Kitz.

PIÄ

Der so genannte PIÄ - Laut ist der charakteristische Brunftlaut. Die Ricke ist brunftig und ruft nach einem Bock. Auf diesen Ton stehen besonders auch Jährlinge und geringe mehrjährige Böcke zu, die eine schnelle Chance wittern, dem Platzbock zuvor zu kommen.

Treibender Bock

Diese Rufserie besteht aus aneinander gereihten, schmachtenden PIÄ-Lauten. Wir simulieren damit Konkurrenzdruck, nämlich eine brunftige Ricke, bei der sich ein Bock eingefunden hat, dem sie wohlgesonnen ist. Sie lässt sich von ihm treiben, der Beschlag steht unmittelbar bevor. Das kann sich der Platzbock nicht bieten lassen!

Sprengfiep

Damit provoziert man den Beschützerinstinkt des Platzbockes. Die Ricke wird von einem Bock bedrängt, dem sie nicht zugetan ist. Hektische, empörte PIÄ-Laute ausstoßend versucht sie, sich ihm zu entziehen. Gegen Brunftende, nach der ersten Augusthälfte, werden diese Laute noch hysterischer und entwickeln sich zum Angstgeschrei. Damit wird dann die Eifersucht auf die Spitze getrieben.

Kitzfiep und Klagelaut

Der Bock steht bei der Ricke und es gelingt nicht, ihn mit den Rufserien zu bezirzen. Nun kann mit dem Kitzfiep die Ricke gelockt werden, in der Hoffnung, dass der Bock ihr folgen wird. Der Kitzklagelaut wirkt auf die Mutterinstinkte der Geiß natürlich höchst alarmierend, so dass sie oft mit hohem Tempo zustehen wird.

Wann welcher Lockton angebracht ist, kann sich je nach Blattstand, Zeit und Tagesform unterscheiden. Wie immer auf der Jagd braucht es am Ende auch ein kleines Quäntchen Glück.

Zum Abschluss noch ein wichtiger Tipp, vielleicht der wichtigste von allen: Reife Böcke kann es natürlich nur in den Revieren geben, in denen man auch mal einen jungen laufen lässt.

In diesem Sinne Waidmannsheil, stets guten Anblick und allzeit eine sichere Kugel.


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