Die Nachtjagd und die Technik
Jagdgeschichten

Die Nachtjagd und die Technik

Text & Bilder Ales Maxa

Nachtsicht(ziel)- oder Wärmebild(ziel)geräte: Schlagworte, die man heutzutage sehr oft in allerlei jagdlichen Gesprächen hört. Die Jägerschaft ist dabei geteilter Meinung: einige sehen in ihnen den Untergang der klassischen Jagd, andere die Möglichkeit, mehr, effektiver und vor allem in allen Bereichen deutlich sicherer zu jagen. Ich muss gleich am Anfang klarstellen: hier bei uns in Tschechien ist die jagdliche Nutzung auch von Zielgeräten für die Schwarz- und Raubwildjagd erlaubt. Ich glaube, dass ich anhand meiner Erlebnisse der letzten Tage gut darstellen kann, wie ich diese Geräte finde und welche Einstellung ich zur Jagd mit ihnen habe. Als Beobachter verwende ich mit der Pulsar Quantum Lite 23, ein sehr einfaches Gerät, als Zielgerät dann ein amerikanisches ATN MARS-HD 640 2,5-25x.

Nun denn: unsere Jagdgesellschaft setzt jedes Jahr einige Stockenten aus. In diesem Jahr waren sehr viele plötzlich verschwunden. Was war geschehen? Raubwild? Schlechtes Wetter beim Aussetzen (kalt und regnerisch)? Vielleicht beides – egal, mein Plan ist einfach: ich werde dort ansitzen und dann sehen können, ob vielleicht Füchse dahinterstecken. Der erste Ansitz ist auf einer Leiter, die über dem Teich mit den Enten gelegen ist. Unter mir eine enge Wiese am Waldrand, dann verbreitert sich das Ganze zu einem Maisfeld und am Ufer des Teiches dann wieder eine enge Wiese. Von der Leiter aus habe ich einen guten Ausblick bis zum Teich und kann durch das Wärmebildgerät auch die kleinste Bewegung sofort wahrnehmen.

Der Abend ist warm, einige Stücke Reh- und Damwild ziehen auf die Wiesen aus. Ich hatte gehofft, dass vielleicht auch ein Knopfer in Anblick kommt, aber nein, und auch kein Fuchs. Ich war ehrlich gesagt eher überrascht, hatte ich doch andere Erwartungen gehabt. Ich steige ins Auto und fahre langsam auf einem Feldweg zum Teich. Nicht weit vom Damm sehe ich eine Bewegung vor mir im Scheinwerfer: Ein Jungfuchs! Er flüchtet zurück auf den Damm und verschwindet im Gebüsch. Am Ende des Dammes ist eine kleine Leiter – sofort ist klar, wo ich morgen Abend ansitzen werde.

Die Erwartungen an den nächsten Ansitz waren also hoch – und er hat diese voll erfüllt: schon nach nicht mal einer halben Stunde sehe ich vor mir einen großen Fuchs. Es ist aber kein Jungfuchs, ein ordentlicher Brocken auf zirka 250m. Kommt er näher? Oder doch nicht? Ich probiere, ihn mit Mäuseln näher zu locken. Erfolglos. Nach ein paar Minuten verschwindet er im Wald. Der Abend wird langsam finsterer und finsterer. Dort, eine Bewegung! Genau da, wo der Fuchs vorher verschwunden ist. Ein Alt- und zwei Jungfüchse! Sie ziehen über die Wiese ins Maisfeld. Ich sehe sie in meinem Fernglas, aber obwohl sie näher sind als zuvor, 100 m vielleicht, bekomme ich sie nicht sicher ins Glas. Alle drei ziehen in den Mais und dann wieder heraus, sie sind aber schon wieder über 250 m von mir entfernt. Ich klettere schnell von meiner Leiter und versuche, sie noch mit meinem Dreibein anzupirschen. Erfolglos, es ist zu finster. Schade! Ich muss meine Strategie ändern.

Meine klassische Zieloptik ist ein Zeiss Victory Diavari und damit schon ein wirklich gutes Glas, aber es hat einfach nicht gereicht. Also kommt jetzt mein Wärmebildzielgerät ins Spiel. Es ist kurz vor Mitternacht, als ich mich auf den Weg zum Ansitz mache. Ich will wieder zu der Leiter am Damm und lasse das Auto zirka 300m vor dem Teich zurück. Ich bin nicht mal 20m gelaufen, als ich mit meiner Wärmebildkamera die Gegend kontrolliere – und vor mir einen Fuchs sehe! Mein ständiger Begleiter, das Dreibein, ist sofort bereit und das Zielgerät angeschaltet. Der Jungfuchs steht breit und sichert zu einem weiteren hinüber, der etwas seitlich steht. Der Schuss lässt ihn einfach im Feuer liegen. Ich repetiere und warte, was der Zweite macht - er kehrt zurück, aber zu schnell! Egal – ich gehe zum erlegten Rotrock und erweise ihm die letzte Ehre. Was nun? Soll ich nach Hause fahren oder doch noch zum Teich pirschen? Ich entscheide mich für das Pirschen und stehe bald hinter der Leiter, um mit der Wärmebildkamera die Wiese vor mir zu kontrollieren. Da, in der Ecke der Wiese - ein Fuchs! Das Szenario wiederholt sich und ich strecke innerhalb von 10 Minuten den zweiten Reineke! So einen schnellen Jagderfolg habe ich nicht erwartet! Ich fahre zufrieden nach Hause. Die Nacht war kurz, aber erfolgreich! Zwei Füchse wurden also nicht weit vom Teich gestreckt, den alten Fuchs mit seinen beiden Jungen aber habe ich nicht mehr gesehen. Also heißt es: es geht weiter! Es ist Mitternacht, als ich es mir auf der Leiter bequem mache. Die erste halbe Stunde ist ruhig, nur ein paar Stücke Reh- und Damwild stehen vor mir auf der Wiese. In der Tasche habe ich noch die Wiesel-Lockpfeife, ich sollte sie mal probieren! Einmal, zweimal hallt der Ton durch die stille Nacht. Regelmäßig kontrolliere ich die Wiese vor mir. Aha! Füchse von links! Aus dem Maisfeld ziehen zwei Jungfüchse, setzen sich ins kurze Gras und verhoffen in meine Richtung. Ich wiederhole das Locken, beide verschwinden im Mais. Sofort aber sind sie zurück, ein bisschen näher und einer zieht langsam auf mich zu. Er macht immer wieder ein paar Schritte und bleibt dann kurz stehen. Nach zirka 50m dreht er mehr zur Seite und zeigt mir sein Blatt. Der Schuss beendet das kurze Leben dieses Jungfuchses. Der andere verschwindet sofort im Mais und gibt mir damit keine Chance, einen zweiten Schuss abzugeben. Man sieht, dass wir wirklich viele Jungfüchse im Revier haben. In diesem Revierteil wurde vorher in diesem Jahr nur ein einziger Fuchs erlegt, ich sollte mein Glück noch einmal hier probieren. Auf dem Weg zum Ansitz habe ich ein schönes Erlebnis – auf dem Damm treffe ich auf immerhin 13 Frischlinge. Sie hatten keine Angst und ich konnte sie mit meinem Handy filmen. Ich fahre weiter, auf einem Feldweg an einem Weizenfeld sehe ich dann die nächsten, noch einmal ca 10 Frischlinge! Ein schöner Start der heutigen Jagd! Morgen muss ich diese Felder kontrollieren, nicht, dass die Sauen im Weizen schon zu große Schäden machen.

Es ist fast halb zwei, ich sitze schon eine Stunde und kein Fuchs in der Sicht. Da ich müde bin, steige ich von der Leiter und entscheide mich, entlang des Teichs am Schilf zu pirschen. Kaum von der Leiter, schon sehe ich mit der Wärmebildkamera einen Fuchs im Mais stehen. Er zieht entlang der Wiese, immer im Mais als Deckung. Mein Dreibein und meine Büchse sind vorbereitet. Mit der Wiesel- Lockpfeife versuche ich, den Fuchs ins Freie zu locken. Schon beim ersten Ton ist er sofort auf der Wiese - der vierte Jungfuchs innerhalb von vier Tagen liegt!

Es ist bereits drei Uhr, als ich mich in Bett lege. Ich werde nur drei Stunden schlafen, weil ich früh aufstehen und geschäftlich nach Prag fahren muss. Um halb sechs klingelt mein Handy. Es ist aber nicht der Wecker, sondern ein Anruf. Ein Jagdkollege hat einen Frischling in dem Weizenfeld erlegt, an dem ich die zweite Rotte gesehen habe. Dabei hat er aber noch anderen Schweiß entdeckt und möchte jetzt, dass ich mit meinem Hund Brok kontrolliere, ob irgendwo nicht auch der zweite Frischling liegt. Ich muss meinen Plan mit der Abreise etwas verändern…

Am Anschuss überprüfe ich, wohin die zweite Schweißfährte führt. Brok entdeckt natürlich sofort den Schweiß, macht einen Kreis und führt mich in den Wald. Ich habe keine Bestätigung mehr, aber Brok liegt fest im Riemen und ich vertraue ihm. Nach etwa 100m im Wald führt die Fährte in eine Verjüngung, die so dicht ist, dass ich auf allen Vieren weiterkrabbeln muss. Ich habe mein Ortungsgerät zu Hause gelassen und nicht weit von uns ist ein großer Rapsacker, also will ich Brok nicht schnallen. Jetzt zieht er aber auch nicht mehr so intensiv. Ich gehe zurück zum Feld und wiederhole die Strecke noch zweimal. Doch weiter als eben bis zu dieser Verjüngung kommen wir nicht. Das Stück scheint nicht schwer angeschweißt zu sein, wir geben vorerst auf. Am Nachmittag komme ich mit Brok und seinem Ortungs-Halsband wieder hin, um weiter nach dem Stück zu suchen - wieder erfolglos. Der Weizen aber zeigt deutlich, dass die Sauen hier regelmäßig zum Abendmahl vorbeischauen. Der Bauer wird nicht begeistert sein, wenn er sein Feld sieht!

Wo soll ich heute sitzen? Ich glaube, es gibt immer noch genug Füchse am Teich, also der Plan ist klar. Der Weg aber führt wieder am Weizen vorbei. Ich entschließe mich, einfach nur zu schauen, ob hier etwas los ist. Es ist kurz vor Mitternacht, als ich auf dem Feldweg anhalte, meine Wärmebildkamera zur Hand nehme und mir das Feld anschaue. Das kann doch nicht wahr sein! 17 große Stücke Schwarzwild sind im Weizen verteilt! Und es ist ihnen völlig egal, dass ich mit dem Auto auf dem Feldweg angehalten habe! Das darf ich nicht so stehen lassen! Ich nehme mir Büchse sowie das Dreibein und überlege, was ich mache. Etwas weiter rechts ist eine Remise, an der die meisten Stücke stehen und Frischlinge zu sehen sind – das ist Ziel meiner Pirsch. Erst kurz über eine Wiese, doch dann muss ich weiter in den Weizen. Meine Schritte sind nicht gerade leise, aber es ist ein bisschen windig. Ich hoffe also gute Chancen zu haben, diese Rotte anzupirschen. Es geht, langsam, aber es geht. Die Rotte ist gerade am Feld-/Waldrand. Es sieht so aus, als wollte sie in die Remise ziehen, ich muss mich beeilen. Jetzt – ein Frischling steht schön breit. Nach dem Schuss sehe ich den Frischling sofort verenden. Zu meiner Überraschung habe ich nicht gesehen oder gehört, wohin die gesamte Rotte verschwunden ist, aber immerhin – einer liegt ja! Ich erweise dem Stück letzte Ehre – dann überlege ich: ich habe Brok im Auto, ich sollte diese Möglichkeit nutzen, eine Schleppe mit dem Frischling zu machen. Zirka 200 m schleppe ich den Frischling und hole dann Brok. Sofort findet er den Schweiß und zieht mich mit großer Sicherheit gerade über die frische Fährte. Er macht mir Freude! Es ist halb vier, als ich nach dem Aufbrechen und Versorgen des Stückes im Bett bin. Auch diese Nacht wird wieder kurz sein!

Mein Plan für den nächsten Jagdabend ist einfach: Die Sauen wissen, wo der reife Weizen steht – also werde auch ich wieder dort jagen! Dieses Mal sitze ich ein bisschen weiter am Waldrand, wo eine Leiter steht, die ich zum Glück vor kurzem mit einem Kollegen repariert habe. Ich sitze nicht mal 10 Minuten, als ich eine Rotte sehe, die aus dem Weizen auf die Wiese und gleich weiter in den Wald zieht. Und hier mache ich einen Fehler! Ich dachte vom Winkel her, dass sie direkt am Rand des Feldes sind. Doch tatsächlich sind sie deutlich weiter, als ich es geschätzt hatte. Nach dem Schuss flüchtet die Rotte zurück ins Feld. Ich sehe ein Stück, das langsamer ist. „Das könnte mein Frischling sein!“ denke ich mir. Die Rotte zieht nicht weit von mir in den Weizen, ein Frischling verhofft kurz – er bleibt im Feuer. Das war aber schnell! Liegt der erste Frischling am Feldrand? Nein, er ist nicht da! Kein Schweiß, nichts! Brok überprüft die Gegend und findet auch nichts! Für solche Zwecke nehme ich alle Schussszenen auf der Wärmebildzielkamera auf, also kann ich mir jetzt die gesamte Sequenz noch einmal anschauen. Unglaublich: Der Anschuss war deutlich weiter, als ich dachte, fast 250m! In der Früh werde ich das noch einmal überprüfen. Ich fahre zum zweiten Frischling und lasse Brok ein Wenig totverbellen. Ich nutze jede Möglichkeit, um mit ihm zu trainieren. Und er macht mir wieder große Freude! In der Früh sind wir wieder da und gehen durch die Wiese, das Feld und den Wald vor und zurück, aber wieder erfolglos. Gott sei Dank, das Stück wurde wenigstens sauber gefehlt!

„Soll ich es hier noch einmal probieren?“ überlege ich meine weiteren Pläne. Ich denke schon, doch vielleicht eher später. Es ist halb zwei, als ich am Weizen stehe. Sofort sehe ich in der Remise wieder eine Rotte! Ich muss aber diesmal quer über das offene Feld pirschen, sonst komme ich nicht näher. Das ist „frech“, geht aber nicht anders. Die Rotte lässt mich relativ nah an sie heranpirschen, aber ich sehe leider nur die Bachen. Wo sind die Frischlinge? Die großen Stücke ziehen aus der Remise zurück ins Feld. Und die Frischlinge? Da sind sie, sie ziehen auch mit. Doch immer etwas zu schnell und immer so, dass ich das Blatt nicht sehe. Das vorletzte Stück aber macht einen Fehler und zieht ein bisschen mehr zur Seite… Nach dem Schuss zieht die gesamte Rotte auf mich zu, die Bachen höchstens 10m an mir vorbei! Aber wo genau ist der Anschuss? Wieder nutze ich die Möglichkeit, die aufgenommene Szene im Gerät abzuspielen. Ich sehe es klar – die beiden im Hintergrund nebeneinanderstehenden Kiefern kann man nicht übersehen. Sehr leicht finde ich so Schweiß. Brok wird wieder an den Schweißriemen gelegt und zieht sofort aus der Remise in den Weizen. Kaum 30m im Feld liegt der Frischling, wie sein dunkler Laut sofort vermeldet – Suchenheil!

Es waren wirklich intensive Tage, all diese Geschichten habe ich innerhalb von nur acht Tagen erlebt. Ohne Wärmebildtechnik hätte ich ausdrücklich KEINES dieser Stücke erlegen können, ohne mein kleines Beobachtungsgerät die allermeisten davon, insbesondere die Füchse, nicht einmal überhaupt auch nur entdeckt. Also uneingeschränkt ja, diese Technik kann wirklich viel helfen, man sieht und lernt wirklich jeden Tag unfassbar viel Neues! Es hängt aber immer davon ab, wie wir Jäger damit umgehen. Haben wir Schaden auf den Feldern? Müssen wir das Raubwild intensiv bejagen? Brauchen wir eine Hilfe, wie und wo der Schuss genau war? Ist das Stück vor mir eine Bache oder ein Keiler? Stehen Frischlinge bei ihm? Wie „breit“ steht es überhaupt, wie sicher ist der Schuss und vor allem der Schusshintergrund? Wo ist Schweiß? Wärmebildtechnik kann solche Fragen oft schnell und richtig beantworten. Natürlich ist auch bei ihr immer eine Fehlerquelle zu finden – der Mensch…


Laden...