Eine Doublette und eine Jagdfreundschaft
Jagdgeschichten

Eine Doublette und eine Jagdfreundschaft

Text & Bilder Ales Maxa

Was bedeuteten Jagdfreundschaften für Sie? Für mich sind sie das Salz in der jagdlichen Suppe, einfach unverzichtbar. Wir genießen mit unseren Jagdfreunden gemeinsam jagdliche Momente oder erzählen sie uns aufgeregt im Anschluss, wir laden uns gegenseitig zu Jagden ein, in vielen Fällen befreunden sich dabei auch die Familien der Jäger. Dies alles verstärkt die Jagd und unsere Emotionen dabei.

Eine von meinen Jagdfreundschaften stammt schon aus dem Jahre 1995, als ich mein Praktikum bei einer Forstverwaltung absolvierte und dabei Thomas kennenlernte. Er war dort als Förster angestellt, schon damals haben wir die ersten gemeinsamen Jagdmomente erleben können. Seitdem haben unsere wechselseitigen Besuche eine regelmäßige Tradition: er kommt immer im Herbst zu mir und wir jagen auf Dam- und Schwarzwild, im Juni oder Juli bin ich dann dran und besuche Thomas zur Bockjagd. Ich nutze diese Gelegenheit immer für einen Familienausflug – ein verlängertes Wochenende im Salzkammergut ist immer ein großartiges Erlebnis (selbstverständlich neben der Jagd). Ich werde jetzt ein paar Jahre zurückreisen und euch erzählen, wie mir bei Thomas einmal sogar eine Doublette gelungen ist.

Unsere Reise zu ihm führt immer über Mühlviertel in Oberösterreich, wo ich viele Freunde aus meiner Praktikumszeit habe. Besonders Wilfried und seine Frau Marianne, die mir damals eben mit dem Praktikum geholfen haben, müssen wir jedes Mal unbedingt besuchen. Wilfried ist eigentlich auch ein langjähriger Jagdfreund. Ich habe ihn und seinen Sohn im Jahre 1993 kennengelernt. Auf einer Jagd im Revier meines Onkels im Böhmerwald waren die beiden damals meine ersten Gäste, die ich als Pirschführer begleitet habe. Mit Stefan habe ich damals sein erstes Stück Rotwild erlegen können, mit Wilfried haben wir dann immerhin fast einen Überläufer erlegt. Marianne und Wilfried warten nun jedes Jahr mit dem Mittagessen auf uns – und da wir schon seit Jahren immer mit unseren Kindern kommen, ist es auch angenehm, eine kleine Reisepause einzulegen. Dabei müssen wir natürlich alles berichten, was im vergangenen Jahr passiert ist, was es Neues in unseren Revieren gibt, was erlegt wurde und welche Pläne uns zukünftig vorschweben.

Die Zeit bei Marianne und Wilfried ist immer sehr nett und vergeht viel zu schnell. Es geht aber nicht anders, wir müssen uns auf den Weg machen, damit wir rechtzeitig bei Thomas eintreffen - wir wollen ja am Abend noch ansitzen.

Obwohl es Freitag war, war der Verkehr nicht so schlecht damals, also kamen wir auch bei Thomas rechtzeitig an. Natürlich wiederholte sich erst einmal alles wie bei Marianne und Wilfried – wieder erzählen wir alle, was es Neues gibt, seitdem wir uns zum letzten Mal im vergangenen November gesehen haben. Mit Thomas, seiner Frau Karin und ihren Kindern Magdalena, Michi und Max haben wir immer Vieles zu besprechen. Aber was das Schlimmste dabei ist – man sieht, wie schnell das Leben vorüberzieht. Als ich damals Thomas kennengelernt habe, war Max etwas über ein Jahr alt und Michi wurde gerade geboren. Und jetzt? Jetzt sind sie beide schon erwachsen. Na ja, nur wir werden „jünger“…

Wir lassen unsere Frauen mit den Kindern zu Hause und müssen uns schnell umziehen, um rechtzeitig im Revier zu sein. Endlich! Ich liebe die Augenblicke, wenn ich mich mit Thomas auf zur Jagd mache – egal ob bei uns oder bei ihm. Schon sitzen wir im Auto und Thomas erzählt mir, dass er einen älteren Bock kennt, auf den wir heute ansitzen werden. Früher im Jahr stand er regelmäßig bei einem alten Hochstand, leider hat Thomas ihn längere Zeit nicht in Anblick bekommen. Egal, wir haben noch einige Pirschen vor uns, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Das Auto lassen wir auf der Forststraße stehen und machen uns auf den Weg zum alten Hochstand. Er steht in einem alten Tannen- und Fichtenbestand mit starker Buchenverjüngung. Direkt vor uns verläuft ein alter Waldweg – wenn ich sehe, wie dicht die Buchenverjüngung ist und wie schnell die Buche hier wächst, dann ist es mir klar, dass dieser bald im Bestand verschwunden sein wird.

Obwohl wir nicht die Damen sind, setzen sich unsere Gespräche auch hier intensiv fort. Sechs Monate haben wir uns nicht gesehen, inzwischen ist Vieles passiert. Langsam geht die Sonne unter, die Schatten der Bäume werden immer länger. Trotzdem sind die Vögel noch immer lauthals am Singen, als hätte ihr Gesang am jetzt endenden Tag noch nicht alles gesagt, was sie eigentlich sagen wollten. Allmählich werden auch sie leiser, der Gesang hört langsam auf. Im letzten Licht sehen wir plötzlich eine Bewegung vor uns auf dem Weg - was war das? Ohne Fernglas können wir das Stück nicht ansprechen. Ist es „unser“ Bock? Oder doch ein anderer? Nun stehen dort sogar zwei Stücke. Thomas sagt nichts, er greift nur zu seinem Spektiv. Kann er so spät damit noch gut sehen? „Das linke Stück ist Dein Bock! Aber vorsichtig, das rechte ist eine Gais!“ dirigiert mich Thomas. Schon vor dieser Ansage hatte ich die Büchse bereitgelegt und die beiden Stücke durch das Zielfernrohr beobachtet. Alles klar, aber das linke Stück steht mit dem Spiegel zu mir und es wird immer dunkler und dunkler. Der Bock steht immer noch spitz von uns weg. Plötzlich merke ich, dass irgendetwas nicht passt, das rechte Stück springt sogar ab! Unser Bock holt Wind… und dreht sich dafür ein bisschen zur Seite. Damit zeigt er mir kurz sein Blatt! Das reicht mir, um einen sauberen Schuss abzugeben: Der Bock bricht zusammen und bleibt im Feuer. Im selben Moment spüre ich, dass Thomas mir auf den Rücken klopft und mir Waidmannsheil wünscht -was für ein Auftakt!

Wir müssen schon unsere Taschenlampen benutzen, um zum Bock zu kommen. Er ist gut und alt, wir bewundern besonders die schöne, braune Farbe seiner Stangen. „Das ist er, ich kannte ihn seit ein paar Jahren!“ freut sich Thomas. Nun kommt wie immer meine Kamera an die Reihe, um diese einmaligen Augenblicke zu erfassen.

Wir fahren schnell nach Hause, um mit der „roten Arbeit“ unser heutiges Tagwerk zu beenden. Nur kurz sitzen wir im Garten und erleben noch einmal unseren Ansitz nach. Lange können wir nicht, denn in gerade mal drei Stunden geht es weiter! Also: „Schnell ein bisschen schlafen!“

Der Wecker ist grausam und ich muss schnell aufstehen, damit er nicht die ganze Familie weckt. Egal um wie viel Uhr, ich muss immer frühstücken! Thomas bereitet etwas Kleines für mich zu und schon sitzen wir im Auto Richtung Revier. „Ich bin zu langsam eingeschlafen, wie immer!“ jammere ich laut. „Sollen wir lieber zu Hause bleiben?“ fragt Thomas mit einem Lächeln. Und mein Lächeln antwortet ihm, ohne etwas zu sagen.

Wieder sitzen wir an einem Waldweg, rechts vor uns ist eine kleine Wiese, links geht ein Bestand mit Fichten, Tannen und Buchen bergauf. Es ist noch ziemlich finster, als wir es uns auf dem Hochstand bequem machen. Schon bald spüre ich, wie mein Kopf immer schwerer und schwerer wird. Gott sei Dank sitzt Thomas dabei, sonst würde ich sicher einnicken und den schönen Morgen verschlafen. Langsam wird es heller. Auf einmal nimmt Thomas sein Spektiv und kontrolliert den Hang links neben uns. Auch ich sehe dort im Bestand einen Schatten. Ich greife gleich zu der Büchse. „Ich bin mir nicht sicher“ wispert Thomas. Egal, ich bin vorbereitet! Aber das Stückt verschwindet so schnell und unerwartet, wie es aufgetaucht ist. „Schade, aber es gibt hier zwei Böcke und ich war mir nicht sicher,“ entschuldigt sich Thomas. „Ist doch egal, Hauptsache wir haben keinen Zukunftsbock erlegt!“ beruhige ich ihn.

Die Sonne steht schon ziemlich hoch, wir sind kurz davor, abzubaumen, da sehe ich wieder ein Stück im Hang. Thomas und sein Spektiv kommen zum Einsatz – „Schnell schießen!“ lautet sein Befehl. Schon habe ich den Bock im Absehen, der freundlicherweise vorbildlich für einen guten Blattschuss steht - das ist für mich auch der einzig mögliche Schuss auf Schalenwild. Es ist aber trotzdem nicht gerade leicht, denn er steht im steilen Hang ziemlich hoch über uns. Alles passt, auch dieser Bock bleibt im Feuer! Die Vögel singen ihre Morgenlieder, als wir zu ihm klettern. Ein wirklich bilderbuchartiger Knopfer liegt vor uns! Es freut mich sehr, dass ich neben dem alten Herrn von gestern auch diesen klassischen Hegeabschuss machen durfte. Es werden noch ein ganzer Haufen Bilder geschossen an diesem Vormittag, auf denen meine Kinder natürlich auch nicht fehlen dürfen.

Klassisch ging das Wochenende weiter: Ein köstliches Mittagessen im Garten, ein bisschen ausruhen und dann Ausflüge in die Gegend. Ich fahre jedes Jahr hierher, manchmal auch mehrmals etwa zum Skifahren, aber satt werde vom Salzkammergut nie! Egal welcher See, egal welches Dorf, egal welcher Berg! Es gibt unzählige Orte, die man hier besuchen und die Schönheit der Gegend bewundern kann. Diesmal haben wir etwas Spezielles geplant – eine Bootfahrt auf dem Attersee bei herrlichem Wetter hat uns viele neue Seiten des Sees gezeigt! Und da es warm genug war, haben die Kinder noch dazu im See gebadet.

Der Abschluss ist immer ein Muss – Gmunden, ein Spaziergang entlang des Sees, der Besuch der Konditoreien und der Gmundner Keramik. Man muss nicht zwingend einkaufen, aber der Blick auf die Produkte ist großartig - und woher wohl kommt unser Geschirr im Wochenendhaus? Nur einen Ort hier wollen wir nicht noch einmal sehen – das Krankenhaus in Bad Ischl, in das meine Frau gebracht wurde, als sie sich ihr Bein beim Skifahren gebrochen hat. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Wieder ist das tolle Wochenende bei Thomas viel zu schnell vorbei. Wir packen und nach der Morgenpirsch am Sonntag ist es soweit – in fünf Monaten sehen wir uns wieder bei der Jagd, dieses Mal bei mir im Revier. Die Zeit wird wie immer schnell vergehen. In diesem Jahr kennen wir uns 24 Jahre, bald haben wir Jubiläum… so lange sind wir schon Jagdfreunde!


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