Langsam pirsche ich auf einer Schneise, wo vor ein paar Tagen gefällte Stämme gezogen wurden und so der Boden weicher ist – optimal zur Pirsch! Auf der linken Seite habe ich einen Fichtenjungbestand, auf der rechten Seite einzelne, große Lärchen. Ich halte an und lausche, ob ich irgendwo Wild hören oder sehen kann. Ja, in dem Bestand zieht etwas! Ich hoffe auf Rotwild und bereite meinen Dreibein vor, lege meine Büchse rein und warte ab. Etwas zieht in meine Richtung, ich sehe, dass die kleinen Fichten sich bewegen, mehr aber nicht. Das ist kein Rotwild, das sind Wildschweine! Ich erwartete also eine kleine Rotte schwarzer Ritter, konnte aber nur ein einzelnes entdecken. Ich konnte das Stück nicht ansprechen, daher entschloss ich mich weiter zu pirschen. Doch halt! Ich sehe es wieder und ziehe mit meiner Büchse mit um endlich erkennen zu können, ob es sich um einen Keiler oder eine Bache handelt. Ich sehe den ganzen Körper, nur das Haupt nicht! Der Silhouette nach schaut es nach einem starken Keiler aus, aber ich muss das Haupt und die Waffen sehen. Es ist kurz nach 16 Uhr und die Sonne geht langsam unter! Auf einer überfallenden Schneise hält das Stück an und nimmt Wind. Ein KEILER! Ich sehe die langen Waffen ganz deutlich. Im selben Moment springt er über die Schneise und bleibt in einem Loch stehen – ich sehe nur den oberen Teil der Körpers.

Meine Gedanken überschlagen sich. Es ist ein starker Keiler, ich habe ihn frei, worauf warte ich? Durch die abendliche Stille knallt mein Schuss! Ich repetiere sofort (und stecke die Hülse in meine Tasche). Der Keiler bricht zusammen, ich sehe nur seinen Lauf kurz hoch kommen, dann ist nichts mehr zu hören und zu sehen. Mit einsatzbereiter Waffe kontrolliere ich den Ort, wo ich den Keiler vermutete. Ich sehe ihn. Ich fühle, wie eine Hitzewelle durch meinen Körper geht und ich beginne zu zittern. Ich weiß nicht, wie lange ich mit der Büchse im Voranschlag stehe. Ich kenne die Aufregung und den Adrenalinausstoß nach jeder Jagd, aber so habe ich es wirklich lange nicht mehr erlebt. Ich entspanne die Büchse und schaue immer noch zu dem Platz, wo mein erster Keiler liegt. Ich greife zu meinem Handy und rufe meinen Freund, bei dem ich jage, an. Ich habe Schwierigkeiten die Nummer einzutippen und dann auch noch zu reden! „Beruhige Dich, ich kann Dich nicht verstehen. Was hast Du erlegt? Wo bist Du?“ fragt er mich, mittlerweile auch aufgeregt. Ich muss mich konzentrieren, damit er mich verstehen kann. Ich erzähle ihm in Kürze was passiert ist. „Das ist ein Witz, oder?“ antwortet er ungläubig. „Nein, ganz und gar nicht.“ stammelte ich ihm entgegen. Ich beschreibe ihm, wo ich mich genau befinde, damit er weiß, wo er mich und meinen Keiler finden kann.


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