Man könnte sagen, der Wisent (Bison bonasus) ist das europäische Pendant zum „Indianerbüffel“. Auch die Bezeichnung europäischer Bison ist daher korrekt. Anders als ihre Verwandten in der Prärie bevorzugen Wisente große Laub- und Mischwälder mit ausreichend Unterholz, Wiesen und Lichtungen als Lebensraum und ernähren sich überwiegend von Gräsern, Kräutern, Knospen, Trieben und Rinde. Die tagaktiven Wiederkäuer sind meist standorttreu und leben in Herden von 8 bis 20 Tieren. Eine Herde besteht aus der Leitkuh und weiteren erwachsenen Kühen sowie ihren Kälbern und zum Teil auch aus jungen männlichen Tieren. Die ausgewachsenen Bullen, die deutlich größer und schwerer sind als die Weibchen, leben in kleinen Gruppen oder solitär und suchen die Weibchen nur in der Brunftzeit von August bis Oktober auf. Die Tragzeit dauert im Schnitt neun Monate, danach wird im Mai oder Juni ein Kalb von etwa 40 kg geboren. Ab ca. drei Jahren sind die Tiere geschlechtsreif. Männliche Tiere pflanzen sich aber aufgrund der Konkurrenz mit älteren Bullen erst ab dem 6. bis 12. Lebensjahr fort. Im Freiland erreichen Wisente ein Alter von 20 bis 25 Jahren.

Man unterscheidet zwei Unterarten. Zum einen den Flachlandwisent (Bison bonasus bonasus) und zum anderen die etwas kleinere Form, den Bergwisent (Bison bonaus caucasicus). Diese waren bis ins 19. Jahrhundert noch in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas verbreitet, wobei sich die Verbreitung der Bergwisente, wie der Name schon vermuten lässt, auf das Hochgebirge zwischen dem schwarzen und dem kaspischen Meer, den Kaukasus, beschränkte. Doch schwindender Lebensraum und eine starke Bejagung führten zum Aussterben der Wisente in freier Wildbahn. Durch gezielte und genau dokumentierte Zuchtmaßnahmen wurde die Wisentpopulation wieder aufgebaut. Auch heute gibt es noch zwei Linien. Die Linie der Flachlandwisente (Bison bonasus bonasus) wurde genetisch erhalten. Da es aber zu Beginn der Zuchtbemühungen nur noch einen einzigen reinblütigen Bergwisentbullen gab, ist die zweite Linie, die Flachland-Kaukasus-Linie (Bison bonasus bonasus x Bison bonasus caucasicus), eine Hybridformen von Berg- und Flachlandwisent. Jegliche Versuche Wisente zu domestizieren scheiterten. Es sind und bleiben Wildtiere, die sich ihrer Kraft und Stärke oftmals bewusst sind und denen man daher mit dem nötigen Respekt entgegentreten sollte. Auch wenn sie sehr langsam und schwerfällig wirken, können Wisente ohne große Mühe zwei Meter hohe und bis zu vier Metern breite Hindernisse überwinden und Geschwindigkeiten von 60 Stundenkilometer erreichen.

Freie und halbwilde Wisentpopulationen findet man heute in Polen, Litauen, Weißrussland und Russland sowie in der Slowakei, der Ukraine und nun auch wieder in Deutschland.


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