Im Gegensatz zu Raini machte ich mir jetzt überhaupt keine Gedanken über den Rückweg mehr, mir war klar, ich würde hier an dieser Stelle sterben. Schöner Platz, lasst mich zurück, ich gehe den letzten Weg allein. Aber ich hatte meinen Abschied ohne den liebgewonnenen Bergmenschen an meiner Seite geplant. Er bat mich aufzustehen, zu versuchen, den Rückweg anzutreten, Schritt für Schritt würden wir das schon zusammen schaffen. Soso, auch noch ein Multitalent dieser Mann, ein Beschwörer von Halbtoten und Erwecker durch Handauflegen…

Wie eine Kamel-Karawane machten wir uns auf den Weg zurück. Mir wurde alles an überschüssigem Ballast abgenommen und tatsächlich, Schritt für Schritt und im Schneckentempo ging es bergab. Immer wieder mussten wir im Schatten anhalten und rasten, Wasser wurde mir Schluck für Schluck angereicht. Dann endlich tauchte die Hütte vor uns auf, an der wir uns alle treffen wollten. Die allerletzten Reserven wurden aktiviert, Raini motivierte ein letztes Mal und dann brach ich in der Hütte zusammen. Schweißausbrüche, Hitzeschübe, Erbrechen, das ganze Programm. Dass ich nach Hause wolle, konnte ich noch wimmern, sonst war nicht mehr viel los mit mir. Nach 1,5 Std. des Liegens im Dunkeln wurde es langsam besser. Mein allerliebster Raini kümmerte sich so fürsorglich um mich, ein Schatz! 2 Stunden nach meinem Zusammenbruch kam er dann in die Hütte, strahlte mich an und sagte „Du weißt schon, dass ich dich so nicht gehen lasse? Deine Freundinnen haben alle Waidmannsheil gehabt, du kannst nicht ohne nach Hause fahren!“ Klar konnte ich, sehr gut sogar! Ich hatte grade eine Nahtot-Erfahrung durchlebt und war wirklich glücklich, dass ich nun doch weiter leben konnte, da würde ich auf keinen Fall nochmal irgendwie irgendwo irgendwelche Hänge erklimmen! „Doch!“, sagte er, „es ist nicht weit, das schaffst du, du schaffst alles, du hast es sogar allein zurückgeschafft, obwohl ich bereits die Bergrettung alarmiert hatte, dass sie dich herunter fliegen sollen, komm, das machen wir jetzt!“


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