Während ich also meine Beruhigungs-Warte-Zigarette rauchte, schaute ich zum Anschuss und bemerkte, dass es „dahinten“ ziemlich rot aussah. Ich nahm das Glas hoch und erkannte, dass am Anschuss und auf der Fluchtstrecke zum Wald Unmengen von Schweiß zu sehen war. Das beruhigte mich, denn von meiner Perspektive sah es nach hellem Schweiß aus... und gelernt hatte ich: heller Schweiß bedeutet Lungenschweiß; bedeutet gute Trefferlage! Es ist unglaublich spannend das in der Theorie gelernte, dann endlich in der Praxis anzuwenden. Aber als Jungjäger hat man ja unendlich viele Stimmen im Kopf, die es oft nicht gut mit einem meinen. Und gleichzeitig fiel mir ein, dass auch ein Lauftreffer starke Blutungen hervorrief. Hatte ich ihn etwa nur laufkrank geschossen? Jetzt bloß keine Panik! Der Schuss ist raus und zu ändern ist es nicht mehr. Warten und dann schauen gehen.

In unserer Ausbildung haben wir natürlich auch gelernt, dass man je nach Trefferlage gewisse Wartezeiten einhalten sollte, damit das Wild in Ruhe ins Wundbett gehen und dort verenden kann, ohne die Nähe des Menschen ertragen zu müssen. Ich war mir sicher ich war gut abgekommen und hatte dort getroffen, wohin ich gezielt hatte. Für diese Art des Schusses, den Blattschuss, sah das Lehrheft ca.15 Minuten Wartezeit vor. Mittlerweile konnte ich erahnen wofür die 15 Minuten Warten noch sind... Damit der Jäger sich nicht den Hals bricht! Denn vor Ablauf dieser Zeit, wäre ich überhaupt nicht in der Lage gewesen, die Leiter der Kanzel heil hinunterzuklettern!

Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Ich entlud meine Waffe und stieg mit ihr über der Schulter die Leiter hinunter. Als ich an den Anschuss kam, untersuchte ich diesen erstmal, denn (Achtung: wieder Theorie/Praxis) es ist ja wichtig zu erkennen wie er aussieht, was man dort alles findet usw. Ich fand viel Schnitthaar und im Schnee war Schweiß in Massen zu finden. Ich erkannte, dass es tatsächlich Lungenschweiß war und folgte der Schweißfährte einige Meter bis dorthin, wo das Bockkitz hangabwärts im Wald verschwunden war. Oben am Absatz schaute ich hinunter. Es war eine regelrechte Schweißautobahn zu sehen. Sogar die Bäume waren voller Schweiß... Unmengen, überall. Ungefähr zwanzig Meter von dort wo ich stand, sah ich das Kitz liegen. Es rührte sich nicht mehr. In dem Moment war ich unendlich erleichtert. Ein riesen Stein fiel mir vom Herzen und ich atmete erstmal tief durch! Es lag!


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